Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/Anlagen 105

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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auf Sachsen, höchstens, daß man dem Alter der Quellen entsprechend den Beginn der Umwälzung in etwas spätere Zeit setzte.[1]

Daher müssen wir uns mit der herrschenden Ansicht über Entstehung der Villikationen, die auch für Sachsen angenommen ist, hier kurz auseinandersetzen.[2]

Nach der herrschenden Meinung waren sämtliche deutsche Stämme, seitdem sie feste Wohnsitze gewonnen hatten, zu einem Volk freier Ackerbauer geworden. Überall bestand die breite Masse der Volksgenossen aus freien Männern gleichen oder annähernd gleichen Besitzstandes, die ihren Lebensunterhalt durch eigenen Anbau ihrer Landgüter erwarben. Der durchschnittliche Landbesitz eines freien Mannes reichte gerade hin, um ihn und seine Familie, vielfach auch einen unfreien Knecht oder eine Magd, zu ernähren.

Zwar gab es fast überall einen Adel mit größerem Grundbesitz und Unfreie oder Halbfreie (Liten oder freigelassene Knechte), die teils gar keine {teils} grundherrlich abhängige Landgüter besaßen.

Aber diese beiden Klassen waren nicht so zahlreich, daß sie eine große Unregelmäßigkeit in die allgemeinen sozialen Verhältnisse hätten bringen können.

Unfreie und Halbfreie standen wahrscheinlich vorwiegend zum Adel in einem persönlichen und dinglichen Abhängigkeitsverhältnis. Sie lebten als Gesinde auf den Herrenhöfen oder saßen als Zinsbauern auf den Hufen des Adels. Adel, Halbfreie und Unfreie gehörten zusammen. Dagegen wohnten weder freie Leute in erheblicher Zahl als Pächter oder Kolonen auf den Gütern des Adels, noch besaßen die Freibauern zahlreiche Unfreie oder Halbfreie als Gesinde oder Hintersassen.

So neutralisierten sich diese beiden an sich nicht zahlreichen Stände auch noch gegenseitig in ihrer allenfalls möglichen Einwirkung auf die wirtschaftliche Verfassung der Hauptmasse des Volkes. Die Deutschen waren vor Entstehung der Villikation ein freies Volk auf freiem Grund. Die Existenzgrundlage des einzelnen freien Mannes, sein Landgut, hieß sors oder Los (Anteil), später Hufe. Die Hufe war das normale Maß des Besitztums, welches der Leistungsfähigkeit und den Bedürfnissen der Durchschnittsfamilie entsprach.

Der Name, die Beschaffenheit und die aus dieser entspringende Gleichartigkeit der einzelnen Besitztümer weisen auf die Entstehung dieser sozialen Ordnung hin. Als wandernde Stämme waren die Deutschen gekommen. Die Gesamtheit der Stammesgenossen hatte das Land erworben, ihr Gebiet erstreckte sich, soweit ihre Macht d.h. die Furcht vor ihren Waffen reichte. Die Gesamtheit besaß das Land, Geschlechtsverbände nutzten es, unstät umherziehend, kommunistisch.

In einer langen Übergangsperiode, in der zugleich die Entwickelung von vorwiegender Weidewirtschaft zum Ackerbau als Hauptbeschäftigung


  1. Vgl. S.104* Anm.1.
  2. Die folgende Darstellung der herrschenden Ansicht beruht völlig auf der klaren zusammenfassenden Übersicht, die Brunner im ersten und zweiten Band seiner Rechtsgeschichte gegeben hat. Vgl. Bd.I § 10, 14, 25, 26, 29-32; Bd.II § 87, 93, 94.