SeiboldMariaErdingÜbergabe1861

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Königl. Landgericht Erding 1861/40 Originalkopie des Vertrags für den Übernehmer

Amtssiegel Vier Gulden

No. 40

Uebergabsvertrag ad 2900 fl

Die Hausbesitzerswittwe Maria Seibold von Erding schließt in

Uebereinstimmung ihres Sohnes Kaspar und ihrer Tochter Maria,

welche durch den von derselben gerichtlich bevollmächtigten

Maurermeister Josef Strobl von Erding vertreten ist,

mit ihrem Sohn Korbinian Seibold folgenden Ueber-

gabsvertrag ab.

1.

Korbinian Seibold erhält das ludeigene Anwesen Hs. No. 131 in

Erding mit 4 Tagw. 35 Dezm. Grundstücken, welches mit

40 x 7 hl Bodnzins zur Ablösungskasse belegt ist,

um den rentämtlichen Werthsanschlag zu 2900 fl zum

ausschließenden Eigenthum.

2.

Die Uebernahmssumme wird in folgender Weise ausgewiesen.

Uebernehmer hat die auf dem Anwesen eingetragenen

Hypotheken , insoweit dieselben nicht bezahlt sein sollen,

zu berichtigen im Betrage zu 250 fl.

3.

Die Uebergeberin erhält einen Zehrpfennig von 500 fl |: fünf-

Hundert Gulden :| und zwar 200 fl am Hochzeitstage

des Uebernehmers u. den Rest in jährlichen Fristen

von 25 fl. Ferners hat dieselbe zur Wohnung 2 Zimmer

zu ebener Erde, welche stets im wohnlichen Zustande

unterhalten werden müssen u. wovon insbesondere

_________________________

Zuständig für Verträge waren damals noch die Landgerichte, Notariate wurden mit Gesetz vom 10.11.1861 eingeführt. Frauen mussten anscheinend immer noch vor Gericht durch einen Bevollmächtigten vertreten werden.

Zu1.

„ludeigenen“ bedeutet im alleinigen Eigentum, früher „Allod“-Eigentum, das z.B. einem Bauern selbst gehörte und nicht dem Grundherrn.

Mit der Säkularisation wurde der Staat Grundherr und im Zug der Reform der Behörden wurden die Grundabgaben in Naturalien durch Geldabgaben (Bodenzins) abgelöst, zahlbar an die Ablösungs-kasse bei den Rentämtern. Die Bauern konnten das Obereigentum an Grund und Boden durch den Staat gegen einen wertabhängigen Betrag ablösen und damit das selbständige Eigentum erwerben (Bauernbefreiung). Dieser Vorgang zog sich das ganze 19. Jhdt. hin.

eines mit einem Ofen zu versehen ist. Dieselbe hat

außerdem das zur Beheizung u. Beleuchtung der Wohnung

nöthige Material und nachfolgenden lebenslänglichen

Austrag anzusprechen. Die Kost, wie selbe ihren

Gesundheitsverhältnissen angemessen ist, dann zur

Kleidung jährlich jährlich ein Paar Schuhe, auch ist ihr die Wäsche

zu waschen. Außer der Kost erhält dieselbe auch noch täglich

eine halbe Maß Bier und eine halbe Maß Milch. Sollte die

Uebergeberin vom Anwesen fortziehen, so erhält sie für Wohnung

Beheizung und Beleuchtung jährlich 30 fl |: dreißig Gulden :|

dann statt der Kost mit Einschluß des Naturalgeldes

54 fl |: fünfzigvier Gulden :| indem dieselbe so lange sie

beim Anwesen bleibt auf jedes Quartal einen Gulden erhält.

Nicht minder hat dieselbe in diesem Fall das oben ange-

gebene Quantum Bier nebst der Milch und jährlich

ein Paar Schuhe anzusprechen. So lange die Uebergeberin

beim Anwesen verbleibt ist dieselbe in Erkrankungsfällen

mit ärztlicher Hilfe, Krankenkost, Wart u. Medizin zu versehen.

Der Austrag wird jährlich auf 100 fl angeschlagen.

