Gut Perwallkischken: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Gabriele Bastemeyer, Das Gut Perwallkischken, in: Memel Jahrbuch 2004, S. 13 - 17'''
 
'''Gabriele Bastemeyer, Das Gut Perwallkischken, in: Memel Jahrbuch 2004, S. 13 - 17'''
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„Auf dem Lande ist es doch zu herrlich. Dann machten wir in [[Perwallkischken]], einem wunderschön gelegenen Gute, auch an der Memel, Besuch. Ich merke schon, das Schönste in ganz Tilsit im Sommer ist der Landverkehr. Die Leute freuen sich, wenn man kommt, und es ist so gemütlich und lustig. Um ½ 3 fuhren wir fort, R.(= Richard Steppuhn, der Ehemann der Verfasserin) schoß gleich 3 Wildenten, und ½ 1 abends kamen wir wieder. Solche Besuche machen ist angenehm!“ So schreibt die junge '''Luise Steppuhn-Liekeim''' (1878-1971) in einem Brief, als ihr Mann Richard um 1900 beim Militär in Tilsit stationiert ist. (Lebensbild einer ostpr. Gutsfrau in Briefen, zusammengestellt von Helene Steppuhn-Lüneburg 1985).
 
„Auf dem Lande ist es doch zu herrlich. Dann machten wir in [[Perwallkischken]], einem wunderschön gelegenen Gute, auch an der Memel, Besuch. Ich merke schon, das Schönste in ganz Tilsit im Sommer ist der Landverkehr. Die Leute freuen sich, wenn man kommt, und es ist so gemütlich und lustig. Um ½ 3 fuhren wir fort, R.(= Richard Steppuhn, der Ehemann der Verfasserin) schoß gleich 3 Wildenten, und ½ 1 abends kamen wir wieder. Solche Besuche machen ist angenehm!“ So schreibt die junge '''Luise Steppuhn-Liekeim''' (1878-1971) in einem Brief, als ihr Mann Richard um 1900 beim Militär in Tilsit stationiert ist. (Lebensbild einer ostpr. Gutsfrau in Briefen, zusammengestellt von Helene Steppuhn-Lüneburg 1985).
  

Version vom 22. August 2021, 16:39 Uhr

<<<Perwallkischken

Gabriele Bastemeyer, Das Gut Perwallkischken, in: Memel Jahrbuch 2004, S. 13 - 17

Gut Perwallkischken um 1939/40

„Auf dem Lande ist es doch zu herrlich. Dann machten wir in Perwallkischken, einem wunderschön gelegenen Gute, auch an der Memel, Besuch. Ich merke schon, das Schönste in ganz Tilsit im Sommer ist der Landverkehr. Die Leute freuen sich, wenn man kommt, und es ist so gemütlich und lustig. Um ½ 3 fuhren wir fort, R.(= Richard Steppuhn, der Ehemann der Verfasserin) schoß gleich 3 Wildenten, und ½ 1 abends kamen wir wieder. Solche Besuche machen ist angenehm!“ So schreibt die junge Luise Steppuhn-Liekeim (1878-1971) in einem Brief, als ihr Mann Richard um 1900 beim Militär in Tilsit stationiert ist. (Lebensbild einer ostpr. Gutsfrau in Briefen, zusammengestellt von Helene Steppuhn-Lüneburg 1985).

Letzter Besitzer des Gutes Perwallkischken war der Rittmeister a.D. Arthur Weiss, geboren 1870 und verstorben am 1.3.1960 kurz vor Vollendung des 90.Lebensjahres. Begraben ist er auf dem Waldfriedhof in Aschaffenburg. Er war verheiratet mit Hertha Rhode. Im Güterverzeichnis von 1922 ist die Größe seines Gutes mit 174 Hektar angegeben; dazu kamen zusätzlich 75 Hektar Wiesenland Lasdehnen . „Pferdezucht“ ist als Besonderheit aufgeführt. Das Brandzeichen der Pferde von Perwallkischken war der Delphin auf der linken Halsseite, wie mir Herr Werner Knoch, der Sohn des Verwalters von Perwallkischken freundlicherweise mitteilte.

