Soest/Verwaltung

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Verwaltung

Stadtrat

Die älteste „Stadt"-Urkunde datiert aus der Zeit zwischen 1166 und 1170. Damals lag die Verwaltung der Stadt bei den „Meliores", einem Patriziat, das sich, soweit sich übersehen läßt, aus einheimischen altfreien Familien, Ritterbürtigen und kurkölnischen Ministerialen zusammensetzte. Wohl um 1200 war die Bildung einer Ratsverfassung abgeschlossen. 12 scheint die Zahl der Ratsmitglieder zunächst gewesen zu sein, 1178 und 1213 wird der Rat zuerst erwähnt, 1223 kommt der erste Bürgermeister vor. Eine Änderung vom 24.02.1260 stellte die Verfassung auf neue Grundlage, ergänzt durch Ratswahlstatut vom 16.04.1283. Der Rat bestand von da ab bis 1752 regelmäßig aus 24 auf je 2 Jahre gewählten Bürgern, von denen in jedem Jahre je 12 neu gewählt wurden, und zwar zwei von jeder Hofe (mittels Wahlmännern durch die Gesamtheit der Bürger der Hofe). An der Spitze standen 2 Bürgermeister, von denen ebenfalls jedes Jahr einer neu gewählt wurde. Im 1. Jahr seiner Amtsführung war er zweiter, im 2. Jahr regierender Bürgermeister. Jeder geeignete Bürger war in den Rat wählbar. Dieser Verfassung ist es zuzuschreiben, daß in den ganzen 500 Jahren ihres Bestehens ernstere Kämpfe zwischen Rat, Patriziat, Ämtern (Zünften) und Bürgerschaft kaum vorgekommen sind. Gleichwohl ist das Amt der Bürgermeisters fast ausschließlich mit Angehörigen des Patriziats besetzt worden, das später hauptsächlich aus Hansegroßkaufleuten bestand. Auch sonst behielt das Patriziat eine vorherrschende Stellung. Den Ämtern und der Gemeinheit stand in dem Kollegium der Zwölfe ein Organ zur Verfügung, durch welches sie ihre Meinungen dem Rate jederzeit vortragen konnten. An der Spitze der gesamten Ämter stand seit dem Anfang 16. Jh. ein Großrichtmann, aber auch der Vorsteher der Gemeinheit, die die nicht in den Ämtern organisierten Gewerbetreibenden umfaßte, führte diese Amtsbezeichnung.

Die Börde, das Landgebiet, zerfiel (seit etwa 1506) in die je fünf alte Kirchspiele umfassende Ober- und Niederbörde. Friedrich der Große beseitigte 1752 diese alte Verfassung. 1752-1809 hatte Soest einen Rat aus 13 lebenslänglich beamteten Mitgliedern. An der Spitze stand ein Stadtpräsident. Der Rat zerfiel in ein Justiz- und ein Polizeidepartement; jedes unter dem Stadtpräsidenten von einem Bürgermeister verwaltet. Die Mitglieder des 1752 bestellten Rates hatte Friedrich der Große persönlich ernannt. Später gab er der Stadt das Wahlrecht zurück, das dann durch die im Amte stehenden Magistratsmitglieder und die 6 Hofeskapitäne (Vorsteher der 6 Höfen) ausgeübt wurde, und behielt sich nur die Ernennung des Stadtpräsiden-ten vor.

1809 wurde mit der Zugehörigkeit zum Großherzogtum Berg die französische Munizipalverfassung mit einem Maire an der Spitze eingeführt, die mit veränderten Bezeichnungen bis 1835 bestand: seit dem 18.03.1835 (Einführung der Revidierten Städteordnung von 1831) ist die Organisation der Stadtverfassung gleich der aller westfälischen Städte. [1]

Gericht

Im 12. Jhdt, nach der Lösung aus dem Gauverbande, bestanden in der Stadt 3 Gerichte: das des Schultheißen, das des Vogtes und das des Propstes. Schultheiß und Vogt für die weltliche, Propst für die geistliche Gerichtsbarkeit. Der Unterschied in der Zuständigkeit der beiden weltlichen Gerichte ist nicht klar, jedoch war der Vogt der oberste weltliche Stadtrichter. Im 12. Jhdt. bestand daneben auch für die Stadt noch konkurrierend die Gerichtsbarkeit des Gaugrafen. Als Schöffenkolleg scheint im 13. Jhdt. der Gemeinderat fungiert zu haben, ein besonderes Schöffenkollegium gab es nicht.

