Handbuch der praktischen Genealogie/264

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Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI
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Der schöne Gedanke, der einer solchen Auffassung der Königin des Himmels zugrunde liegt, ist der nämliche, der in dem Gebete seinen Ausdruck findet: sub tuum praesidium confugimus. Als etwas Neues mag dann später das Porträtelement hinzugetreten sein. Die Gelegenheit, sich selbst und seine geistlichen und weltlichen Oberherren an so bevorzugter Stelle zu sehen, war doch zu verlockend, als daß man sie hätte unbenutzt vorübergehen lassen, und so erscheinen denn bald hin und wieder ganz bestimmte Persönlichkeiten an Stelle der typischen Stand es Vertreter unter dem himmlischen Gnadenmantel.[1]

Franzosen.

      Die Wirklichkeitsforderung des italienischen Publikums wurde modifiziert durch das die Renaissance durchziehende tiefe Verlangen nicht bloß nach dem Menschen, sondern nach dem „schönen“ Menschen. Das Ähnlichkeitsbedürfnis des französischen Auftraggebers unter Ludwig XIV. und Ludwig XV. wurde bezeichnet und eingeschränkt durch das allgemeine Streben, jedes Gesicht, auch das des kleinbürgerlichsten Individuums, soweit zu vergewaltigen bzw. zu erhöhen, bis es dem herrschenden Menschentypus, dem Fürstenkopfe, angeähnelt war. Man wollte porträtiert werden, ähnlich sich selbst, aber in sich ähnlich dem vollkommenen Menschen.

      Man darf infolgedessen von diesen französischen Porträts nur sehr vorsichtig Rückschlüsse ziehen auf das wirkliche Aussehen der Menschen; stellte die Kunst doch weit weniger die Menschen dar als die Ansprüche der Menschen an sich selbst.

Holländer.

      Der nüchterne, praktische Sinn einer bürgerlichen Generation, die stets in irgend einer Form des Rationalismus die ihr gemäße Weltansicht findet, ist tief durchdrungen von der unantastbaren Gültigkeit und Vernunft alles Wirklichen. Diese Gesinnung verlangt von der Welt nicht mehr als sie bietet, und erwartet auch von der Kunst nur ein getreues, ein wirklichkeitsgemäßes Abbild des Seienden — aber das fordert sie auch ganz. So kann das Porträt solchen Geschlechtern, wie z. B. den Holländern des 17. Jahrhunderts, nicht wahrheitsgetreu, nicht ähnlich genug sein. Ohne innere Schwungkraft, den Alltagsboden zu verlassen, ohne Bedürfnis nach irgend einem Ideal, im Sinne eines Vorbildes, nach dem man sich in bewußter Arbeit an sich selbst bildet, stellt man auch der Kunst das uralte Bürgerverlangen, im Lande zu bleiben und sich redlich zu nähren. Mit solcher Genügsamkeit verbindet sich aber stets ein reichliches Maß von Selbstzufriedenheit. Man begnügt sich deshalb damit, so zu sein und so auszusehen, wie man ist, weil jeder völlig zufrieden mit sich selbst ist.

Anton Graff.

      In Deutschland ist Anton Graff durch seine bürgerliche Porträtmalerei berühmt. Wir sind über diesen Künstler unterrichtet durch das Werk von Prof. Dr. Julius Vogel: Anton Graff, Bildnisse von Zeitgenossen des Meisters in Nachbildungen der Originale, ausgewählt und erläutert (Leipzig 1898,


  1. Ein solches Schutzmantelbild ist abgebildet bei Karl Graf Kuefstein. Studien zur Familiengesch., II. Teil. Wien u. Leipzig 1911, zu Seite 103 (Reproduktion aus Bd. I).