Herforder Chronik (1910)/317

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Herforder Chronik (1910)
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Aus den letzten Worten ist kein anderer Schluß zu ziehen, als daß der Kurfürst der Stadt Herford als Festung eine Bedeutung nicht mehr zumaß. Von der gänzlichen Abführung der Garnison wird später die Rede sein. Was die Bitten der Bürger nicht vermocht hatten, das sah sich der Kurfürst genötigt zu gewähren infolge von Forderungen, die von anderer Seite an ihn gestellt wurden. Aufgestachelt durch den unablässig treibenden Anton Fürstenau, der von dem gegenbrandenburgisch gesinnten Rate mit Vollmachten ausgerüstet war, erließen Kaiser, Reichsstände und Reichsfiskal Schreiben an den Kurfürsten, in denen ihm die Unrechtmäßigkeit seines Vorgehens gegen Herford vorgehalten wurde. Sie verlangten die Abführung der brandenburgischen Garnison und Wiedereinsetzung der Stadt in den früheren Zustand der Unmittelbarkeit.

Der Kurfürst beachtete diese Mahnungen und Gebote kaum, ja, das letzte dieser Schreiben, welches er in Wesel empfing, nahm er gar nicht an, sondern ließ es durch die „Churfürstl. Brandenburgische Geheime Cammer Cantzeley“ am 24. November 1649 uneröffnet zurückgehen,

„weil in der Überschrift (d. i. Aufschrift) desselben Höchstgemelter I. Ch. D. der von Gott und Rechtswegen competirender (zustehender) Titel nicht gegeben worden“.

Zwar erleichterte er ein wenig die Last der Stadt, indem er, wie oben erzählt, einige Kompagnien verlegte und außerdem rückständige Kontributionsforderungen erließ, da die Geldnot in der Stadt eine bedenkliche Höhe erreicht hatte, aber seine Haltung der Stadt gegenüber änderte er nicht. Infolgedessen entschloß sich der Kaiser - wir müssen immer den rastlos antreibenden Anton Fürstenau dahinter denken - mit Ernst gegen den Kurfürsten vorzugehen und ihn durch ernannte Exekutoren, d. i. Vollstrecker seiner Befehle, zur Freigabe der Stadt zu zwingen. Die Exekutionskommissare, der Kurfürst von Köln und der Herzog von Sachsen-Lauenburg, vermochten jedoch nichts auszurichten.

Dieser Mißerfolg wie die Gewißheit der Wühlereien Fürstenaus versetzten den Kurfürsten, wie leicht begreiflich, in eine gereizte Stimmung gegen die Stadt. Als daher im Januar 1650 der Herforder Rat wiederum eine Deputation nach dein Sparenberge absandte, um von dem Kurfürsten eine Deklaration, d. h. Abänderung des Vergleichs vom 6. Dezember 1647, zu erlangen, erhörte er die Bitten der Herforder nicht, obwohl sie, um ihren Bitten mehr Nachdruck zu geben, für den Kurfürsten wie für die Räte Geldgeschenke beigefügt hatten. Eigenartig war gewiß dieser Schritt, aber sowohl aus der Sitte der Zeit, als auch aus der steigenden Not der Herforder zu erklären, die nach vielen vergeblichen Bitten auf diese Weise ihrem Ziel näher zu kommen hofften. Aber ihn, wie es Spannagel tut, mit „Bestechung“ zu brandmarken, scheint um so weniger angebracht, als nach Spannagels eigener Erklärung in den Herforder Akten keine Nachrichten über eine üble Aufnahme oder gar schroffe Ablehnung dieses Ansinnens zu finden sind.