Großherzogtum Hessen/Regierungsblatt 1880/103

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Großherzogtum Hessen/Regierungsblatt 1880
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Grossherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1880.djvu
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Nr. 17.


auf Kosten der Eltern einstweilen in eine sonst geeignete Pflege verbringen zu lassen. (Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes). Zugleich ist bei einem solchen Vorkommnisse gerichtlicher Strafantrag gegen die Eltern gemäß Artikel 3 Absatz 1 des Gesetzes zu erheben. (Strafandrohung 40 - bei mildernden Umständen 20 - bis 150 Mark.)
      4) Da erfahrungsmäßig die Verbringung von Kindern, zumal von Säuglingen, in fremde Pflege und der Abschluß von Pflegeverträgen häufig nicht von den Eltern selbst, sondern durch Mittelspersonen, insbesondere durch Hebammen, Inhaber von Privatentbindungshäusern etc., vollzogen wird, so daß die Eltern selbst manchmal sogar für den Strafrichter unauffindbar oder unerreichbar sind, so hat das Gesetz auch diese Mittelspersonen für die Beobachtung der obigen Schutzvorschriften bei Hingebung eines Kindes in Pflege verantwortlich gemacht und zwar bei gleicher Strafandrohung (20 bis 150 Mark) wie für die Eltern selbst. (Artikel 3 Absatz 1 des Gesetzes.) Eintretenden Falls ist also auch gegen solche Mittelspersonen Strafantrag zu erheben.
      5) Es könnte vielleicht von Eltern oder Pflegeeltern der Versuch gemacht werden, die für Pflegekinder in entgeltlicher Pflege erlassenen gesetzlichen Schutzvorschriften (über Einholung der Genehmigung und über ständige Beaufsichtigung der Pflege) zu umgehen und sich den Aufsichtsmaßregeln zu entziehen, insbesondere etwa dadurch, daß ein wirklich bestehender entgeltlicher Pflegevertrag verläugnet oder dafür ein nur zum Schein ausgestellter Vertrag, in welchem kein Entgelt ausbedungen ist, vorgeschoben wird. Es versteht sich von selbst, daß die Ortspolizeibehörden auch auf solche Manipulationen ihr Augenmerk richten und eintretendenfalls nach Ermittelung des wahren Sachverhältnisses nachdrücklich, namentlich auch mit gerichtlicher Strafanzeige wie bei offener Mißachtung des Gesetzes, dagegen einschreiten werden.

§ 6.
Voraussetzungen für die Ertheilung dieser Genehmigung.

      Bei der Entschließung über die Ertheilung oder Versagung dieser Genehmigung hat die Ortspolizeibehörde in Betracht zu ziehen, ob nach allen Umständen, insbesondere nach den Persönlichkeiten und Verhältnissen der gewählten Pfleger zu erwarten ist, daß dem Kinde die gebührende Pflege und Fürsorge in jeder Beziehung zu Theil werde. (Artikel 2 des Gesetzes). Sie wird demgemäß die Pflegebegebung eines Kindes nur dann gestatten, wenn die Pflegeeltern gut beleumundete, in geordneten häuslichen Verhältnissen lebende Personen sind, von welchen man sich versehen kann, daß sie, gleichwie bei den eigenen Kindern, für das Wohl der ihnen anvertrauten Pfleglinge besorgt sind, und welche in jeder Hinsicht Gewähr dafür bieten, daß sie ihre Pflegekinder gewissenhaft abwarten, beaufsichtigen und erziehen.