Arthur Weiss beschäftigte sich aus gesundheitlichen Gründen nicht mit der Wirtschaftsführung, die seit 1934 in Händen des Verwalters Knoch lag. Die Familie Weiss lebte etwa 150 Jahre lang „auf“ Perwallkischken, wie man früher bei kölmischen Gütern sagte. 1809 finden wir im Kirchenbuch von Kaukehmen Kr.Niederung – zu diesem Kirchspiel gehörte Perwallkischken damals- unter den Verstorbenen die Eintragung „Perwallkischken.Johanna Friderica, des Herrn Deich-Inspectors Weiss Ehegattin, 45 Jahr 8 Monathe alt, d.14.Febr.(1809).“ Sie wird wohl die Ur-Großmutter von Arthur Weiss gewesen sein. Leider ist es mir, trotz aller Bemühungen, bisher nicht gelungen, eine Ahnentafel der Familie Weiss zu erhalten. So weiß ich leider nicht, wie ihr Mann, der Deich-Inspector Weiss, mit Vornamen hieß.

Der Sohn des Deich-Inspectors, dessen Vorname mir ebenfalls nicht bekannt ist, geboren um 1790/1800, war der Großvater von Arthur Weiss. Er soll das ungewöhnliche Gutshaus erbaut haben, das etwa 300 Meter vom Strom entfernt auf einer Anhöhe lag. Es war ein Holzhaus mit massivem Sockel und besaß einen Turm , denn der Großvater Weiss liebte die Astronomie. Sein Sohn Ernst Weiss, Arthurs Vater, ist in den Güterverzeichnissen von 1879, 1905 und 1913 als Besitzer des kölmischen Gutes, mit Molkerei und Pferdezucht, aufgeführt. 1879 betrug die Größe des Gutes noch 364 Hektar; der Besitzer Ernst Weiss wird als Leutnant a.D. aufgeführt. 1905 ist dann die Größe von 173 Hektar angegeben und das Wiesenvorwerk Lasdehnen mit 69 ha. Der Grundsteuer-Reinertrag betrug 1913 3597 Mark + 1510 Mark für Lasdehnen.

Dass wir eine Vorstellung von der Lage der Gutsgebäude haben, verdanken wir ebenfalls Herrn Werner Knoch , Jahrgang 1929, der in Tilsit das Gymnasium besuchte. Er war am Wochenende und in den Ferien zu Hause bei den Eltern in Perwallkischken. Er fertigte aus der Erinnerung eine Lageskizze an. Auch zur Raumaufteilung konnte er Hinweise geben.

Die Käserei war im Hochparterre untergebracht, bis 1939. Auch die Zimmer der Bediensteten lagen dort. Oben wohnte die Wirtschafterin, die Mamsell. Auf derselben Etage befanden sich auch das Büro des Inspektors Knoch und einige Fremdenzimmer. Unten lagen zwei riesige Räume, dann das Jagdzimmer und das Herrenzimmer (Büro des Gutsbesitzers Weiss) sowie zwei Schlafzimmer mit dazugehörigen Vorzimmern. Arthur Weiss scheint keine Kinder gehabt zu haben, denn er vererbte das Gut den Nachkommen seiner Schwester Lucie Weiss.

Der kleine See bei Perwallkischken hieß „die Perwelk“. Von dort ging nach Angaben von Herrn Knoch ein Kanal direkt in die Memel, mit einer Schleuse, die bei Hochwasser geschlossen wurde. Ein Viertel des Gutes bestand aus Ackerland, drei Viertel aus Wiesen und Weiden. Vor der Familie Weiss gehörte das Gut Perwallkischken dem Damm-Meister Friedrich Ludwig Braun. Er war verheiratet mit Margaretha Noetzel. Sie schenkte ihrem Mann im Dezember 1767 Zwillinge, von denen der Sohn starb und die Tochter Charlotta Carolina ausnahmsweise in Plaschken getauft wurde. 1769 wird die Tochter Catharina Maria geboren und in Kaukehmen getauft. Im August 1798 stirbt Margaretha Braun geb. Noetzel. Im August 1806 stirbt auch die 36jährige Tochter des nun Deich-Inspector genannten Friedr.Ludw.Braun, Catharina Maria, in Perwallkischken.

