Ahn

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Vorlage:Begriffserklärungshinweis

Zitat aus:

  • Deecke, Wilhelm: Die Deutschen Verwandtschaftsnamen, eine sprachwissenschaftliche Untersuchung nebst vergleichenden Anmerkungen, Weimar 1870.
    Unveränderter Neudruck: Wiesbaden (Sändig) 1970, (VIII, 223 Seiten) ISBN 3-500-21910-1.


Ahn

[...]

Der eigentliche Name für den Großvater väterlicher, auch mütterlicher Seite ist Ahn, schon althochdeutsch ano, im Gothischen und Nordischen nicht mit Sicherheit nachweisbar; die Großmutter heißt davon abgeleitet die Ahne, althochdeutsch anâ, weniger gut Ahnin; daneben finden sich altmitteldeutsch die kosenden Diminutiva an-cho und an-cha, noch jetzt mundartlich Ahniche oder Ahnche, auch altplattdeutsch ankemôder, jetzt ankemôër. Der gewählteren Sprache gehören die Composita Ahnherr und Ahnfrau an, daher meist von adligen Großeltern gebraucht, doch läßt Göthe seinen Faust von Gretchen sagen, sie habe wohl "dem Ahnherrn fromm die welke Hand geküßt"; sonst wird bürgerlich auch Ahnvater und Ahnmutter gebraucht. Der Vater des Großvaters heißt Aber-, Ober-, Groß-. Vor-, Urahn oder -ahnherr, die Urgroßmutter Groß- oder Urahne, auch Urahnfrau, doch werden auch in nachlässigerem Ausdruck die einfachen Wörter dafür gebraucht, während Göthe in dem bekannten Gedicht, in welchem er die Erbstücke seiner Natur analysirt, Urahnherr und Urahnfrau für Ahne und Ahnin setzt. Ferner werden aber auch Ahn und Ahne, Vor- und Urahn und -ahne, Ahnherr und Ahnfrau u.s.w. für Vorfahren überhaupt gebraucht, und namentlich gilt die Mehrzahl Ahnen für die den Ruhm und die gesellschaftliche Stellung der Adelsgeschlechter begründenden genealogisch nachweisbaren Vorfahren. Abstract, wie collectiv findet sich seltner auch Ahnenschaft; die Beahnten, in Gegensatz zu den Ahnenlosen, müssen die Ahnenprobe bestehen d. h. acht, mitunter auch sechszehn echte Ahnen nachweisen, um auf die Ahnenrechte Anspruch machen zu können. Die Ahnenreihe wird dargestellt in der Ahnentafel; oft enthalten die Schlösser einen eigenen Ahnensaal mit den Ahnenbildern. Auf der Reinheit der Abstammung, großen Thaten von Heldenahnen, hohen Würden und Ehren der Vorfahren, auf dem Ahnenglanz beruht der wahre Ahnenstolz, doch giebt es auch einen thörichten Ahnenstolz, der besser Ahnendünkel heißt, und von dem ein Sprichwort sagt: "Ahnenstolz und Bauernstolz sind Geschwisterkinder". Der Ahnenstolze soll seinen Ahnen Ehre machen. In gutem Sinne reden wir von der treuherzigen Ahnenzeit, den Gesetzen der Ahnen, hängen an manchen theuren Erbstück der Ahnen, rühmen die ahnliche Tugend. Namensahn ist ein berühmter Namensvetter aus alter Zeit. Adam heißt unser Aller Ahn; Schiller nennt die Zeit die alte Urahne; der Teufel heißt Urahn der Verketzerer und dergleichen mehr. An Adjektiven begegnet noch urahnlich, hochahnlich, ahnherrlich, von adligen Familien gebraucht. In weiterer Uebertragung wird Ahn und Urahn u.s.w. auf einen sehr alten Mann überhaupt angewandt; der Urahn des Regiments ist der älteste Soldat. Von Ahnen edler Thiere spricht man auch, so vom Löwen, Roß, Adler, scherzhaft vom Fuchs; von Rossen und Kameelen werden sogar Ahnentafeln angefertigt. Uralte Bäume oder Baumstümpfe sind die Ahnen, Urahnen des Waldes, des jungen Nachwuchses. Kühn ist dr Vergleich, wenn die Netze die Ahnen unserer Strümpfe und Kanten heißen. Suchen wir nach der Herkunft des Wortes Ahn, althochdeutsch ano, so finden wir daselbst das Zeitwort unnan "günstig sein, gewähren, gönnen (=gaunnan)", wovon unst "Gnade, Gunst, Güte", aber auch "Sturm, Unwetter, Finsterniß"; unnan (und-an, and-an) führt zurück auf ein einfaches verlornes Zeitwort anan, gothischerhalten in usanan ausathmen, sterben, von der Wurzel an "wehen, hauchen"", dann "günstig sein", wovon auh anst "Gunst, Gnade", eigentlich "Hauch". Diese Wurzel an nun ist uralt indogermanisch und in allen verwandten Sprachen weit verbreitet, und zwar überall mit der Grundbedeutung "wehen, anhauchen, athmen". Die Uebertragung in die Bedeutung "günstig sein" ist hergenommen vom günstigen Windhauche, doch brauchen wir nicht grade die uns zuerst einfallende Segelschifffahrt zu Hülfe zu nehmen, da der Luftzug auch sonst vielfach fördernd einwirkt und namentlich das heilige Feuer entfacht, das im Uebermaß schädliche Regenwasser aufrrocknet, den Himmel aufklärt, indem er die Wolken verjagt; auch hilft der warme Athemhauch gegen mancherlei kleine Leiden und bringt erstarrte Glieder in´s Leben zurück. Der Ahn ist demnach der "Anhauchende, Begünstigende, Fördernde, Liebevolle", eine durchaus passende Bezeichnung, zumal für den Großvater dem Enkel gegenüber, auf den sich diese Benennung zunächst beziehn muß. Im Sanskrit findet sich von derselben Wurzel ein Name für "ältere Schwester", im Lateinischen für "alte Frau". Vielleicht gehört hierher auch das gemeinsam germanische ans "Gott" d. i. der Wehende, Hauchende, Stürmende, wie denn der höchste germanische Gott Wodan dasselbe bedeutet; ferner der Günstige, Gönner, fördernde Beschützer, Herrscher; endlich der Ahn, wozu stimmt, daß nicht nur die Menschen im Allgemeinen als göttlichen Ursprungs galten, sondern im Besondern die Königs- und Adelsgeschlechter sich von den verschiedenen Göttern als Ahnen herleiteten.