Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte/4/161

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Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte
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Studenten viel Wesens von der Pietät in besonderem Sinne zu machen anfingen und an ihrem Costüm bezügliche Aenderungen vornahmen.[1]

Während es überhaupt unrichtig und eine ganz oberflächliche Betrachtungsweise ist, den Pietismus als diejenige religiöse Stimmung und Gemüthsrichtung aufzufassen, bei der vorzugsweise eine Gefühlserregung und insbesondere das Verharren in dunkeln Gefühlen das Ueberwiegende wäre, so ist es vielmehr gerade nur das Gefühl der Sündhaftigkeit des Einzelnen, auf dessen Erregung und selbst einseitige Hervorhebung es abgesehen ist. Auch in dem geschichtlichen Verlauf giebt sich uns der Pietismus keineswegs als eine allgemeine Erregtheit religiösen Gefühlslebens kund. Dazu hat ohnehin unser Nationalcharakter geringe Hinneigung, und wenn einzelne schwärmerische Erscheinungen dabei vorgekommen sind, so hat man diese nur als gleichsam verwilderte Auswüchse und Ausläufer zu betrachten. Wir erblicken unter den Männern, welche der pietistischen Richtung zugethan waren und dieselbe zu fördern suchten, gerade sehr verständige und praktische Menschen, wie denn überhaupt ein Dringen auf das Praktische gleich bei dem Hervortreten des Pietismus sich zeigt. Man hat in dieser Beziehung, und nicht ganz mit Unrecht, sogar eine Aehnlichkeit mit dem späteren Hervortreten der rationalistischen Richtung gefunden, wo wiederum ein solches Dringen auf das Praktische sich zeigt, nur freilich aus einer ganz anderen Grundanschauung hervorgehend. Die Grundansicht des Pietismus war aber keine andere, als die durch die Reformatoren selbst auf das stärkste hervorgehobene des natürlichen Verderbens des Menschen und seiner Erlösungsbedürftigkeit, so wie der nur durch Christum zu erlangenden Begnadigung. Somit trat der Pietismus keinesweges als eine Secte aus der Kirche aus, sondern derselbe trat auf, wie vielfach auch die Pietisten von


  1. Es möge hier, da von dem Namen die Rede ist, eine treffende Bemerkung von Tholuck Platz finden: „So gleichgültig auch Namen erscheinen, so zufällig und bedeutungslos auch gewöhnlich ihr Ursprung ist, so wichtig sind sie besonders von Gegnern gegeben. Diese können eine noch flüssige Parthei kaum mehr befestigen, als durch ihre, sei es nun spöttische oder gehässige oder sonstige Bezeichnung.“ Er führt dann weiter aus, wie dies die Englischen Hochkirchlichen erfahren haben, indem sie ihre Gegner Puritaner nannten, wie das sich gegen sie selbst kehrte, als wären die Hochkirchlichen die in der Lehre Unreinen, dagegen die Puritaner die Reinen.