Herforder Chronik (1910)/323

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Herforder Chronik (1910)
<<<Vorherige Seite
[322]
Nächste Seite>>>
[324]
Herforder Chronik 1910.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.



nachzugehen. Es ist begreiflich, daß die Bürger, welche in dieser Vergünstigung einen Weg sahen, aus ihrer Bedrängnis herauszukommen, nun auch schnellstens davon Gebrauch machten. So standen sich jetzt in Herford zwei Parteien gegenüber, die nach Licht und Luft lechzenden Bürger und der finster brütende, abwartende Magistrat mit seinem aristokratischen Anhang.

Nachdem die Bürger, sagen wir: der brandenburgisch gesinnte Teil der Bürgerschaft, eingesehen hatten, daß nichts anderes mehr helfen konnte, als den Magistrat zu einem Nachgiebigkeitsentschlusse zu zwingen, ihn vor eine vollendete Tatsache zu stellen, öffneten sie am 23. September (neuen Stils) die Tore und traten mit dem Befehlshaber der brandenburgischen Belagerungstruppen, dem Oberst v. Eller, in Verbindung. Dieser besetzte den Wall vom Renn- bis zum Bergertore mit Musketieren, ließ daselbst eine Schanze aufwerfen und sie mit „Gestück und Haken“, d. h. Geschütz, sowie mit „Kraut und Loth“, d. h. Pulver und Kugeln versehen. Der Ernst dieses Vorgehens hatte die beabsichtigte Wirkung, er brach die Unschlüssigkeit des Magistrats. Er erklärte sich jetzt zu Unterhandlungen bereit, und die zusammengerufene ganze Gemeinde billigte die Bedingungen, welche der Rat für die Unterwerfung vorschlug. Der Oberst v. Eller hob einstweilen, d. h. bis zur Ankunft des Kurfürsten, die Einschließung der Stadt auf und versprach, die Bürger ferner weder kränken noch belästigen zu wollen.

Dem Rate, welcher sich das summarische Verfahren des Kurfürsten gegenüber den Ratspersonen im Jahre 1647 vor Augen hielt, mochte nicht ganz wohl zumute sein, doch versprach er sich immerhin noch einige Milde, wenn er sich bedingungslos dem zürnenden Herrn unterwarf. Dieser war am 26. September nach dem Sparenberg gekommen und verfügte von dort aus am 3. Oktober in Übereinstimmung mit den Wünschen der Bürgerschaft die Amtsentsetzung der Bürgermeister, des gesamten Rates, der Beisteher und Amtmeister, desgleichen die Vereidigung der Bürger auf die Verträge von 1647 und 1650. Die von dem Kurfürsten entsandten Räte, Graf Wittgenstein, Freiherr v. Blumenthal, Dr. Schliepstein und Portmann, fanden in Herford keinen Widerstand vor.

Wir folgen für die Erzählung der weiteren Vorgänge im wesentlichen der Fürstenauschen Streitschrift, und zwar Nr. 37: „Advis und Nachricht deß jetzigen ehlenden Zustandes der Stadt Hervordt u. s. w.“, ohne ihr jedoch überall Glaubwürdigkeit beizumessen. Der Verfasser sah eben am Ende seines langjährigen, unentwegten Kämpfens und Ringens um die Unabhängigkeit seiner Vaterstadt alle seine Hoffnungen fehlgeschlagen, seine Pläne gescheitert, und daher der gereizte Ton, die Verbissenheit, die sich im Verkleinern mancher Dinge in seiner Erzählung ausprägt. Er berichtet, daß am 4. Oktober unter Trommelschlag zwei Kompagnien Soldaten anrückten, um die vier Bürgermeister, Otto Vogel, Bernhard Giese, Dietrich Corvey und Hermann Fürstenau, gefangen zu nehmen. Wie gemeine Verbrecher sollten sie auf einem mit Stroh belegten Leiterwagen zum Sparenberg abgeführt werden, und erst dem Eintreten ihrer Frauen und