Deutsche und französische Kultur im Elsass/011

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Deutsche und französische Kultur im Elsass
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nun die Strassburg eigentümlichen Nahrungsmittelgewerbe: die Gänseleberverarbeitung, die Wurstfabrikation, die Konditorei, die Sauerkraut-, Senf- und Konservenbereitung, die zum Teil im Anschluss an die alten Handwerke entstanden sind und einen hohen Grad von Blüte erreicht haben. Von den in Strassburg grosskapitalistisch entwickelten Gewerben, der Brauerei und Gerberei, wird wenigstens die Gerberei auf dem Land noch in kleinen Betrieben ausgeübt. Auch der in Strassburg sehr bedeutende Detailhandel bildet eine wichtige Grundlage für die Wohlhabenheit der Mittelklasse. Allerdings dringt auch hier das Warenhaus verderblich vor, aber diese Entwicklung ist noch zu neu, und die soziale Struktur der Bevölkerung ist wesentlich noch unberührt. Auch der Bauernstand ist von der Not der Landwirtschaft zwar nicht verschont geblieben, aber er hat die Krisis Dank seiner immer einträglichen Spezialkulturen und der immer mehr sich ausdehnenden Milchwirtschaft und Viehzucht besser überstanden, wie die ausschliesslich auf den Getreidebau angewiesene Landwirtschaft. Ein sehr charakteristischer Zug des gewerblichen Mittelstandes im Elsass, des Kleinbürgertums, ist sein enger sozialer und wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Bauernstand. In den kleinen Reichsstädten des Hügellandes lebt die Bevölkerung vorzugsweise von der Landwirtschaft, besonders vom Weinbau, selbst in Städten, wie Schlettstadt und Colmar, bildet das Ackerbürgertum den wichtigsten Teil der Bevölkerung, die meisten Gewerbetreibenden sind Eigentümer von Weinbergen oder sonstigem landwirtschaftlichen Grundbesitz.

In Strassburg weist die ehemalige Bedeutung der Gärtnerzunft auf diesen halbagrarischen Charakter der Stadtbevölkerung in einer nicht weit zurückliegenden Zeit, und zahlreiche Familien des gewerblichen Mittelstandes stammen von diesen Gärtnern oder von bäuerlichen Familien der umliegenden Dörfer ab. Dieser auch sonst gewöhnliche Zusammenhang der Bevölkerung einer Grossstadt mit der Bauernschaft der benachbarten Dörfer hat sich in Strassburg mit einer solchen Zähigkeit erhalten, dass noch heute Heiraten zwischen den grossbäuerlichen Familien des Landes und den städtischen Notabeln als nichts Aussergewöhnliches gelten, und überhaupt ein in Deutschland ganz unbekanntes conubium zwischen Bürgern und Bauern besteht. Eine der Bedingungen dieser Erscheinungen werden wir bald kennen lernen. Den vierten Stand endlich bilden die Arbeiter, die industriellen Arbeiter, die Landarbeiter und die Gehülfen des städtischen Kleingewerbes. In den Städten ist der gewerbliche Gehülfe nicht minder als der Arbeiter in der Grossindustrie der Regel nach nicht in der Lage,

Bildunterschrift:
L. v. Seebach: Elsässische Landschaft (Aquarell).