Die Probstei in Wort und Bild/115

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Die Probstei in Wort und Bild
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Probstei in Wort und Bild.djvu
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welche sie nicht kommen durften, und auf welche sie nötigenfalls von der Polizei zurückgewiesen wurden. Indeß trieben sie zuweilen viel Unfug.

Von dieser Scene der heiteren Freude begleiten wir unsere Probsteier nun dahin, wo das ernste Ende des irdischen Lebens, und die Trennung in seinem Gefolge, jedes Geräusch, jedes Getümmel zu entfernen gebeut, und feierliche Stille und stillen Schmerz so natürlich und unseren Gefühlen und Pflichten angemessen heischt. Auch bei den Leichen der Ihrigen haben die Probsteier ihre eigenen Gebräuche. Höchst zweckwidrig, und deswegen sehr weise durch höhere Verordnungen untersagt, waren die alten Grabbiere. Es war ein Getümmel im Hause der Klage und oft noch größeres im Kirchdorfe. Nach dem Wirtshause, wo die Leiche beigesetzt wurde, wurde ein ganzes Fuder Schönbrot gefahren, davon Biersuppe gekocht, von der alle bei der Leiche Gegenwärtige immer aßen. Auch ward Bier und Branntwein reichlich gespendet und dadurch jeder Eindruck geschwächt, ja zerstört, den der ernste Gang zum Grabe und die Stimme der Religion auf ein unverdorbenes Menschengefühl so natürlich hätte machen können. Ja oft hatte der Prediger die Kränkung, nach Leichenreden, die er mit vollem Gefühl gehalten hatte, im Kirchdorfe bis in die Nacht die Töne Betrunkener zu hören, die sich hier vielfach entehrten. Unzweckmäßig ist es noch jetzt, daß im Trauerhause die nächsten Verwandten und die ganze Leichenbegleitung bewirtet werden müssen. Das Getümmel der dazu notwendigen Zurüstungen im Hause der Klage, wie unpassend! Feierliche Stille und stille Feierlichkeit gehören durchaus zur Bestattung der entseelten Reste unserer Hingeschiedenen, und so wesentlich, daß der Einzelne, die Familie, das Volk sich entehren, und sehr wohlthätige Bildungsmittel rauben, welche sie von diesen schmerzlichen Lebenserfahrungen trennen. Auch bin ich sehr überzeugt, daß es für die Sittlichkeit eines Volkes, für die Familienbande und für die religiöse Bildung nichts anders als nachteilig sein kann, wenn man von Leichenbestattungen jede Begleitung, jede Feierlichkeit zu entfernen versucht. Immerhin werden die vielen Reden an den Gräbern, die oft unzweckmäßig sind, beschränkt; nur bleibe die Totenfeier, wozu sie bestimmt, eine würdige, ernste, heilige Feier. Mag unser Schmerz am Grabe sich heftig verstärken, mag die offene Gruft, die aufgeworfene Scholle uns mächtig erschüttern, selbst dieser tiefgefühlte Schmerz hat sein Gutes, und werden nicht auch durch diese Feierlichkeit unsere schönen Christenhoffnungen, deren Bedürfnis man da so ganz empfindet, wohlthätig erneuert? Und wie wichtig, wie unentbehrlich sind sie dem Herzen! Nein, seid uns heilig, ihr stillen Stätten, wo man den Staub unserer Toten begräbt! Keiner nahe ihnen leichtsinnig, und jeder nehme von ihnen eine bessere Stimmung und fromme Vorsätze für die Zukunft mit.

Am Beerdigungsmorgen wird die Leiche aus der bestens Dönns, wo sie bisher stand, auf die Diele getragen. Da steht sie offen, um von den Verwandten aus den anderen Dörfern, die nun zur Leichenbegleitung kommen, und von der ganzen Leichenbegleitung noch einmal angesehen zu werden. Ein Gebrauch, für den freilich der Wunsch, die geliebten Ueberreste der Seinen noch einmal zu sehen, viel Entschuldigendes sagt, der aber durchaus zu tadeln ist, wenn es bloß geschieht, um die Toten zur Schau auszustellen, und der sowohl bei ansteckenden Krankheiten, als auch wenn Verwesung die Leichen schon zerstörend ergriffen hat, der Gesundheit nachteilig werden kann.

Nach einem von dem Schullehrer des Dorfes gesungenen Kirchenliede wird der Sarg verschlossen, und die Leiche zu ihrer Ruhestätte gefahren. Auf dem Wagen sitzen über der Leiche die nächsten weiblichen Angehörigen ganz verhüllt (geschlippt), die anderen folgen der Leiche zu Fuß. Den Gebrauch des Schlippens in tiefer Trauer habe ich sonst noch bei den Wenden in der Lausitz und bei den alten Ditmarsen gefunden, nur mit dem Unterschiede, daß die Wenden sich dazu eines großen weißen Tuchs, die alten Ditmarsen einer großen Kappe bedienten, welche auswendig schwarz, inwendig von grünem bardewyker Tuch war, bei den Vornehmen mit vergoldeten Schrauben.