Bruchsal und Umgebung/Adressbuch 1958/Bruchsal im Wiederaufbau

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Bruchsal und Umgebung/Adressbuch 1958
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Bruchsal im Wiederaufbau

Die Zerstörung unserer Stadt zu 82 Prozent durch einen feindlichen Fliegerangriff um die Mittagsstunde des 1. März 1945 hat über einen großen Teil unserer Mitbürger großes Leid und tiefe Trauer um liebe Angehörige gebracht, zugleich aber auch eine große allgemeine Not wegen des Verlustes aller Lebensnotwendigkeiten an Wohnung und Hausrat verursacht. Nach Überwindung der ersten schwierigen Monate aber begann sich in den öden und trostlosen Ruinen wieder Leben zu regen: Der Wieder= aufbau begann !

Heute, 13 Jahre nach dem schwarzen Tag, sind im großen rnd ganzen über 70 Prozent der zerstörten Wohnungen wieder neu errichtet worden. Der unbeugsame Unternehmunsjsgeisl und die Schaffenskraft der alten und neuen Bürger hat ganze Straßenzüge mit modernen Wohn= und Geschäftshäusern erstehen lassen. Neben vielen Handwerksbetrieben sind auch zahlreiche Industrieunternehmen mit den Ge= bäuden und Einrichtungen vernichtet oder wesentlich beschädigt und ausgeraubt worden. Unter oft schwierigen Bedingungen haben mit ungebrochener Kraft alte ein= heimische Firmen nach modernen Gesichtspunkten geplant und weiter ausgebaut. Aber auch neue Unternehmen siedelten sich hier an mit der Erstellung neuzeitlicher Werks= anlagen.

Mit den Bürgerhäusern, Handwerksbetrieben und Fabriken sind am 1. März 1945 auch zahlreiche öffentliche Gebäude zerstört oder mehr oder weniger stark beschädigt worden. So mußte auch die Stadtverwaltung neu planen und im verflossenen Jahrzehnt entstanden der Zeitfolge nach:

Zunächst das städtische Altersheim. Um die 80 am 1. März 1945 zusammen mit dem Pflegepersonal obdachlos gewordenen alten Leute menschenwürdig unterzubringen, wurde in erster Linie an der Huttenstraße der Bau des städtischen Altersheims neu geplant und durch den Aufbau eines weiteren Stockwerkes gegenüber früher wesent= lieh erweitert. Das neue Heim wurde am 6. November 1949 eingeweiht und in Betrieb genommen.

Da der großen Zerstörung 6 Schulgebäude zum Opfer fielen, mußte in zweiter Linie Schulraum geschaffen, werden.

Das in seinem wesentlichen Teil erhalten gebliebene Gebäude der früheren Ober* rcalschu.'e — Frciherr»vom=5tein=SchuIe — auf der Reserve beim Stadtgarten wurde nach gründlicher Instandsetzung als Volksschule der Nord= und Oststadt zugewiesen. Nach Räumung und Freigabe der merkwürdigerweise verschont gebliebenen ehe= maligen Dragonerkaserne wurde in dem Gebäudeteil, in dem schon vor 1933 ein Teil der Volksschule (Styrumschule) untergebracht war, für die südliche Stadt erneut behelfsmäßig eine Volksschule eingerichtet.

Für die Weststadt entstand auf den Bauwiesen an der Schnabel=Henning=Straße in dfn Jahren 1952—1953 ein repräsentables Schulgebäude, die Pestalozzischule.

Für die höheren Schulen wurde das Gebäude der früheren Volksschule am äußeren Ende der Moltkestraße, das teilweise erheblich zerstört war, nach den alten Plänen wieder aufgebaut. Dieses Gebäude wurde im Juni 1951 von dem damaligen Real= gymnasium — jetzt Justus=Knecht=Gymnasium — bezogen.

Die altehrwürdigen Räume des Bruchsaler Gymnasiums befanden sich seit seiner Gründung im Jahre 1755 bis zum Schicksalstag des 1. März 1945 im Schloßbereich, dort, wo jetzt die Notkirche der Hofpfarrei eingerichtet ist. Auf der Suche nach einem neuen geeigneten Platz für das Gymnasium wählte man den Platz des zerstörten Keservegebäuries in unmittelbarer Nähe der Freiherr*vom=Stein=Schule. Dort entstand ein Schulgebäude mit klarem, zweckmäßigem Aufbau. Auch diese Schule wurde im Juni 1951 eingeweiht und bezogen (Schönborn=Gymnasium).

