Handbuch der praktischen Genealogie/296

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI
<<<Vorherige Seite
[295]
Nächste Seite>>>
[297]
Handbuch der praktischen Genealogie.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.



dem niederen Adel und dem vornehmen Bürgerstande, dem Patriziate[1], eine Zeit lang fast aufgehoben war. Zur Reformationszeit trat eine Reaktion ein. Nach und nach nahmen während der folgenden 200 Jahre nicht nur viele derjenigen Familien, die sich vor 1350 des Prädikates „von" bedient hatten, dieses wieder auf, sondern überhaupt fast alle Familien, die sich zu dem Adel gerechnet wissen wollten, selbst wenn das Prädikat „von", das doch den Besitz eines Ortes oder die Herkunft von einem Orte ausdrückt, widersinnig vor ihrem vielleicht einen bürgerlichen Beruf bezeichnenden Namen war. Die Ursache zu dieser Reaktion lag, abgesehen von der ohne Zweifel vorhandenen Überzeugung des Adels, daß sie zur Selbsterhaltung notwendig sei, noch besonders in der Initiative der Höfe.[2]

      Heutzutage scheint vielen das Prädikat „von" als die zuverlässige und vollkommene internationale, weil bereits vor den Namen fast aller Nationalitäten, die rumänische, griechische und japanische nicht ausgenommen, zu findende Adelsbezeichnung. Allein diese Anschauung, als beweise das Wörtchen „von" den Adel, ist durchaus irrig. Wie das französische „du" und „de la" und das niederländische „van" äußerst häufig bei rein bürgerlichen Familien vorkommt, so gibt es auch in Deutschland, besonders in den nordwestlichen Gegenden, gegenwärtig nicht weniger als 100000 bürgerliche Familien[3] mit dem Wörtchen „von". In Chemnitz gibt es zum Beispiel eine bürgerliche Familie „von der Horst", in Berlin eine adelige gleichen


  1. Roth v. Schreckenstein, D. Patriziat in d. deutschen Städten, bes. Reichsstädten. 2. Ausg. Freiburg 1886. — Foltz, Beitr. z. Gesch. d. Patriziates in d. deutschen Städten. Marburg 1899. — Rich. Schröder, Lehrbuch d. deutschen Rechtsgesch. 5. Afl. 1907, S. 654. — Nathusius-Neinstedt, H. v., Ritterbürtige Familien unter d. Geschlecht. d. deutschen Städte im MA. Berlin 1889. — Wehrmann, Das lübeckische Patriziat, insbes. dessen Entstehung u. Verhältnis z. Adel, HGB 1872, S. 90 bis 135. — Ohlendorf, L., D. niedersächsische Patriziat u. sein Ursprung. Hannover 1910. — Ernst Hartmann Edler v. Franzenshuld, Über Patrizier, Erbbürger u. Wappengenossen, K.K. Zentral-Komm. 1870, p. X-XVI. — Siegmund Keller, Der Adelsstand d. süddeutschen Patriziates. Gierke-Festschrfft, S. 741 ff. — G. A. v. Mülverstedt, Ritter an d. Spitze d. Stadträte im 13. Jht., mit besonderer Beziehung auf Halberstadt u. andere Harzstädte. Über d. Begriff v. miles, ZHV 1869. — Nederland's Patriciaat. I. Haag 1910.
  2. v. Braunsdorff, Ü. d. Nichtgebrauch d. Adelsprädikates seitens d. niederen sächsischen Adels. Dresden 1896.
  3. Dieses „von" bei bürgerlichen Familien ist nur Namensbestandteil. Die Vertreter der Ansicht, daß die Bezeichnungen "von", "auf", "aus", "zu" dies auch bei adeligen Familien oder wenigstens bei denen d. Uradels seien, vgl. insbes. v. Bülow, Über d. Erwerb e. adeligen Familiennamens durch Annahme an Kindesstatt nach dem bürgerlichen Gesetzbuche in der Deutschen Juristenzeitung 1896, S. 132 u. in d. Deutschen Juristenzeitung 1900, S. 373 v. Bülow, Krückmann u. Opet, Gutachten zum 24. Juristentag, Bd. III, S. 177 ff. stehen u. a. gegenüber von Staudinger, Juristenzeitung 1898, S. 362. — Sohm, Juristenzeitung 1899, S. 8. — Bornhak In Schulzenstein und Kefl's Verwaltungsarchiv, Bd. 8, S. 48; der 25. Juristentag hat sich im Jahre 1900 nach sehr eingehender Befürwortung von Gierke, Wilke, Kekule von Stradonitz u. anderen mit großer Mehrheit dafür entschieden, daß überwiegende Gründe dafür sprechen, bei adeligen Familien auch das einfache „von" heute als bloßes Adelszeichen zu betrachten.