Handbuch der praktischen Genealogie/283

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Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI
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      Die Anfänge der Geschlechter waren entstellender Legende besonders ausgesetzt. So hat die aller Wahrscheinlichkeit nach von Levold von Northof[1] erfundene Legende, als ob das Geschlecht von Altena der Stamm gewesen sei, aus dem der Zweig der Grafen von Berg hervorgewachsen wäre, ein halbes Jahrtausend die Literatur beherrscht. Jetzt wissen wir aus der kritischen Untersuchung von Ilgen[2], der an der Hand der Urkunden alle sonstigen einschlagenden Quellen scharf beleuchtete, daß das genealogische Verhältnis in Wahrheit das umgekehrte war.

      Wie unzuverlässig die Berichte über die Anfänge unserer Adelsgeschlechter sind, dafür bietet ferner das Geschlecht derer von Carlowitz einen schlagenden Beweis. Die einen führen dasselbe auf einen der vornehmsten Räte Karls des Großen zurück, andere auf Karl I. von Anjou, König von Neapel und Sizilien, noch andere auf den bulgarischen Helden Marko Carlowigo oder Kraljewitsch, über den noch viele Heldenlieder existieren. Und doch gibt es für keinen dieser Berichte einen Anhalt. Die von Carlowitz standen wahrscheinlich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Burggrafen von Dohna, und mögen wohl ältere Nachweise bei der Zerstörung der Burg von Dohna verloren gegangen sein.[3]

      Das ehrgeizige Bestreben zahlreicher Adelsgeschlechter, ihre Ahnen mindestens bis in die Zeit der Kreuzzüge, wenn irgend möglich aber bis auf Karl den Großen oder gar noch weiter zurück zu verlegen, hat die Adelsgeschichte stark in Verruf gebracht. Unglaubhaft ist, daß der Ahnherr derer von Löben, wie die Familientradition meldet, von der Mohrenkönigin Pelusa in ihrer Residenzstadt Meroe 733 zum Ritter geschlagen wurde (Graesse S. 96), oder daß die von Schönburg ihr Wappen deshalb führen, weil Karl der Große mit dem Blute seines Lebensretters über dessen Wappenschild zwei rote Streifen gezogen habe (Graesse S. 151). Vollends die Anknüpfung an die Römer ist völlig abzulehnen, so die Behauptung, daß das Geschlecht der Grafen und Freiherren von Flemming von der römischen Adelsfamilie der Flaminier herstamme, oder die Anschauung, die Herren von Anhalt wie die Stammer seien aus Italien eingewandert, die Askanier oder Bäringer, nach ihrem Wappentier, dem Bären (ursus), Ursinier genannt, stammten von den Orsini, die Stammer aber, auch Stammeier genannt, von dem altrömischen Geschlecht Balbus ab[4], oder der Bericht, daß das Geschlecht derer von Salhausen ihren Namen von der Stadt Saluzzo habe, die der Kaiser Julian II. einem Mitgliede dieses Geschlechtes zur Belohnung dafür geschenkt, daß er ihn, als er einst auf der Flucht in einem Flusse in Lebensgefahr geraten war, rettete und auf sein Pferd hob.


  1. Northof, L. v., Chronik d. Grafen von der Mark, veröffentl. v. Troß, Hamm 1859.
  2. Ilgen, Th., Die ältesten Grafen von Berg und deren Abkömmlinge, die Grafen von Altena (Isenburg-Umburg und Mark). Ein Beitrag zur Legendenbildung, ZBG NF 26, 14 ff.
  3. Graesse, Geschlechts-, Namen- und Wappensagen, S. 29. „Aus dem Archiv der Familie v. Carlowitz“. Dresden 1875, S. IV.
  4. Die Anschauung ist im Tageb. d. Fürsten Christian II. v. Anhalt (1630-1656) überliefert.