Ludwig Carl Wilhelm von Baumbach-Kirchheim – Erinnerungen aus dem Leben eines hochbetagten Mannes (1799 – 1883)/22

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Ludwig Carl Wilhelm von Baumbach-Kirchheim – Erinnerungen aus dem Leben eines hochbetagten Mannes (1799 – 1883)
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Erinnerungen Baumbach Kirchheim.djvu
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der Kammer, legte aber glaubend, er genieße nicht das volle Vertrauen derselben, sein Amt nieder. Bei der Neuwahl fiel dieselbe neben zwei weiteren Kandidaten auf mich und sonderbarer Weise ernannte mich der Kurfürst zum Präsidenten, vielleicht doch überzeugt, daß ich nie aufgehört hatte, ein treuer Anhänger der angestammten Fürsten zu sein.

Mit nicht leichtem Herzen trat ich mein Amt unter den damaligen recht schwierigen Verhältnissen an, doch gelang es mir durch stets gezeigte völlige Unparteilichkeit neben Festigkeit bei Leitung der Diskussionen mir allgemeines Vertrauen zu erwerben. Für mich war die Leitung der Verhandlungen, da die Zeit drängte, indem die verfassungsmäßige Wirksamkeit der Kammer mit Ende Oktober endete, um so mehr doppelt anstrengend, da kein Vizepräsident mir zur Seite stand, weil dieser zugleich Mitglied des Frankfurter Parlamentes und in solchem abwesend war.

In dem der Kammer nun offenstehenden Zeitraum kamen die wichtigsten, großenteils auch jetzt noch in Wirksamkeit stehenden Gesetze mit einer beinahe an Verletzung der Geschäftsordnung streifenden Eile zustande; doch gab ich mir alle Mühe, bei Leitung der Verhandlungen wenigstens deren Grenzen nicht zu überschreiten. Ich will hier nur das welches die Aufhebung der Lehne, nicht aber nur der bäuerlichen, sondern auch der Staatslehne anordnete, nennen, welches Gesetz der Kurfürst unter anderen Verhältnissen nie genehmigt hätte. Dadurch erlangte der Adel, speziell die Ritterschaft erst das freie Eigentum seiner Güter und zwar mit Verhütung jedes Aktes von Ungerechtigkeit, da es den Familien freistand, durch Errichtung von Fideikommissen Versicherungen gegen das Zerreißen der Güter zu treffen, sollten sie dies in ihrem Interesse liegend halten. Ich wandte allen meinen Einfluß an, gerade dieses Gesetz zustand zu bringen, erfuhr aber dafür manchen harten Vorwurf von Standesgenossen, bin aber überzeugt, daß sie mir bald volle Gerechtigkeit widerfahren ließen.

Mit Widerwillen wirkte ich dagegen für Zustandekommen des das Jagdrecht aufhebenden und dasselbe auf den Grundbesitz übertragenden Gesetzes, allerdings wohl mit, weil ich die nachteiligen Folgen für den Bauer zu klar einsah, um so mehr, da sich bei damaligen Verhältnissen keine notwendigen Schranken der Ausübung des Jagdrechtes durchsetzen ließen. Ein Gesetz war aber notwendig, um wenigstens der in dieser Beziehung immer mehr einreißenden Gesetzlosigkeit Schranken zu setzen.

Noch während der für mich so angreifenden Sitzungen des Landtages kam der Entschluß zur Auswanderung nach Amerika immer mehr zur Reife, auf dessen Gründe ich zurückkomme[GWR 1], und freute mich herzlich, als das Ende derselben erreicht war, um mich im Schoße meiner Familie, die nach Kassel übergezogen war, zu erholen. Da wurde es mir plötzlich zur Pflicht gemacht, eine Wahl des Bezirks Kassel in dem Frankfurter Parlament, dessen Vertreter ausgetreten war, anzunehmen, und durch erlangte Popularität meinen Namen als Gegenkandidaten des von der Demokratischen Partei aufgestellten, sehr einflußreichen öffentlichen Redners Kellner – des Herausgebers der berühmten Hornisse, in die Waagschale zu legen. Ich wurde wirklich erwählt und mußte schon im November nach Frankfurt reisen, wo ich gänzlich erschöpft und abgespannt



Anmerkungen der GenWiki-Redaktion (GWR)

  1. Druckfehler in Textvorlage: zurükkkomme