Der Kinderwagen

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<<<Erzählungen aus Schmelz

Bild Schmelz KrosienUnser Kinderwagen.jpg

Der Kinderwagen


Wo Kinder kommen, gibt es - zumindest in Deutschland - auch einen Kinderwagen. Wir waren vier Sprößlinge, und unser Kinderwagen reichte für uns alle! Mußte er einfach!

Er tat später aber auch noch ganz andere Dienste, als bloß Babies zu kutschieren. Dabei war er längst nicht so komfortabel wie die Kinderwagen heute! Ein aus Hartpappe gepreßtes Oberteil, ein stabiles metallenes Gestell und vier mittelgroße Speichenfelgen mit grauer Hartgummibereifung. Das Oberteil an Lederriemen am Gestell aufgehängt, so daß es gut schaukelte. Eine Griffstange zum Schieben oder Ziehen. Ein zusammenklappbares Verdeck. Das war's!

Wir Jungen brauchten das Verdeck nicht. Irgendwann wurde es kurzerhand abmontiert und irgendwo hingeschmissen. Aber der Kinderwagen selbst war ein tolles Spielzeug, nachdem auch das letzte der Kinder aus ihm herausgewachsen war! Er diente beispielsweise als Rennwagen. Immer wurde friedlich unter uns Bowkes ausgemacht, wer fahren durfte und wer schieben mußte. Für den Fahrer jedesmal ein Vergnügen, für den Schiebenden eine aussichtsreiche Anstrengung. Und Spaß hat das gemacht!

Für den Burgenbau war der Kinderwagen der beste Transporter für Sand, Steine und Grassoden, ebenso für Sträucher, die ja auch dafür gebraucht wurden. Selbst durch Wasserlachen in unserer Kiesgrube kam man - wenigstens der jeweilige Fahrer -, ohne dabei naß zu werden.

Mit der Zeit gingen bei solch rauher und häufiger Nutzung einige Teile des Kinderwagens kaputt. Zuerst brachen einige Stücke aus dem Oberteil heraus. Der Schaden wurde oftmals durch "Flickschusterei" behoben, wenn es noch ging. Schlimmer war's schon, wenn etwas am Gestell brach. Dann waren sachkundige Arbeit und geeignetes Werkzeug vonnöten. Aber da fand sich immer jemand, der half.

Nur die Räder mußten ersetzt werden, wenn die mal demoliert waren. Das kostete dann Geld! Und das hatten wir natürlich nicht. Das bekamen wir auch nicht von irgend jemand! Das war schon schlimm! Darum wurden die Räder auch besonders sorgsam behandelt!

Aber eines Tages ging es dann mit allem nicht mehr. So fand der Kinderwagen immer weniger Beachtung. Schließlich geriet er in Vergessenheit. Sein "Wrack" stand dann irgendwo in einer Ecke herum und vergammelte langsam immer mehr.

So etwas gibt es heute nicht mehr! Viel zu pompös sind die Kinderwagen nämlich. Und teuer außerdem! Schon nach kurzer Zeit stehen sie, die während ihrer "Besetzungszeit" wie ein rohes Ei behandelt werden, als besonders günstiges Schnäppchen gekennzeichnet, in einem "Second-hand-Laden". Andere "Neubürger unserer Erde" sollen doch in den Genuß ihrer Qualitäten kommen! Ein Spielzeug, wie bei uns, darf der Kinderwagen heute jedenfalls nicht sein! Dabei gab es zu unserer Zeit in jeder Familie viel mehr Kinder, für die er herhalten mußte.