Ludwig Carl Wilhelm von Baumbach-Kirchheim – Erinnerungen aus dem Leben eines hochbetagten Mannes (1799 – 1883)/19

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Ludwig Carl Wilhelm von Baumbach-Kirchheim – Erinnerungen aus dem Leben eines hochbetagten Mannes (1799 – 1883)
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Erinnerungen Baumbach Kirchheim.djvu
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1833 verzögerte sich die Zeit bis zu Anfang Dezember. Am dritten Dezember hatten wir bei Regenwetter gerade die Kiefern über Reimboldshausen getrieben, in nichts weniger als heiterer Stimmung infolge schlechten Wetters und mit dadurch verursachter schlechter Jagdausbeute. Die Schützen waren um mich versammelt, und nachdem ich die Treiber für ein nun zu beginnendes Treiben instruiert hatte, setzten wir uns in Bewegung. Hermann ging wenige Schritte vor mir, als ich plötzlich einen Lauf meines in gesenkter Richtung auf der Schulter getragenen Gewehres in unbegreiflicher Weise entlud. In demselben Moment sah ich meinen Bruder niedersinken, die ganze Ladung mit Drahtpatronen war ihm in das Knie eines Beines gedrungen. Der Augenblick ist mir lebenslänglich vor Augen geblieben, und noch jetzt, wo ich dies nach 44 Jahren niederschreibe, umfaßt mich tiefer Schauder. Im ersten Augenblick der Verzweiflung hätte ich den anderen Lauf am liebsten auf mich selbst gerichtet. In Begleitung eines Freundes eilte ich auf dem nächsten Weg nach Kirchheim; während mein armer Bruder auf einer hergerichteten Bahre in das Tal von Reimboldshausen und von da auf dem Weg nach Kirchheim zugetragen wurde, wohin ich Wagen zum Weitertransport entgegen sandte. Zum Glück war meine gute Mutter in Kirchheim anwesend, und erinnere ich mir noch deutlich, wie ich derselben nur mit der größten Anstrengung die Trauerkunde mitzuteilen vermochte. Sie suchte mich auf die freundlichste und eindringlichste Weise zu trösten und traf sofort Anstalten zur Aufnahme des armen Hermann, da meiner ihrer Niederkunft nahen Frau gegenüber die größte Schonung beobachtet werden mußte. Sogleich wurde nach einem Wundarzt Erdmann in Hersfeld gesandt, welcher auch bald erschien und bei Hermann eine leider nur oberflächliche Untersuchung vornahm und den Fall, wohl durch Unwissenheit, ziemlich leicht nahm, während sofortige Amputation bei der so schweren Verletzung geboten war, was unzweifelhaft für die Zukunft des armen Hermann besser gewesen wäre. Für mich war die größte Erleichterung, mich unausgesetzt bei Tag und Nacht der Pflege desselben zu widmen. Hermann ertrug mit der größten Geduld und sichtlichem Bestreben, meine Gefühle zu schonen, seine großen Schmerzen.

Bald kamen wir zu der Überzeugung, daß der Arzt den Fall verkenne und viel zu leicht nehme, und bat ich den sehr geschickten Professor Adelmann zu Fulda, zur Untersuchung nach Kirchheim zu kommen. Dies geschah, doch konnte dort nicht die Untersuchung von allen Seiten vorgenommen werden, da es an geeigneten Anstalten dazu fehlte, jedoch erklärte Adelmann, sofortige Amputation sei indiziert gewesen, jetzt sei es jedoch zu spät. Er kehrte nach Fulda zurück und sandte von da einen tüchtigen Chirurgen Bechtold, welcher die fernere Behandlung des Patienten in Kirchheim übernahm, jedoch bald erklärte, um eine Heilung zu bewirken sei ein Transport desselben nach Fulda notwendig, wo alle notwendigen Vorkehrungen dazu vorhanden, er auch jetzt im Stande sei, solche zu ertragen. So wurden denn alle Anstalten zu diesem Transport getroffen. Mittlerweile war meine gute Minna nach Kassel gereist, um sie bei ihrer Lage aus dem Trauerhaus zu entfernen, und wohin mich meine Pflicht als Abgeordneter doch später führen mußte. Eine Tragbahre mit Wachstuchdecke war angefertigt worden; diese war so eingerichtet, daß acht Mann sie zu tragen hatten, wozu als Ablösung eine gleiche Zahl gestellt wurde. Meine gute Mutter reiste voraus, um alles in einem gemieteten Logis zur Aufnahme vorzurichten. An einem Wintermorgen zeitig traten wir den Marsch