Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/Anlagen 122

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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der Großen erhalten sind, so bestehen die Schenkungen meist aus ganzen Villikationen.

Es ergiebt sich also auch aus diesen Überlieferungen die grundherrliche Verfassung der Wirtschaft der nobiles. Die Organisation der grundherrlich abhängigen Hufen in Villikationen scheint nicht unbekannt gewesen zu sein. Ob sie schon sehr verbreitet war, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Ich möchte annehmen, daß sie bei dem Vorherrschen kleiner und kleinster Grundherrschaften noch selten und sehr unentwickelt gewesen ist. Jeder nobilis regierte seine wenigen Kolonen selbst ohne besondere Organisation dieser Herrschaft, Jedoch muß der Unterschied zwischen Herrenhof und abhängigen Hufen schon bestanden haben.[1]

Aus allen diesen Thatsachen, am eindringlichsten aus der Standesgliederung selbst, ergiebt sich die Annahme als unabweisbar, daß die nobiles, die allein vollfreien Volksgenossen des sächsischen Stammes, ebenso wie die ingenui des Tacitus Grundherren, nicht aber Bauern gewesen sind. Einen Stand vollfreier, bäuerlicher Grundeigentümer hat es zur Karolingerzeit in Sachsen nicht gegeben.

Ein anschauliches Bild aller dieser Zustände giebt die erste auf deutschem Boden entfachte soziale Revolution, der Stellingaaufstand in den Jahren 841 und 842.[2]

Während des Krieges zwischen Lothar und seinen Brüdern Ludwig und Karl waren die sächsischen nobiles zum Teil auf Seiten Lothars, zum anderen, wahrscheinlich größeren Teil auf Seiten der Brüder. Nachdem Lothar am 25. Juni 841 in der Schlacht bei Fontanetum unterlegen war, suchte er, um sich in Sachsen ein Übergewicht zu schaffen, die dortigen Frilinge und Laten, deren es eine große Menge gab, auf seine Seite zu bringen. Er verhieß ihnen für die Unterstützung seiner Sache die Wiederherstellung des vor der Eroberung bestandenen Rechtszustandes. Diese willigten ein, bildeten einen Bund, genannt Stellinga, erhoben sich gegen ihre Herren und trieben diese fast zum Lande hinaus. Ein jeder lebte dann nach alter Weise, wie er wollte (qua quisque volebat lege).[3] In diesem Jahr, so bemerkt ein alter Annalist, wurden die nobiles von ihren Sklaven sehr gedemütigt.[4] Nachdem die drei Brüder im folgenden Jahr Frieden geschlossen hatten, zog Ludwig der Deutsche nach Sachsen, unterdrückte die Erhebung mit blutiger Strenge und brachte die Empörer wieder in ihre vorige Unterthänigkeit (ad propriam


  1. Tradit. Werdinenses IIIa S.44. Tradit. Corb. ed. Wiqand, § 237.
  2. Die Stellen über den Stellingaaufstand bei v. Richthofen, Zur lex Saxonum, S.278 Anm.1. — Nithard, Hist. lib.IV Kap. 2-6 (M. G. S.S. II, S.668, 670, 671). — Rudolf von Fulda ad a. 842 (M. G. S.S. I, S. 363). — Annal. Prudentii ad a. 841 und 842 (M. G. S.S. I, S.437-439). — Annales Xantenses ad a. 841 und 842 (M. G. S.S. II, S.227).
  3. Bis hierher nach der Darstellung Nithards, Mon. Germ. S.S. II, S.670.
  4. Annales Xantenses ad a. 841 (M. G. S.S. II, S.227) : . . . eodem anno per totam Saxoniam potestas servorum valde excreverat super dominos suos et nomen sibi usurpaverunt stellingas et multa irrationabilia commiserunt, et nobiles illius patriae a servis valde afflicti et humiliati sunt.