Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/430

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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Die Überzeugung von der landmirtschaftstechnifchen Notwendigkeit der Ablösungen war allgemein geworden. Auch die liberalen Ideen, daß es eines modernen Staates unwürdig sei, fron- und zehntpflichtige, ja sogar leibeigene Bauern zu Unterthanen zu haben, Verbreiteten sich immer mehr und drangen in das Empfindungsleben selbst konservativer Kreise ein. Auch das Beispiel benachbarter Länder, besonders Preußens, war nicht unwirksam. Schließlich sah man an allen Orten die Unvereinbarkeit der bestehenden grundherrlichen Verfassung mit der modernen Staats- und Gesellschaftsordnung ein.

Bald nach Beendigung des Krieges hatte man eine hohe Grundsteuer eingeführt, die nach dem Reinertrag des Grundes und Bodens veranlagt wurdet Wie die alte Kontribution, an deren Stelle sie trat, mußte sie von dem grundherrlich abhängigen Bauer allein getragen werden ^. Natürlich führte diese Steuer bei der verschiedenartigen grundherrlichen Belastung des nach dem Kataster gleichwertigen Bodens zu den schreiendsten Ungerechtigkeiten'. Man hatte eben eine für Länder mit freiem Eigentum bestimmte Institution in einen Staat mit grundherrlicher Verfassung übertragen.

Und doch sollten noch fast 20 Jahre nach der Befreiung des Landes verstreichen, bis man sich zu einer vaterländischen Ablösungsgesetzgebung entschloß.

Die Ursachen, weshalb trotz der klar erkannten Notwendigkeit, das Grundeigentum zu befreien, diese Befreiung so lange hinausgeschoben wurde, waren weniger durch die in Rede stehenden Verhältnisse selbst bedingt, sondern entsprangen hauptsächlich aus der allgemeinen politischen Lage.

Nach der Vertreibung der Franzosen und der Wiederherstellung der rechtmäßigen Regierung suchte man zunächst alle Spuren der Fremdherrschaft im Staat zu verwischen. Daher wurde die Ab-lösbarkeit der Grundlasten aufgehoben. Dies geschah nicht so sehr deshalb, weil die Ablösbarkeit und die Befreiung des Grundeigentums als solche so völlig dem Interesse der Grundherren zuwider gewesen waren, als vielmehr aus Abneigung gegen den Eroberer und sein politisches System, aus dem die Reformen entsprungen waren.


i Vgl. Stüve, Gegenwärtige Lasse, S, 34. - Aktenstücke der dritten allgemeinen Standeversammlung des Königreichs Hannover, 4, Diät, Hannover 1829, Nr, ZI (a. 1828), S. 357 ff., bes. S. 864 ff, Bericht der mit Erörterung der Grund« steuerveranlagunss beauftragten Kommission an die hildesheimische Provinzial-landschaft vom 30. August 1828.