Herforder Chronik (1910)/255

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Herforder Chronik (1910)
<<<Vorherige Seite
[254]
Nächste Seite>>>
[256]
Herforder Chronik 1910.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.



b) Die Reformationszeit in Herford.

Herford ist in den Jahrhunderten vor der Reformation immer nur eine kleine Stadt gewesen - die noch vorhandenen Wälle deuten seinen einstigen Umfang an -, und seine Einwohnerzahl ist selbst zur Zeit seiner höchsten Blüte nicht über 3-4000 Seelen gestiegen.

Und nun denke man sich in diesem bescheidenen Gemeindewesen die Menge der Kirchen und geistlichen Anstalten. Das Gebiet der Abtei allein umfaßte einen beträchtlichen Teil der Stadt, und im übrigen wies, wie wir im vorigen Abschnitt gesehen haben, fast eine jede angesehenere Straße eine Kirche, eine Kapelle, ein Kloster, einen der Geistlichkeit oder einer Bruderschaft gehörigen Hof auf, oder sie trugen sonst ein Merkmal dahin zu rechnender Anstalten.

Ganze Gebiete, Plätze und Straßen leiteten ihre Namen von ihnen her, wie die Freiheit, Nikolaiplatz beim Armenkloster am Bergertor, Brüderstraße, Clarenstraße, Komturstraße, Frühherrenstraße, Klosterweg, Mönchstraße, Süsternstraße.

Man stelle sich die große Anzahl der Reliquien, Heiligtümer, Altäre, Bilder, Vermächtnisse, Spenden, Benefizien vor, dazu das ganze Bild belebt von Priestern, Mönchen, Nonnen und anderen geistlichen Personen, welche Herford beherbergte und versorgte, - man wird zugeben, daß es den Namen des heiligen Herford verdiente und daß es - um mit Hagedorn zu sprechen - „die meisten Riegel hatte, welche der Religionsveränderung hätten vorgeschoben werden können“. Allein, so kräftig diese Riegel auch schienen, sie widerstanden nicht den Händen, welche an ihnen rüttelten. Erstaunlich leicht und rasch wurden sie fortgezogen, und in das geöffnete Tor zog triumphierend die Reformation ein.

Doch nicht so überstürzt, wie es den Anschein hat, vollzog sich der Wandel in den religiösen Anschauungen der Herforder. Allmählich war mit dem Verfall der Sitten unter den Geistlichen die frühere Hochachtung vor ihnen in ihr Gegenteil umgeschlagen, besonders seitdem man erkannte, daß jene mehr darauf bedacht waren, ihre eigenen Interessen als das Seelenheil ihrer Gemeindeglieder zu wahren und zu fördern, daß nur der Bauch ihr Gott und der wahre Gottesdienst ihnen Nebensache war. Längst blickten die Herforder mit Verachtung und Unwillen auf das schmachvolle Treiben der Bettler und Nichtstuer im Mönchsgewande, und ein Sehnen nach Besserung durchzog ihre Herzen. Staatliche Gebote und Anordnungen konnten gegen die geistliche Macht nicht viel Hilfe bringen, von innen heraus mußte der Umschwung zum Bessern kommen, und er kam. Dazu war der Boden trefflich bereitet in den Herforder Klöstern, die höher standen als viele andere in weiter Runde. Hier waren es neben der tiefernsten Gottesverehrung die eifrigen Studien, welche den Blick für die üblen Zustände auf kirchlichem Gebiete schärften. Vor allen ist in dieser Beziehung das Fraterhaus zu nennen und mit ihm in enger Verbindung die Hohe Schule am Münster. Da lebten Männer, „die nicht bloß durch ihren Eifer