Es war sicher kein Zufall, dass in Perwallkischken hintereinander zwei Deichinspektoren, Braun und Weiss, gelebt haben. Dazu sollten wir uns vorstellen, dass die Wasserwege und die Schifffahrt in früheren Jahrhunderten im Mündungsgebiet der Memel eine sehr viel größere Rolle gespielt haben. Seit der Zeit des deutschen Ordens war immer wieder versucht worden, das gefährliche Kurische Haff über die Flüsse Nemonien und Gilge und durch den Bau von Kanälen zu umgehen. Die Handelswege von Königsberg nach Osten, nach Litauen und Rußland, sollten sicherer werden.

Erst mit der Eröffnung des Großen Friedrichgrabens und Kleinen Friedrichgrabens und später dem Bau des Seckenburger Kanals im Jahre 1835 war diese Idee Wirklichkeit geworden. Nach Angaben von Rudolf Bogdahn (Der Kreis Niederung, Tilsit 1903) floß die Memel in einer langen Schleife um Perwallkischken herum, das damals also südlich der Memel lag! Es gehörte übrigens noch lange zum Kreis Niederung, als es schon nördlich der Memel lag. 1772 wurde die Halbinsel Perwallk durchstochen, um eine bessere Wasserverteilung zwischen Ruß und Gilge zu erreichen. Es wurde damals auch ein Damm errichtet, den wohl unser Damm- Meister Braun erbaute. Dann drohte die Gilge mit der Zeit zu versanden. Deshalb wurde der Abfluß der Gilge nach Neu-Schanzenkrug verlegt. Daraufhin versandete die Ruß, weil die Gilge zu viel Wasser erhielt. Nach weiteren vergeblichen Veränderungen verlegte man 1849 den Abfluß der Gilge nach Kalwen, also etwa 3,5 Kilometer stromaufwärts, sodaß die Teilung der Memel seit damals von Kalwen aus erfolgte.

Unsere Dammbauer und Deichinspektoren werden sicher turbulente Zeiten erlebt haben, beruflich und auch privat, denn sie lebten ja mit ihrer Familie inmitten des Geschehens!!

Auf alten Karten kann man im Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem noch gut den früheren Verlauf des Memel/Ruß-Stroms sehen. Die Bedeutung des Namens Perwallkischken ist übrigens auch im Zusammenhang mit dem Wasser zu erklären. Nach Georg Gerullis (Die altpreußischen Ortsnamen,1922) bedeutet Perwallkischken etwa „hinüberziehen, hinüberschleppen“. Der Name deutet auf einen Ort mit einer Fähre hin. Ich kann leider nicht sagen, wann Perwallkischken entstanden ist. Auf der Karte des Amtes Tilsit mit den Neusassen von 1641 ist es schon mit 6 Huben 12 Morgen und 218 Ruthen verzeichnet. Auf der Karte des Landmessers Johann Paul Arnoldi vom 12.10.1688 finden sich Christoph Sirrat mit 3 Huben 6 Morgen und 103 Ruthen sowie Heinrich Letzus (Lözus) mit 13 Morgen und 59 R. als Besitzer. Die Güte ihres Landes ist genau beschrieben. Während der Sirrat noch fast zwei Huben „Acker, so noch ziemlich“ sein eigen nennt – der Rest sind mit Sand vermischter Acker und Weidengesträuch-, so hat Heinrich Lözus nur 4 Morgen guten Acker. Der Rest ist mit Sand vermischt bzw.Weidengesträuch und Viehweide auf sandigem Grund. Bei beiden Besitzern sind jeweils zwei nebeneinanderliegende Häuser eingezeichnet.

