Herforder Chronik (1910)/245

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Herforder Chronik (1910)
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Das Fraterhaus.

Von ungleich höherer Bedeutung als alle übrigen kleineren geistlichen Stiftungen, besonders in bezug auf die Umgestaltung des Kirchen- und Schulwesens in Herford, war das Haus der geistlichen Brüder vom gemeinsamen Leben (domus fratrum clericorum de communi vita). Wenn sich auch ein bestimmtes Jahr seiner Gründung nicht angeben läßt, so ist es doch sicher, daß sie in die Zeit der Äbtissin

Mechthildis von Waldeck (1408-1442)

fällt. Das Archiv des städtischen Museums besitzt zwei, wie es scheint, gleichzeitige Urkundenabschriften darüber, und was diese über die Gründung enthalten, stellen wir hier mit dem Inhalte anderer Urkunden zusammen.

Der Presbyter Ritter Dietrich von Alten trug 1416 den Hof Varenkamping mit seinen kleinen Häusern und allem sonstigen Zubehör von der Abtei zu Lehen, wofür er dem Stifte jährlich zwei Talente Wachs zu entrichten hatte. Der Hof lag „supra Hollant juxta parvum molendinum“, d. h. auf dem Holland neben der kleinen Mühle, und Storch, der das letzte alte Gebäude des Fraterhauses noch gesehen hat, belehrt uns über seine Lage, also auch die des Hofes, mit den Worten: „Domus fratrum clericorum liegt an der Werre, wo der kleine Fluß (die kleine Werre) wieder hineinfällt.“ Wir müssen ihn also da suchen, wo heute die Turnhalle und das Spritzenhaus steht. Diesen Hof mit allem, was dazu gehörte, schenkte der Ritter von Alten dem Osnabrücker Priester Konrad Westerwolt. Er nebst vier andern in der Urkunde genannten Klerikern beabsichtigte auf dem Hofe Varenkamping nach dem Beispiel anderer Fraterhäuser ein Gotteshaus zu gründen, in dem sie gemeinsam, züchtig und einträchtig zu leben und dem Herrn zu dienen gedachten.

Der Papst genehmigte die Schenkung „des Godeshuses der geistlike Prester und Cleriker up dem Hollande bynnen Hervorde“ (domus clericorum prope parvam molendinam super Holland in parochia S. Johannis Baptistae) und gab die Erlaubnis, dort eine Kapelle einzurichten. Zugleich gestattete er, darin einen tragbaren Altar aufzustellen und an diesem die Messe zu lesen, gewährte den Brüdern das Recht, innerhalb der Kapelle Beichte zu hören, bevollmächtigte sie auch zur Absolution. Die Seelsorge durfte sich aber nur auf die Angehörigen und die kranken Pfleglinge des Fraterhauses erstrecken. An Sonn- und Festtagen mußten einige Fratres dem Gottesdienst in der Neustädter Kirche beiwohnen, nicht nur, weil sie die Pfarrkirche der Gemeinde war, sondern ganz besonders, damit die Brüder die öffentlichen Bekanntmachungen vernähmen. Beim Umbau des Kircheninnern 1907-1909 fand sich der den Fratres in alter Zeit angewiesene Betstuhl, auf dessen Pultplatte eingegraben ist: „De 4 frater Heren stede.“ Die Platte ist aufbewahrt und in der ersten Reihe des Gestühls links vom Chor wieder angebracht.