Handbuch der praktischen Genealogie/015

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Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI
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das Turnierbuch von 1530—1750 eine Reihe von Auflagen erlebte und zu weiterem Überflusse durch eine Übersetzung ins Lateinische sowie auch durch gedruckte und handschriftliche Auszüge fortwährend im Kurs blieb und heute noch in manchen Werken gespensterhaft erscheint, die sich ein gelehrtes Ansehen geben möchten. Nur wenige Edelleute der sogenannten guten alten Zeit besaßen die erforderlichen Kenntnisse und die nötige Unbefangenheit, um das Turnierbuch nach seinem wahren Werte, will sagen Unwerte, beurteilen zu können. Was sie in Pagenhäusern, auf Ritter- und Jesuitenschulen gelernt hatten, diente gewiß nicht zur Weckung kritischer Bedürfnisse. Auch auf den Universitäten herrschte die Methode des sich besonders im theologischen und juristischen Gebiete breitmachenden Probabilismus, bei dem es bekanntlich mehr auf die Häufung von Aussprüchen anerkannter Autoritäten als auf Gründe ankommt. Wer sollte aber, wenn es sich um das wie ein Palladium der Ritterschaft angestaunte Turnierwesen handelte, ein Autor probabilis sein, wenn es der durch kaiserliche Druckprivilegien geschirmte Vater Rüxner nicht war?

16. Jahrhundert

      Man würde den genealogischen Schriftstellern des 16. Jahrhunderts unrecht tun, wenn man sie alle für so minderwertig wie Rüxner halten wollte. Schon bei Franz Irenicus aus Ettlingen (Exegesis Germaniae Hagenau 1518 fol.)[1], offenbart sich eine richtige Ansicht und Methode der genealogischen Untersuchung und eine angemessene Benutzung ihrer Resultate; aber im ganzen ist doch die mühsame, oft geräuschvolle, mit beträchtlichem Kostenaufwande verbundene Kraftanstrengung der damaligen deutschen Genealogen von einem unverhältnismäßig geringen Erfolg begleitet gewesen. Kein deutsches Fürstenhaus kam dem österreichischen in Begünstigung und tätiger Unterstützung der genealogischen Studien gleich; schon unter K. Friedrich III. fingen sie an zu gedeihen, aber weit angelegener läßt sich Maximilian I. ihre Förderung sein. Johann Stabius († 1510) und Ladislaus Suntheim mußten Deutschland und andere Teile Europas bereisen, um für die Geschichte des Habsburgischen Geschlechtes Materialien und Urkunden zu sammeln, wovon vieles in dem unruhigen Zeitalter gegen das Ende des 16. und im Anfange des 17. Jahrhunderts untergegangen, zerstreut und verfälscht worden ist; Suntheims Schriften bleiben als Denkmäler gelehrter Emsigkeit


  1. Was die Gesch. des MA betrifft, so läßt sich die Überlieferung, der Mönch Alberich im 13. Jht. sei der erste gewesen, der e. Versuch mit Geschlechtsregesten machte, vgl. Röse, Artikel Genealogie, bei Ersch und Gruber, Allgem. Encyklopädie. I. Sektion, 57. T. speziell S. 366, nicht aufrecht erhalten. Ein genealogisches Interesse knüpfte sich im MA zuerst an das eigene Geschlecht, weiterhin an bedeutende, außerhalb des Geschlechtes stehende Personen. Der daraus entstehenden genealogischen Überlieferung liegen zwei seelische Anlagen oder Grundstimmungen zugrunde, die idealistische und die naturalistische. Eine Hauptart der idealistisch gerichteten Genealogie findet sich in der Edda, eine solche der naturalistisch bestimmten bei Jordanes. Vgl. Alfred Hönger, Die Entwickelung der literarischen Darstellungsform der Genealogie bei den germanischen Stämmen bis in die Karolingerzeit. Leipziger Dissertation 1912 u. ZPF, 11. H. 1912.