Herforder Chronik (1910)/324

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Herforder Chronik (1910)
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Kinder, die den Gouverneur Graf Wittgenstein-Sayn fußfällig um Milde anflehten, hatten die gewiß nicht mehr jungen Gefangenen es zu verdanken, daß sie sich ihrer eigenen Kutschen bedienen durften. Otto Vogel erhielt am dritten Tage seine Freiheit wieder. Bis auf Notar Dipelius, Stute und Rottmann wurde der ganze Rat abgesetzt, die am meisten bloßgestellten Ratsherren Johann Neuhaus, Heinrich Pagendarm, Balthasar Sirps und Hermann Bode entzogen sich dem Arm des Kurfürsten durch die Flucht, der kranke Ratsherr Hermann Schmackepeper wurde in seinem Hause (Lübberstraße, jetzt Goldarbeiter Schlüter) militärisch bewacht.

Unter Leitung der ravensbergischen Räte wurde nun der ganze Rat „von mehrentheils idioten“, oder „auß den Rebellen“, sagt Fürstenau, neu gewählt, Heinrich Heidtmann, der schon dem alten Rate angehört hatte, wurde Bürgermeister. Am 5. Oktober erschien der Kurfürst vor Herford, um die Eidesleistung der Bürger entgegenzunehmen. Er hat aber die Stadt nicht betreten wollen, bevor nicht die kurkölnische Sicherheitswache sich entfernt hätte. „Wie aber ein Ehrnvester Rath noch die Bürgerschaft sie nicht hat hinaußschaffen wollen, haben sie den Obnsten Lieutenant mit seinen Soldaten zwischen genommen und mit Gewalt hinauß gebracht.“ (!)

Für die Eidesleistung war gewiß eine ähnliche Feierlichkeit geplant, wie wir sie schon früher kennen gelernt haben, aber Anton Fürstenau weiß von all dem Prunke nur zu erzählen, daß am 6. Oktober auf dem Markte „ein Gezelt“ aufgeschlagen sei, welches die Bürger mit Ach und Weh angesehen, weil sie nur ungern geschworen hätten. Beim „Glockengeleut, Turnblasen und dergleichen Ceremonien“ (!) begann der Schwur der einen Hälfte der Bürgerschaft, weil „fast die Halbscheidt (Hälfte) sich absentirt“ (sich entfernt hielt). Diese waren aber für den 10. Oktober morgens 6 Uhr „citiret“, d. h. wahrscheinlich unter Androhung von Strafe bestellt, „und zu schweren genötigt worden“.

Der Kurfürst legte eine Garnison von 300 Kürassieren in die Stadt, deren Kommandant „der Bauern Hauptmann“ (!) (gemeint ist Holmann) wurde. „Es ist dahin gekommen, daß, der keine hundert Bauern hat regieren können, dem sind ungefehr 1000 Bürger zu gubernieren befohlen. Demselben seind Herrn Fürstenauen Güther, wie man für gewis sagt, verehret.“ Die Fünfziger mit ihrem Anhang habe „Er“, der Kurfürst, von allen Lasten befreit, die Getreuen dagegen (d. h. die Antibrandenburger), welche bis zum äußersten fest geblieben sind, sollen alle dem Kurfürsten schuldige rückständige Kontribution im Betrage von 3000 Talern abtragen und monatlich die Bürger 125 Taler zum Unterhalt der Garnison aufbringen.

Des weiteren führt Anton Fürstenau eine Reihe von Ereignissen an, die sich nach dieser zweiten Einnahme der Stadt daselbst zugetragen hätten. Er, der selber nicht in Herford war, hat die Kunde davon angeblich von verschiedenen „Patrioten“, wie er die Gegenbrandenburger nennt, erhalten, die teils noch in Herford geblieben, teils außerhalb wohnhaft, vielleicht geflüchtet waren, und berichtet sie nun einem (wahrscheinlich kaiserlichen) Kommissar, den er nicht