Australische Auswandererbriefe (1934)/26

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Der Heimat Bild“ - Australischen Auswandererbriefen nacherzählt von Walter Fläming
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Notjahre

den 4. Oktober 1906.

Lieber Vetter und Familie!

      Das kam bisher selten vor, daß einer aus Australien nach Deutschland zurückging. Nun schreibst Du, daß der Wilhelm Wulkau drauf und dran ist, sich bei Euch ein Gehöft aufzubauen. Ich kenne ihn ganz genau. Er war ja 1882-1886 als Farmhand bei unserm Vater. Er war unser tüchtigster Farmhand. Wenn ihn Vater nicht mit groben Worten abends vom Hofe jagte, hätte er die ganze Nacht geschafft. Der Mann hätte hier ein besseres Los verdient. Er war ja wohl bei Euerm Vater Großspänner; und seine Frau diente bei Krischan Jerichow. Als der nach hier kam, war es so, als hätte er bloß die Dienstherrschaft gewechselt; denn er wußte schon, daß er in Port Adelaide von unserm Vater erwartet wurde. Und der nahm ihn denn auch gleich auf dem Wagen mit. Und als sie uns allen die Hand zum Gutentag gegeben hatten, fiel die Frau unserer Mutter um den Hals und schluchzte, daß es sie bloß so schüttelte. Ich weiß das noch ganz genau, bloß weil ihr Mutter über die Backen strakte und sagte: „Nu mien Deern, jeih'tn ännern Danz los; un wenn di watt drückt, denn kömmste bei mi!“

      Nach vier Jahren saßen sie dicht bei uns auf zwei Sektionen; und wenn wir mal nötige Hilfe brauchten, waren sie immer zur Stelle. Da haben sie denn aus ihrer kleinen Farm gewuchacht wie die Löwen; und jedes Jahr kam ein Kind. Ich glaube, mit der Zeit waren es neun. Wir alle hier und die Emmi und ihr Mann sind ja Paten zu ihnen. Mit der Zeit kaufte er noch zwei Sektionen, die wollte er als Viehweide nutzen, doch dazu kam er kaum; denn damals sing die australische Not an. Ja, wir haben so zwischen 1891 und 1901 alle am Hungertuch genagt. Denkt Euch, zehn Mißernten hintereinander! Zehn Jahre hindurch fast keinen Tropfen Regen, und ohne die nasse Gottesgabe geht es doch nun einmal nicht.

      Wenn Ihr Euch eine Landkarte von Australien - aber eine neue muß es schon sein - richtig anguckt, findet ihr in Südaustralien die Stadt Adelaide, davor die Känguruhinsel, nach Abend zu den St. Vincentgolf; dann kommt die York-Halbinsel, dann der Spencer-Golf, der reicht bis Port Augusta. An dieser Küste wohnen wir, aber auf einer Höhenkette, die so wie der Krupenberg oder die Berge hinter dem Magdeburgerforth und bei Gloine hochsteht. - Ja, da staunst Du, lieber Vetter, wie genau ich Eure Gegend kenne! Das stammt noch von Vatern her. Und wenn Ihr eine sehr gute Karte habt, so seht Ihr da von Adelaide nach Mitternacht zu das Städtchen Kapunda. Dicht dabei ist unsere Heimat. Mein Bruder aber wohnt noch weiter nördlich dicht vor den Flindersbergen.

      Wenn Ihr von Adelaide nach Westen zu die Karte absucht, findet ihr auf 1.000 Kilometer keinen Fluß, bloß ein paar kurze Bäche, die aber acht Monate kein Wasser haben. Bloß der Bach durch meine Felder gibt zu jeder Zeit ein wenig Wasser; und Mutter meinte darum immer, dafür müßten wir dem Herrgott Tag und Nacht auf Knien danken; und sie hat wohl recht gehabt. Was wir Farmer hier schon lange wissen, haben nun die gelehrten Herren in solche Karten eingezeichnet. In Melbourne haben sie so eine gelehrte Anstalt, da bestimmen sie das Wetter vorher; das bringen sie in die Zeitungen; man bloß, sie irren sich so oft, wenn sie Regen ansagen. Da habe ich neulich in einem Journal so eine neumodische Karte gefunden. Da hatte man ganz Australien in fünf große Stücke zerbackt, und mitten drin lag die trockene Zone. Ganz dicht an unserer Küste steht der Gürtel des Winterregens. Der ist so schmal, daß Du ihn auf dem Kartenblatt mit dem Daumen abdämmen kannst. Vater hat auch lange Jahre Wetter gemacht. Da hat er im Garten eine GlaSkruke mit einem Trichter darauf aufgestellt und einen Zollstock daran. Damit hat er den Regen gemessen.