Ziele und Aufgaben der wissenschaftlichen Genealogie (Kekule von Stradonitz)/29

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Ziele und Aufgaben der wissenschaftlichen Genealogie (Kekule von Stradonitz)
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nicht einmal Privatdozenten. Zwar hat Lorenz schon mit starkem Ausdruck betont, daß die Regierungen, die für die Interessen der Wissenschaft thätig sind, sich in nicht allzu ferner Zeit doch werden entschließen müssen, das dicke Scheuleder der Fakultäten zu durchbrechen und für die Wiederaufnahme genealogischer Studien etwas zu thun. Aber ich fürchte sehr, daß die heutige Generation das nicht mehr erleben wird.

      Außer der Kenntniß der genealogischen Methode fehlt es den Forschern auch an dem genügenden, ich möchte sagen, mundgerecht gemachten genealogischem Material. Das Material an sich ist in den Ahnentafeln der Stifter und Orden, in den Kirchenbüchern und Archiven in Fülle vorhanden. Aber es sind ungehobene Schätze. Was will gegenüber solchen Aufgaben und Zielen der Genealogie die, im Vergleiche zur Gesammtheit verschwindende, wenn auch absolut nicht geringe Zahl veröffentlichter, also allgemein zugänglich gemachter, Familiengeschichten und Ahnentafeln bedeuten? Aber es fehlt eben im Großen und Ganzen am genealogischen Interesse.

      Soweit es sich nun um die Erforschung, Zusammenstellung, Verarbeitung des, wie ich sagte, in reicher Fülle im Verborgenen schlummernden genealogischen Materials handelt, fällt dem Adel, daran kann gar kein Zweifel sein, eine große Aufgabe zu. Mit Nachdruck habe ich bei jeder, sich darbietenden Gelegenheit die Auffassung als irrig zurückgewiesen – und muß es auch heute wieder thun – daß die Genealogie, man verzeihe den stylistisch etwas schiefen Ausdruck, eine adelige Wissenschaft wäre, daß die Genealogie adeliger Familien von ausschließlichem oder wesentlichen Interesse sei. Ob eine bestimmte Gattung von Familien von Interesse ist, hängt einzig und allein von dem wissenschaftlichen Zweck ab, der verfolgt wird. Handelt es sich ausschließlich um geschichtliche Zwecke, so wird man sagen müssen, daß die Genealogie eines Geschlechtes um so wichtiger ist, je größer die geschichtliche Rolle ist, die das betreffende Geschlecht gespielt hat. Die größte geschichtliche Rolle spielen die regierenden Familien. Es liegt auch in der Natur der Sache, daß gewisse Adelsgeschlechter