Da auch die Bereitschaftsräume der freiwilligen Feuerwehr unbrauchbar wurden, erstellte die Stadt im Jahre 1953 in der Stadtmitte am Friedrichsplatz ein zeitgemäßes Feuerwehrhaus

Endlich ging man daran, für die Stadtverwaltung selbst, die seither in ver= schiedenen Häusern und Baracken mietweise, behelfsmäßig und zerstreut untergebracht war, ein Rathaus zu erstellen. Dieses neue Rathaus ist das vierte in der Geschichte Bruchsais. Da1- erste im 13. Jahrhundert erbaute Rathaus stand etwa an der gleichen Stelle. Wegen Baufälligkeit wurde es in der Wende zum 16. Jahrhundert erneuert. Am 13. März 7676 versank es mit 500 Bürgerhäusern beim großen „Franzosenbrand" in Schutt und Asche. Das dritte Rathaus, erbaut 1682—1716, bestand bis zum ersten März 1945. Zim heutigen Rathaus wurde am Samstag, dem 13. September 1952, der Crundstein gelegt; die Übernahme durch die Stadtverwaltung erfolgte am 10. Juni 1954 Zusammen mit dem Wiederaufbau der Stadtkirche und der Anlage des Markt= platzes mit dem modernen Gebäude der Bezirkssparkasse und dem Vinzentiushaus im Westen, ist die städtebauliche Aufgabe, der Stadtmitte eine ansprechende Gestaltung zu geben, gemeistert worden.

Schließlich wurde noch für das städtische Jugendheim auf dem historischen Ge= lande der ehemaligen Saline anstelle des des früheren Jugendheims ein modernes, zweckentsprechendes, weitläufiges Gebäude errichtet. Das neue Heim wurde im Ok= tober 1955 eingeweiht und seiner Bestimmung übergeben.

Im Laufe der letzten 10 Jahre entstanden an der Peripherie der Stadt fünf ausbau= fähige Siedlungsgebiete mit meist offener Bauweise: im Norden das Artäckergebiet, das Augsteinergebiet im östlichen und das Kugel=Flüssel=Gebiet im südlichen Hügel= vorland. Weiträumig in die Ebene erstreckt sich südwestlich die BüchenauerwakU Siedlung mit der älteren Joss=Fritz=Sied!ung und westlich beschließt die Siedhing in den Boppeläckern den Kranz der neuen Wohnsiedlungen um die ältere Stadt.

Diese fünf Siedlungsgebiete erforderten bisher neben den sehr beschädigt ge= wesenen öffentlichen Straßen der Stadtmitte von der Stadtverwaltung als Bauherrn einen erheblich hohen Aufwand für die Geländeerschließung, für Kanalisation, für Wasser= und Stromversorgung und nicht zuletzt für den Straßenbau selbst.

Im Jahre 1936 wurde auf der Kuppe des Friedhofes eine neue Leichenhalle er= stellt, nachdem einige Jahre zuvor die alte Leichenhalle oberhalb des Bahneinschnittes infolge Absenkung des Geländes abgebrochen werden mußte. Man wählte damals eine nach Westen offene Einsegnungshalle. Im Jahre 1955 wurde die Halle umgebaut und durch Verlängerung der Einsegnungshalle in westlicher Richtung eine Empore für die Sänger geschaffen. Dadurch ist gleichzeitig erreicht worden, daß die Beerdigungs= teilnehmer in einem geschlossenen Raum an den Einsegnungsfeierlichkeiten teilnehmen können.

Die Jugendherberge wurde nach dem Kriege behelfsmäßig in einer Baracke an der Rheinstraße untergebracht. Im Jahre 1957 hat die Stadtverwaltung dem Deutschen Jugendherbergswerk, Landesverband Baden, das stadteigene Gebäude Huttenstraße 47a pachtweise überlassen. Die Jugendherberge verfügt über 83 Betten.