Bezüglich ihres dereinstigen Rücklasses bestimmt die

Uebergeberin, dass dieselbe unter ihren Kindern

gleichheitlich getheilt werden soll, mit Ausnahme

des Bettes und der Einrichtung der Uebergeberin,

welche die Tochter Maria allein erhalten soll.

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Maße und Währung:

1 Tagwerk = 0,3407 ha = 3407 m2 = 100 Dezimal

1 Dezimal = 34,07 m2

1 Gulden (fl) = 60 Kreuzer (x) = 240 Pfennig (dn)

1 Kreuzer = 4 Pfennig = 8 Heller (hl)

1 Heller = ½ Pfennig

zu 4.

Nachdem der Vertrag im Oktober 1861 geschlossen wurde, bedeutet “kft. Jr.“ künftigen Jahres, also 1862. Tatsächlich quittiert am 3. Januar 1862 die Maria Seibold, dass sie von ihrem Bruder das ausgemachte Heiratsgut von 500 fl „baar“ erhalten hat und damit der Eintrag im Hypothekenbuch des Landgerichts Erding gelöscht werden kann.

4.

Uebernehmer hat an seine Schwester Maria Seibold bis zum 1. Jänner

kft. Jr. ein Vater- und Muttergut von 500 fl |: fünfhundert

Gulden :| hinauszubezahlen. An seinen Bruder Kaspar Seibold

hat der Uebernehmer gleihfalls ein Elterngut von 500 fl

|: fünfhundert Gulden :| hinauszubezahlen und zwar 50 fl

baar an des Uebernehmers Hochzeitstage. Den Rest

mit 450 fl läßt Kaspar Seibold gegen zweiprocentige

Verzinsung u. vierteljährige Aufkündigung auf dem

Anwesen liegen. So lange Kaspar Seibold von dem Auf-

kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, hat derselbe

auf dem Anwesen ein Wohnungsrecht u. verpflichtet sich

der Uebernehmer für denselben die Krankenhausbeiträge

dahier zu bezahlen.

5.

Sowohl der Zehrpfennigsrest der Uebergeberin, als auch deren

Austrag in seinem jährlichen Anschlage u. das Elterngut des

Kaspar Seibold werden hypothekarisch versichert.

6.

Den Rest an der Uebernahmssumme hat sich der Uebernehmer als

Elterngut anzurechnen.

Lt. V.

Maria Seibold, Korbinian Seibold

Strobl

Erding, den 26ten Okt. 1861

Siegel Landgericht Erding

des kgl. Krafft Müller

Landgerichts

In fidem copiae

Landgericht Erding

Krafft

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Interessanterweise wird festgelegt, dass der Übernehmer die Kosten für die Krankenhausbeiträge für Kaspar zu tragen hat. Es gab also schon damals in Erding eine Art Krankenversicherung.

Bei Bernhard Zöpf, Beschreibung des k. Landgerichts Erding, 1856 kann man dazu folgendes nachlesen (S.139 ff.): Der Bau des Stadtkrankenhauses außerhalb des Freisingertors neben dem Fehlbach wurde 1751 vollendet. Nach erneuten Umbauten übergab die Stadt das Gebäude 1846 dem Orden der barmherzigen Schwestern. Nach Zöpf besteht danach bei der Anstalt die Ordnung, dass jeder Familienvater wöchentlich zwischen 3 und 1 Kreuzer bezahlt. Taglöhner entrichten 1 kr., ebenso Dienstboten. Einen etwas höheren Betrag müssen Maurer- und Zimmermeister bezahlen, auch für ihre Arbeiter, nämlich wöchentlich 2 kr. Die Begründung ist, dass "Manche durch Sturz vom Gerüst oder andere Unglücksfälle 7 bis 8 Wochen in der Anstalt verweilen müssen". Nach Bezahlung dieser Beiträge ist der Aufenthalt im Krankenhaus kostenfrei, andernfalls sind für Kost und Wäsche 15 kr., für das Bett 9 kr., für Holz zum Zimmerheizen 6 kr. und für die Bedienung 6 kr. täglich zu entrichten, also insgesamt 36 kr. Dazu kommen noch die Kosten für Medizin, ärztliche und chirurgische Behandlung.