Berichte und Gesuche (deutsche Landgemeinden in Südrußland)/036

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Berichte und Gesuche (deutsche Landgemeinden in Südrußland)
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Berichte und Gesuche 1892.djvu
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Bezug auf Feldumtheilung nicht zu unterwerfen, können sich als Aufkäufer von Land oder als Schmarotzer des kleinen Landwirths im Allgemeinen und als schädlich inmitten christlicher Dorfbewohner im Besondern entpuppen, und doch wird die Gemeinde ihnen machtlos gegenüber stehen, sie, deren Glieder den Gemeindebeschlüssen sich fügen müssen und die ein etwaiges schädliches oder lasterhaftes Glied stets aus ihrer Mitte entfernen kann.

Ich glaube nicht, daß die Bauernbehörden, vielleicht mit Ausnahme der Melitopol'schen, bewußt und böswillig die Zerrüttung der Ansiedlergemeinden betreiben; allein das Verfahren der ständigen und anderer Mitglieder dieser Behörden drängt unwillkürlich zu der Annahme hin, daß diese Herren, die an sich die Wirkung der solidarischen Haft für Dorf-, Wolost-, Kirchspiels- und Kronslasten nicht erfahren, von den Ansiedlern die Abschließung von Kaufbriefen und gerichtliche Vermögenstheilungen nur deßhalb fordern, weil sie dem persönlichen Grundbesitz den Vorzug geben vor dem gemeinschaftlichen und gemeindlichen. Allein, ist es für diese obrigkeitlichen Personen verzeihlich, die Lebensbedingungen der Ansiedlergemeinden außer Acht zu lassen oder nicht zu kennen, dieser Gemeinden, in denen - und das ist der große Unterschied zwischen der Ansiedlergemeinde in Südrußland einerseits und der Ansiedlergemeinde an der Wolga und der Bauerngemeinde andererseits - es mehr landlose Familien giebt als Wirthe, welch letztere jedoch mit erstern bezüglich der Lasten verbunden sind, Fremden erlauben, in den Colonien Land zu erwerben mit der alleinigen Verpflichtung, die örtlichen Lasten mitzutragen, wäre unrecht; würde man ihnen aber das Stimmrecht in der Gemeinde geben, so würden sie thatsächlich zu Gemeindegliedern ohne Ueberzählung, welch letztere nach dem Gesetz nur mit Bewilligung der Gemeinde und nur für solche Personen erfolgen darf, welche mit den Ansiedlern gleiche persönliche und Standesrechte genießen. Aber selbst wenn die Regierung Beschlüsse wie den der Melitopoler Behörde vom 1. Mai 1881 (s. oben) kassirte und erklärte, das von den in den Colonien des Südens Land erwerbenden Auswärtigen die Ansiedler verpflichtet seien, die örtlichen Lasten im Allgemeinen, die Nichtansiedler aber die im Dorfe auf's Land gelegten Lasten mitzutragen, ohne daß diese Auswärtigen das Stimmrecht in der Gemeinde zu genießen hätten, würde doch in einer solchen Erklärung für die Bessarabischen, Cherson'schen, Krim'schen und Nowomoskow'schen Colonien keineswegs Rettung zu sehen sein: hier ist das künftige Loos der landlosen Ansiedler nicht sichergestellt wie in den Kreisen Melitopol, Berdjansk, Mariupol und Jekaterinoslaw[1]; aus den Bessarabischen, Cherson'schen,



  1. Durch die Fürsorge des Domänenministeriums sind die bei einigen Colonialbezirken des Südens bestandenen Gemeindeschäferei- und Reserveländereien in gemeinschaftliche Pachtgrundstücke verwandelt worden, deren Einkünfte zum Ankauf von Land für die landlosen Ansiedler der betreffenden Wolosten verwendet werden. Indessen waren die Schäfereiländereien im Cherson'schen Gouvernement von unbedeutender Größe, in den Bessarabischen, Krim'schen und Nowomoskow'schen Colonien aber gab es nie gemeinschaftliche Schäferei- und Vorrathsländereien und es besteht in diesen Colonien keine Gemeindequelle zur Versorgung der Landlosen, deren Menge besonders in Bessarabien und verhältnißmäßig in der Krim eine enorm hohe Zahl erreicht hat und mit jedem Jahre stark wächst.