Herforder Chronik (1910)/153

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Herforder Chronik (1910)
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Landwehrgräben und benutzten auch das Holz des Walles. Wer aber war der rechtmäßige Besitzer der Landwehr, d. h. wer hatte sie angelegt? Die Kunde davon war im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen, und da jeder Nachbar sie als sein Eigentum beanspruchte, so kamen Reibereien und Rcchtsstreitigkeiten wie Pilze nach warmem Regen aus der Erde hervor und wurden in jenem prozeßlustigen Zeitalter mit ebensoviel Erbitterung wie Ausdauer ausgefochten. Da konnte es auch nicht wundernehmen, wenn ein Heißblütiger, der der ewigen Querelen müde war, den unentwirrbaren Knoten mit dem in der Hand stets lockeren Schwerte zu durchhauen versuchte.

Davon wollen wir ein Stücklein erzählen.

Es war im Jahre 1536 am Tage vor Martini, also am 10. November. Die Knechte des Herrn v. Exterde auf Ahmsen hatten in der Nähe der Herforder Landwehr Dornen gehauen und auf einen Schlitten geladen. Die widerspenstige Last wollte nicht liegen bleiben, darum sprang einer der Knechte auf die Landwehr, um zwci Staken (Stecken) zu schneiden, welche zum Halt gegen die Domen gesteckt werden sollten. Nun war aber die Landwehr an dieser Stelle von jeher ein Zankapfel zwischen der Stadt Herford und den Besitzern von Ahmsen gewesen, und die Stadt Herford ließ die Grenze von eigens dazu angestellten Stadtdienern bewachen. Waren sie vielleicht in einem Turm stationiert, der da stand, wo heute noch die Flur den Namen „Hohe Warte“ tragt? Auf ihrem Rundgange bemerken die Wächter den ungeheuren Frevel des Ahmser Knechtes, springen eilig hinzu, packen den Missetäter, um ihn gefangen nach Herford zu führen. Bei dem Handgemenge geht es natürlich nicht ohne Geschrei ab, und hierdurch angelockt, kommt der Verwalter des Gutes, Bernd v. Exterde, ein Halbbruder des in kaiserlichem Kriegsdienst abwesenden Gutsherrn Johann v. Exterde, herbei. Er versucht, den Streit gütlich beizulegen, als aber seine Bemühungen nichts helfen wollen, übermannt ihn der Zorn und mit Hilfe seiner Knechte befreit er gewaltsam den Gefangenen aus den Händen der Herforder.

Auf den Bericht der Stadtdiener bemächtigt sich des Rats eine unbeschreibliche Wut; er beschließt, die erlittene Unbill sofort zu ahnden, nimmt aber in seiner hohen Erregung keine Rücksicht auf die nach damaligem Fehderecht erforderliche vorherige „Absage“. In der Nacht nach dem Unglückstage schickt er eine bewaffnete Mannschaft nach Ahmsen mit dem Befehl, sich des entrissenen Gefangenen mit List oder Gewalt wieder zu bemächtigen. Von List keine Rede. Die rauflustigen Gesellen, erfreut, an dem stolzen Junker ihr Mütchen kühlen zu dürfen, stürmen johlend auf das Gutshaus zu, schlagen Tor und Türen auf, stöbern die Schläfer aus den Betten, beleidigen des Gutsherrn Schwester, Katharina v. Exterde, durchsuchen Stuben, Keller und Kammern, - vergebens, den Knecht finden sie nicht. Die Erfolglosigkeit ihres Zuges erbittert sie; um aber nicht mit leeren Händen heimzukommen, ergreifen sie Bernd v. Exterde und drei seiner Knechte und führen sie gefesselt nach Herford, wo sie der Rat sofort in den Turm werfen ließ.