Deutsche und französische Kultur im Elsass/014

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Deutsche und französische Kultur im Elsass
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im Verein mit der negativen Eigenschaft des Fehlens der „monarchischen Gesinnung" ein Produkt der französischen Kultur, das in scharfem Gegensatz zu dem positiv monarchischen Wesen des Deutschen steht. In enger Beziehung zu dieser demokratischen Grundstimmung steht auch die Thatsache, dass dem Elsässer fast jeder Begriff für eine geburtsständische Gliederung der Gesellschaft verloren gegangen ist. Die soziale Stellung des Adels ist in der französischen Revolution völlig ausgewischt worden, und die wenigen noch vorhandenen adeligen Familien des Ober- und Unter-Elsass verdanken ihr Ansehen nur ihrem Reichtum. Ihre Zahl ist so gering und ihr Ansehen so wenig mit ihrem alten Adel verknüpft, dass der Masse der Bevölkerung jedes Verständnis für die adeligen Titel fehlt. Die in Deutschland so bedeutungsvollen Adelstitel „Graf" und „Baron" sind dem Elsässer fast fremd geworden, sie sind ihm ein sinnloser Wortschall, mit dem er nur das vage Gefühl einer ausgezeichneten Stellung des Trägers verbindet. Selbst in einer Stadt wie Strassburg konnten die eingewanderten deutschen Edelleute die elsässischen Kellner nur mit Mühe daran gewöhnen, sie mit ihrem adeligen Titel anzureden. Der einzige soziale Unterschied, der dem Elsässer zum Bewusstsein kommt, ist der von arm und reich. Auch der in Deutschland so oft betonte Bildungsunterschied der Volksklassen ist im Elsass natürlich auch vorhanden, wird aber nicht bewusst zur ständischen Scheidung benutzt. Die Gründe dieser sonderbaren Erscheinung werden wir später kennen lernen. An der Stelle des Adels stehen in der sozialen Gliederung der elsässischen Bevölkerung die Notabeln. Die Voraussetzung ihres Ansehens besteht fast allein im Reichtum, nur selten in persönlichen Eigenschaften oder in ihrer beruflichen Stellung. Wie schon öfters erwähnt, ist im grössten Teil des Landes ihre Zahl zu gering und ihr soziales Übergewicht zu wenig ausgebildet, als dass sie die demokratische Struktur der Gesellschaft wesentlich verändern könnten. Mülhausen und die Gebirgsthäler bilden allerdings bedeutsame Ausnahmen. Aber auch hier muss der sozial so mächtige Fabrikant sich wenigstens der demokratischen Sitte fügen. Auch diese völlige Vernichtung der Geburtsstände im Elsass ist ein Werk der französischen Kultur und ihrer bedeutendsten Lebensäusserung, nämlich der grossen Revolution. Vor 1789 gab es im Elsass so viele Fürsten, Grafen und Herren wie in allen südwestdeutschen Landschaften. Die Revolution hat sie fast alle ausgerottet und noch schlimmere Verwüstungen unter ihnen angerichtet als in Frankreich selbst. Denn nach Frankreich sind die aristokratischen Emigranten wieder zurückgekommen, aber der deutsche hohe und niedere Reichsadel, der im Elsass angesessen war, hat seit der Revolution, bis auf einige Familien, die sich völlig den neuen Verhältnissen anpassten, dem adelsfeindlichen Land definitiv den Rücken gekehrt. So ist es gekommen, dass der alte Adel im Elsass noch gründlicher vernichtet worden ist wie in Frankreich selbst. Aber wer wollte leugnen, dass diese Vernichtung und der demokratische Charakter der heutigen Gesellschaft ein Werk der französischen Kultur sei? In der sozialen Gliederung der elsässischen Bevölkerung fehlt etwa seit der französischen Revolution der eingeborene Beamtenstand so gut wie völlig. Also diejenige soziale Klasse, die in Deutschland eine eine so erhebliche Rolle spielt, die der Staatsbeamten, ist hier nicht vorhanden. Diese Erscheinung hat nun verschiedene Ursachen. Zunächst haben die Franzosen das Land in der Hauptsache durch französische Beamte regiert, wie es die Deutschen eben nur mit altdeutschen Beamten regieren. Nun hört man oft die Behauptung, dass die Elsässer bei dem straff zentralisierten

Bildunterschrift:
Th. Schuler: Mädchen aus Riedseltz.