Ludwig Carl Wilhelm von Baumbach-Kirchheim – Erinnerungen aus dem Leben eines hochbetagten Mannes (1799 – 1883)/07

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Ludwig Carl Wilhelm von Baumbach-Kirchheim – Erinnerungen aus dem Leben eines hochbetagten Mannes (1799 – 1883)
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Erinnerungen Baumbach Kirchheim.djvu
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hoher Pacht noch erhöhten, Hierdurch geriet mein guter Vater, dessen Finanzen früher die bestgeordneten waren, nach und nach immer tiefer in Schulden, um so lästiger, als ein großer Teil derselben in kleineren Beträgen bei Bekannten aufgenommen wurden. Hierzu kam, daß die früher so vortreffliche Gesundheit meines Vaters zu leiden begann, endlich in ein schmerzliches lästiges Blasenleiden ausartend, mitunter Anfälle von Wassersucht im Gefolge habend. Dies veranlaßte den Wunsch bei ihm, daß ich meinen Abschied aus dem Militärdienst nehmen und ihm bei der Administration der Güter beistehen möge, ein Wunsch, den auch der gute Onkel Ernst teilte, der auch meinem eigenen entsprach, da ich des schalen, geisttötenden Garnisondienstes herzlich überdrüssig war.

So nahm ich denn 1823 in der Tat meinen Abschied und stand meinem Vater nach Kräften bei bis zu seinem bald darauf erfolgtem Tode. Dieser fand nicht in Kirchheim, sondern in der Wohnung meines Bruders Moritz in Kassel statt auf der Reise meines Vaters zu der jährlichen Obervorsteherkonferenz in Oberkaufungen, wohin ihn sein stets reges Pflichtgefühl, ungeachtet seines immer schwächer werdenden Gesundheitszustandes trieb. Ein strengerer redlicherer Mann wie mein Vater hat wohl nie gelebt; das Pflichtgefühl ging ihm über alles, ihm mußte alles nachstehen. Seiner Erziehung, sowie der meiner herrlichen Mutter verdanken wir Kinder alles, ihnen allein haben wir es zu danken, wenn wir nützliche Mitglieder der menschlichen Gesellschaft wurden.

Mein Bruder Moritz empfing seine Schulbildung durch einen guten, mit den alten Sprachen durchaus vertrauten Magister Jäncke, an dessen Unterricht auch zuletzt mein Bruder Fritz, ich wohl kaum als Abc-Schütze teilnahmen. Moritz bezog ohne vorherigen Gymnasialunterricht, damals wohl noch sehr mittelmäßig die Universität, mit bestem Erfolg. Noch in der westfälischen Zeit erhielt derselbe eine Anstellung bei dem Tribunal in Hersfeld. 1813, nach der Befreiung von der französischen Gewaltherrschaft, trat Moritz zugleich mit Vetter Wilhelm in das Hessische Freiwillige Jägerbataillon. Nach Rückkehr 1814 wurde derselbe bei einem Oberen Gericht angestellt und rückte ziemlich rasch zum Oberappellationsrat vor. Als solcher wurde er 1831 von der Ritterschaft zu deren Vertreter auf den ersten Landtag nach Errichtung der Hessischen Verfassung erwählt, dessen Präsident er wurde, nachdem es der schon damals reaktionären Regierung gelungen war, den bisherigen Präsidenten Jordan zu beseitigen. Moritz, zwar fest an der Verfassung haltend, zeigte sich doch nur gemäßigt liberal. Dessen ungeachtet wurde demselben jedoch bei späterer wieder auf ihn gefallener Wahl der Urlaub als Staatsdiener verweigert, worauf ich an seiner Stelle zum Abgeordneten erwählt wurde. Im Jahre 1848, wo die Zeitverhältnisse den damaligen Mitregenten, späteren Kurfürsten Friedrich Wilhelm zwangen, sein reaktionäres Ministerium, durch den berüchtigten Hassenpflug herangebildet zu entlassen und durch ein freisinniges zu ersetzen, wurde Moritz Justizminister und Vorstand des sogenannten "März- oder Ministerium Eberhard", ein Ehrenmann, Oberbürgermeister von Hanau, mein treuer Freund. Dieses Ministerium handelte in voller Harmonie mit der damaligen Ständeversammlung, deren verfassungsmäßige Tätigkeit jedoch im Oktober 1848 zu Ende ging. Viel Gutes, zumal mehrere vortreffliche Gesetze wurden so geschaffen, gingen