Im Protokoll des Generalhufenschoß vom September 1716 werden der Landschöpp und der Schanzenkrüger als Besitzer des königlichen Bauerndorfes P. bezeichnet, leider ohne genaue Namensnennung. 9 Hufen und 14 Morgen ist das Land insgesamt groß. „3 Hufen 11 Morgen so der Strohm abgerißen“ sind erwähnt. „Das Dorf liegt an keiner Landstraße. Wald hat dasselbe nicht“. Die Besitzer haben Viehsterben gehabt, doch „hält der Landschöpp jetzt wieder viel Vieh“. Der Schanzenkrüger hat gar kein Vieh. Den größten Teil des Ackers braucht der Landschöpp für Triften. Der Schanzenkrüger hat seinen kleineren Anteil fast ganz „besäet“.

Es ist wenig, was ich, trotz aller Bemühungen, über Perwallkischken und die Generationen von Menschen, die dort lebten, herausfand. Aber es ist mir ein Bedürfnis, dieses Wenige festzuhalten. Ich freue mich über jeden weiteren kleinen bunten Mosaikstein zum Gut Perwallkischken und seinen Bewohnern. Bitte schreiben Sie mir, wenn sie etwas wissen oder Personen kennen, die weiterhelfen könnten. Auch Kleinigkeiten machen das Bild lebendiger.

Drei kleine Puzzleteile fand ich noch in der Kartei Quassowski des Vereins für Familienforschung in Ost- u. Westpreußen: Arthur Weiss, der letzte Gutsbesitzer von Perwallkischken, bestand sein Abitur am 5.9.1891 am Gymnasium Tilsit. Er wollte damals „Rechtsanwalt studieren“. Otto Weiss, 20 ½ J.alt, Sohn des Gutsbesitzers von Perwallkischken, besteht sein Abitur am Gymn.Tilsit am 11.3.1873 , „wählt Militär“. Er könnte ein Bruder von Ernst Weiss gewesen sein. Ohne Angabe des Jahres findet sich dort auch der interessante Hinweis, dass der Rittergutsbesitzer Weiss von Perwallkischken ein französisches Geschütz ausstellt, das 1813 dort zurückgelassen worden ist.

Werner Knoch, dem ich auch die Fotos des Gutes und des Gutsbesitzers Weiss zu verdanken habe, hat Perwallkischken in den letzten Jahren mehrfach besucht. Das Gut wurde Anfang 1944 von der Deutschen Wehrmacht vollständig zerstört, um dem Feind keinen Unterschlupf zu bieten. Herr Knoch fand noch einige Backsteine und eine weiße Kachel vom Küchenherd. Im Mai/Juni 2003 sprach er in Perwallkischken mit einem Litauer, der das Land gekauft hat und den See inmitten dichten Gestrüpps freigelegt hat. So ist wieder ein- wenn auch kleiner- Lichtblick zu erkennen für das wunderschöne Gut , das die junge Frau Steppuhn zu Beginn des 20.Jahrhunderts so gerne besucht hat.

Wer kann Angaben zum Gut Warrischken machen, das ebenfalls am Memel/Ruß-Strom lag, westlich von Gut Perwallkischken und Gut Pillwarren? 1879 war Elise Bein als Besitzerin angegeben. Ihr Verwalter war Louis Ogilvie. Im Güterverzeichnis von 1905 gehörte das Gut bereits der Stadt Tilsit, Verwalter war Steppuhn. 1907 Besitzer Stadt Tilsit. Pächter Steppuhn. Administrator L.Kraus. 1913: Besitzer Stadt Tilsit. Verwalter F.Franz in Pillwarren. Gibt es eventuell noch Nachkommen von Frau Bein oder von den Familien der Pächter oder Verwalter? Hat jemand ein Foto vom Gutshaus? War vielleicht einmal jemand als Besucher dort und erinnert sich an das Gut? Ich freue mich über jede Kleinigkeit, denn über das Gut Warrischken weiß ich fast gar nichts.