Im 13. Jhdt. bestand daneben noch in jeder Hofe für leichte Vergehen und Marktsachen das Institut des Burrichters, der ein Gemeindebeamter war und außerhalb der sonstigen Geriehtsorganisation stand. Um 1300 verschwindet es.

Aus der Gerichtsbarkeit des Schultheißen scheint sich um 1300 ein Stadtrichteramt gebildet zu haben, dessen Inhaber seit der Schrae meist Großrichter genannt wird. Dieses Amt wurde mehrfach tatsächlich in einzelnen Familien erblich. Geriet so die Gerichtsbarkeit des Schultheißen in städtische Hände, so ist Ähnliches auch mit der Gerichtsbarkeit des Vogtes geschehen. Das Amt des Vogtes ging von den Grafen von Arnsberg aus, die 1279 die Vogtei an die Stadt verkauften. Daraus entstanden Verwicklungen mit dem Erzbischof von Köln, die 1281 durch eine Vereinbarung dahin geregelt wurden, daß der Erzbischof hinfort aus den städtischen Bürgern den Großrichter ernannte. In dessen Amt scheinen schließlich die alten Befugnisse des Schultheißen und des Vogtes mit Ausnahme der hohen Gerichtsbarkeit zusammengeflossen zu sein. Von da ab sind 2 Gerichte in der Stadt erkennbar, das des Großrichters, auch Gericht der 4 Bänke genannt, und das die höhere Instanz bildende Gericht des Rates. Der Rat übte die Blutgerichtsbarkeit aus; bei Todesurteilen schloß sich ein formales Nachverfahren vor dem Großrichter an. Das Gericht der 4 Bänke tagte regelmäßig die ersten Jhdte. unter freiem Himmel. Im Behinderungsfalle wurde der Großrichter durch einen der beiden Erbfronen vertreten, die der Rat ernannte.

Die staatsrechtliche Veränderung der Stellung der Stadt seit der Soester Fehde änderte an der Gerichtsorganisation nichts. Das Gericht der 4 Bänke war unbedeutend, der Schwerpunkt der Rechtspflege lag beim Ratsgericht. Seit 1669, mit dem Sinken der Stadt, setzte der Große Kurfürst in bestimmten Fällen zivilprozessualer Art die Möglichkeit einer Appellation gegen den Spruch des Ratsgerichts an das Hofgericht in Kleve durch.

Die Gerichtsorganisation, die vorstehend nur in großen Zügen wiedergegeben ist, hat bis 1752 bestanden. Von da ab trat bis 1812 an die Stelle des Ratsgerichts im ganzen mit gleicher Zuständigkeit das „Stadtgericht", das Justizdepartement des Magistrats; das Gericht des Großrichters blieb bestehen. Vor auswärtige Gerichte durften seit 1310 Soester Bürger nicht mehr gezogen werden. Auch von der Feme waren die Soester Bürger eximiert. Mit dem Erwerb der Freigrafschaften Rüdenberg 1328, Heppen 1368 und Epsingsen 1594 hatte der Rat sämtliche Stühle in seinem Gebiete an sich gebracht. Zugunsten des Ratsgerichts schränkte er aber die Zuständigkeit der Freistühle derartig ein, daß sie schließlich fast nur noch für Grenzstreitigkeiten in Frage kamen. Seit 1815 bestand ein Land- und Stadtgericht für Soest und Börde, die alte Gerichtsorganisation der vorfranzösischen Zeit lebte nicht wieder auf. [2]

Fußnoten

  1. Literatur: von Klocke, Patriziat und Stadtadel im alten Soest, in: Pfingstblätter des Hansischen Gesch.-Ver. (1927). Ders., Die älteste Soester Stadturk., in: Zeitschr. des Ver. für die Gesch. von Soest und der Börde, Heft 42/43 (1927). H. Rothert, Die ältesten Stadtrechnungen von Soest, in: Westfälische Z. 101/102 (1953).
  2. Literatur: Rothert, Ein Beitrag zur Gerichtsverfassung der Stadt S. (Diss. 1900). von Brünneck, Gesch. der Soester Gerichtsverfassung, in: Z. der Savignystiftung, Germanist. Abt. 46 (1912). Das Soester Nequambuch, hg. von der Hist. Komm, der Prov. Westfalen (1924). Das Femgerichtsbild des Soester Stadtarch. (eingeleitet von Amira), 1927. W. Ebel, Die alte und die neue Soester Schrae, in: Z. für Rechtsgesch., germ. Abt. 70 (1953).