An der Schnabel=Henning=Straße gegenüber dem Umspannwerk entstehen gegen* 'värtig die Stadtwerke, die von der Rheinstraße wegverlegt werden. In dem drei= geschossigen Verwaltungsbau werden im Erdgeschoß die technische VVerksIeitung, die Strom= und Wasserversorgung und die Werkmeisterbüros untergebracht. Im ersten Obergeschoß sollen die Büros der kaufmännischen Leitung eingerichtet werden. Im zweiten Geschoß sind zwei Wohnungen vorgesehen. Eine Werkhalle, die sich dem Saalbach entlangzieht, nimmt Schmiede, Schlosserei, Prüfräume, Eichstation usw. auf. Geräumige Hallen werden zu Lagerzwecken zur Verfügung stehen. Wie alle neuzeit= liehen Betriebe werden auch die Stadtwerke mit Bädern und Waschanlagen für das Personal ausgestattet werden. Im Jahre 3957 wurde die Bauernsiedlung „Schattengraben" errichtet. Diese Sied= hing umfaßt 10 Siedlerstellen mit einer Gesamtbewirtschaftungsfläche von ca. 150 ha.

Das Bahnhofsgebiet von Bruchsal ist im Jahre 1945 mit nahezu 300 Sprengbomben belegt worder.. Das Bahnhofsgebäude wurde damals vollständig vernichtet. Bereits im Jahre 1951 war der erste Teil des Bahnhofes wieder aufgebaut. Seit 1957 ist der Aufbau des zweiten Abschnittes mit Gaststätten im Gange. Im Laufe des Jahres 1958 wird der Bruchsaler Bahnhof voraussichtlich fertiggestellt werden.

Nachdem feststeht, daß die Kaserne in Bruchsal für militärische Zwecke geräumt werden muß, ist die Stadt gehalten, als Ersatz für die Styrumschule ein weiteres Schulgebäude zu errichten. Dieses Schulgebäude wird auf dem Gelände des städtischen Schwimm= und Sonnenbades erstellt werden. Die Schule, die Räume für 800 Schüler bietet, soll noch dieses Jahr begonnen werden.

Da in Zukunft das städtische Freibad nicht mehr zur Verfügung steht, trägt sich die Stadt mit dem Gedanken, im Gewann Sand ein neues, modernes Schwimm= bad zu errichten. Die Pläne für beide Bauvorhaben sind bereits in Bearbeitung.

Die Landesfeuerwehrschule, die in der Kaserne eingerichtet ist, wird südöstlich der Kaserne im Gewann Ruhstein einen neuen Standort erhalten.

Notwendig in Bruchsal ist zweifellos der Bau einer Stadthalle. Es besteht begrün= dete Hoffnung, daß auch der lang ersehnte Wunsch der Bruchsaler Bevölkerung, in Bruchsal eine Stadthalle zu erhalten, sich im Laufe der nächsten Jahre verwirklichen läßt. Nicht nur die Stadt, sondern auch der Kreis Bruchsal und der Staat haben zum Wiederaufbau unserer Stadt einen wesentlichen Beitrag geleistet. So wurde durch den Kreis die Handels= und Gewerbeschule an der Luisenstraße und die Landwirt* Fchaftsschule an der Forster Straße errichtet.

Staatlicherseits ist vor allen Dingen der Wiederaufbau des Bruchsaler Schlosses sowie der Stadtkirche Unserer Lieben Frau hervorzuheben.

Außerdem hat Bruchsal in der Antonius* sowie Paul=Gerhardt=Kirche, die beide an der Büchenauer Straße liegen, zwei weitere Kirchen erhalten.

Zu erwähnen ist auch der Wiederaufbau der zerstörtgewesenen Luther=Kirche.

So haben die Stadt, der Staat und der Kreis im wesentlichen die dringendst erforderlichen öffentlichen Gebäude in Bruchsal erstellt und haben damit einen beachtlichen Beitrag zum modernen Wiedererstehen von Bruchsal beigetragen. Aber noch ist es ein weiter Weg, bis Bruchsal vollständig wieder aufgebaut ist. Es wird weder an öffentlichen noch an privaten Bausorgen in der nahen Zukunft fehlen.