Handbuch der praktischen Genealogie/387

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI
<<<Vorherige Seite
[386]
Nächste Seite>>>
[388]
Handbuch der praktischen Genealogie.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.



      Bisher sind bürgerliche Stammtafeln (für soziologische Zwecke hat die Ahnentafel wesentlich geringere Bedeutung) zumeist aus Liebe zum eigenen Geschlecht in mühsamer Forschung hergestellt worden ohne irgendwelche wissenschaftliche Nebenzwecke. Eben deshalb ist das Material für soziologische Betrachtungen brauchbar, da sich in der Fragestellung und Auswahl nicht vorgefaßte Meinungen widerspiegeln. Aber nachdem induktiv eine Reihe Vorstellungen gewonnen worden ist, wäre es wohl angebracht, der genealogischen Forschung gewisse soziologisch wertvolle Gesichtspunkte zu unterbreiten, die sich gelegentlich berücksichtigen lassen, und dann zu planmäßiger Bearbeitung von Stammtafeln fortzuschreiten mit der Absicht, bestimmte gesellschaftliche Beziehungen auf die Abhängigkeit von genealogischen Tatsachen zu prüfen. Die angezogene Untersuchung von Ehrenberg und Racine ist ein Anfang dazu.

      Eine wesentliche Aufgabe in dieser Richtung würde es sein, Stamm-und Ahnentafeln statistisch zu bearbeiten nach Rollers Vorgang, und zwar etwa in folgender Weise: ausgehend von den vielleicht 30 in einem beliebigen Dorfe um 1800 lebenden Bauern als Stammvätern werden in Stammtafeln deren sämtliche direkte Nachkommen, männliche und weibliche, bis zur Gegenwart zusammengestellt und die in diesen Stammtafeln vorkommenden Personen werden dann nach bestimmten in soziologischem Geiste entwickelten Grundsätzen gruppiert; die Fragen würden etwa lauten können: a) wieviele der Söhne, der Enkel und Urenkel von allen 30 Stammvätern wohnen in der Stadt? b) wieviele von ihnen hatten gelehrte Berufe? c) wieviele heirateten Städterinnen? d) wie verteilen sich die Aufenthaltsorte sämtlicher Söhne, Enkel und Urenkel erstens auf Stadt und Land, zweitens auf Entfernungszonen vom Urheimatsort? — Umgekehrt würde man etwa von den gegenwärtig in einer Fabrik beschäftigten Arbeitern ausgehen und zunächst deren Ahnentafeln aufstellen können, aber nur um alsbald in jeder Generation auch die Geschwister einzubeziehen und deren Nachkommen mit zu verfolgen. So würde man in rückläufiger Arbeit schließlich Stammtafeln gewinnen, die von zunächst unbekannten Groß- oder Urgroßeltern ausgehen. Hier würde dann, wenn wir Nutzen für das Verständnis der modernen Gesellschaftszustände daraus ziehen wollen, die Frage nach dem Beruf, Wohnort usw. der Väter, Großväter und Urgroßväter der in der lebenden Generation aufgeführten Personen zu beantworten sein.

      Methodisch und technisch würden durch solche Untersuchungen der Statistik neue Aufgaben erwachsen, aber auch ganz neue Erkenntnisse müßten die Folge sein, jedenfalls soziologisch viel umfassendere als sie die neueren Volkszählungslisten und der Vergleich mehrerer Zählungen liefern können. Aus diesen lassen sich nur Antworten auf die wenigen bestimmt gestellten Fragen gewinnen, während sich die Angaben vollständiger Stammtafeln in ganz beliebiger Weise zueinander in Beziehung setzen lassen. Um nur eins zu erwähnen, ist unser Volkszählungsmaterial insofern soziologisch unvollständig, als nur die lebenden Personen verzeichnet werden, während die verstorbenen wegbleiben. Aber für alle genealogisch-statistischen Untersuchungen