Ludwig Carl Wilhelm von Baumbach-Kirchheim – Erinnerungen aus dem Leben eines hochbetagten Mannes (1799 – 1883)/02

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Ludwig Carl Wilhelm von Baumbach-Kirchheim – Erinnerungen aus dem Leben eines hochbetagten Mannes (1799 – 1883)
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Erinnerungen Baumbach Kirchheim.djvu
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Aussterben des Mannesstammes jenes Boineburg'schen Familienzweiges das Vermögen auf sie und, soviel ich zu erinnern glaube, die Nachkommen einer Schwester, die von Eschwege überging. Hier will ich gleich der Streitigkeiten über diesen Erbanfall erwähnen, welches seiner Zeit großes Aufsehen erregten. Von unserer Familie und auch wohl der von Eschwege wurde der gesamte Nachlaß als Weiberlehn oder Allodium in Anspruch genommen, wogegen der damalige, für seinen Geiz bekannte Kurfürst Wilhelm I.[GWR 1] – vom Volk nur als der mit dem Knoten bezeichnete, da er eine ungeheure Balggeschwulst hinter einem Ohr hatte – den größten Teil als Manneslehn beanspruchte. Es entstand hieraus ein Prozeß, den die Familie in erster Instanz gewann, und infolge davon sämtliche zu diesem Nachlaß gehörige Güter, auch Reichensachsen, in Besitz nahm, worauf auch mein Vater, damaliger holländischer Major a. D. dahinzog und ich daselbst, wie oben erwähnt geboren wurde. Der Fiskus indessen appellierte gegen diesen Bescheid an das Appellationsgericht, welches ein gegenteiliges Urteil erließ, den größten Teil des Nachlasses als dem Staat heimgefallenes Manneslehn erklärend, so daß unsere Familie nur der als Weiberlehn oder Allodium erklärte Teil verblieb, namentlich das Gut Hoheneiche. Von meinem Vater und meinen Onkels habe ich häufig diesen Erbbescheid als ungerecht erklären hören, namentlich habe der Kurfürst eine Stimmenmehrheit nur durch Einberufung von ihm unbedingt ergebenen Mitgliedern des Oberappellationsgerichtes erlangt, welche, als Gesandte und dergleichen abwesend, allein zu diesem Zweck dieser Entscheidung zeitweise einberufen wurden. Später indessen habe ich von meinen Brüdern Moritz und Ernst, welche beide Mitglieder des Oberappellationsgerichtes später waren und die Akten einzusehen Gelegenheit hatten, sagen hören, daß der Fall mindestens zweifelhaft gewesen sei. Infolge jener Entscheidung sah sich mein Vater gezwungen, Reichensachsen zu verlassen und mit Familie nach Kirchheim überzuziehen.

Ich kehre nun zu meinen Erinnerungen zurück. Ehe ich speziell auf meine Person übergehe, will ich versuchen, die Lebensschicksale meines Vaters, meiner Onkels, Brüder und flüchtiger meiner Nentershäuser Vettern – welche wir uns gegenseitig nur als Brüder betrachteten – kurz zu schildern, soweit mein schwaches Gedächtnis reicht und dann erst speziell auf meinen Lebenslauf überzugehen, soweit derselbe nicht schon im Verlauf dieser Schilderungen eine flüchtige Berührung mit sich bringt. Ich werde die entfernteren Verwandten voranstellen, dann zu meinem Vater und dessen Descendanz übergehen. Hier will ich indessen bemerken, daß die sämtlichen Familiengüter ungeteilt nicht allein im Besitz meines Vaters und meiner Onkels blieben, sondern auch nach deren Tode noch eine längere Zeit in solchem gemeinschaftlichem Besitz von deren Kindern aus dem Hause Nentershausen und von Kirchheim. Einer der Mitglieder übernahm die spezielle Administration der Güter, deren Erträge dann ausgeglichen und pro parte unter die Beteiligten verteilt wurden. Dazu gehörte natürlich das gegenseitige, vollständige Vertrauen und Eintracht. Solche bestanden aber in der Tat auch unter den Mitgliedern der ältesten Generation sowohl wie auch unter denen der jüngeren, so daß ich mir, solange ich teil an der Gutsadministration nahm, nicht einer einzigen ernstlichen Differenz oder Streitpunktes entsinnen kann, welche diese Eintracht hätte stören können. Ein gewiß seltener Fall in einer nur aus Brüdern bestehenden Familie, wo es sich um Mein und Dein handelt, noch viel seltener aber, wie eine solche Gemeinschaft auch



Anmerkungen der GenWiki-Redaktion (GWR)

  1. Im Text als Wilhelm J bezeichnet, wg. Typengleichheit als Wilhelm I. angesehen.