Rennofen in Westfalen

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Nachgebauter Schachtofen ohne Mulde als Rennfeuerherd aus Lehm, 1,5 m hoch, flaschenförmiger Querschnitt, Durchmesser unten 1,2 m

Mythos Eisen

[1]Vor etwa 3000 Jahren wurde das Metall Eisen zu einer der wichtigsten materiellen Grundlagen der europäischen und asiatischen Kultur. Die frühen Zivilisationen verwendeten Eisen aus dem Weltall. In den auf die Erde fallenden Meteoren tritt Eisen häufig in so hoher Konzentration und chemischer Reinheit auf, dass daraus direkt Waffen und Werkzeuge geschmiedet werden konnten.

Die Sumerer nannten Eisen aus diesem Grunde »Metall des Himmels* Die Kelten glaubten, dass die Einführung des Eisens das Zeitalter der Feen, Elfen und anderer magischer Wesen beendet habe. Bei allen kaukasischen Völkern galt Eisen als das Metall, mit dem man Kranke und Verwundete auf magische Art heilen könne. Ort der Behandlung war die Schmiede. Seine Härte und Dauerhaftigkeit machten das Eisen zum Symbol der Stärke, der Unbeugsamkeit im guten wie im schlechten Sinne. Eisen und Stahl galten als magische Abwehr - und Schutzmittel gegen Dämonen und ihre bösen Einwirkungen. Der genaue Beginn der Erzeugung von Eisen und Stahl liegt im geschichtlichen Dunkel. Die ältesten Eisenfunde stammen aus dem Gebiet zwischen Ägäis und Aserbeidschan und reichen bis ins 3. Jahrtausend v. Chr. zurück. Man vermutet heute, dass die Technik der Eisenverhüttung in Europa durch wandernde Volksstämme weitervermittelt wurde. In südöstlicher Richtung erreichte die Kunst der Eisenverhüttung Indien, wo sie eine besondere handwerkliche Blüte erreichte.

Eisenverhüttung

In der Erdkruste kommt das Element Eisen in reiner Form kaum vor. Hauptsächlich existiert es in Eisen-Sauerstoffverbindungen. Eisenoxide wie Roteisenstein (Hämatit), Brauneisenstein (Limonit) oder Stahlstein (Siderit) werden zur Eisengewinnung abgebaut. Um Eisen zu gewinnen, muss das Metall aus eisenhaltigen Erzen heraus geschmolzen werden. Diese Trennung des Eisens von den erdigen Bestandteilen und vom Sauerstoff wird Eisenverhüttung genannt.

Direkt schmiedbares Eisen

Grundsätzlich machte die Verhüttungstechnik drei Stadien durch: Von den Anfängen bis zum Ende des Mittelalters fand der Schmelzvorgang in Europa in kleinen Rennöfen (Schachtöfen) unter Zuhilfenahme von Holzkohle statt. Das sogenannte Luppeneisen war in jedem offenen Herd- oder Schmiedefeuer direkt schmiedbar nach Bedarf zu Waffen, Werkzeugen oder Geräten.

Nicht schmiedbares Eisen

Wasserrad getriebene Gebläse, die im Eisenhüttenwesen ab dem 13. Jahrhundert eingesetzt wurden, ermöglichten später den Bau von Hochöfen. Holzkohle diente als Brennstoff und als Reduktionsmittel. Das Roheisen fiel in flüssiger Form an. Dieses Eisen war jedoch nicht schmiedbar.

Nach Entkohlung schmiedbar

In einem zweiten Arbeitsgang wurde es entkohlt und so für eine weitere Verarbeitung vorbereitet.

  • Ende des 18. Jahrhunderts ging man vom Brennstoff Holzkohle zum Brennstoff Steinkohle über.

Produktionsgleichung

ERZ + HOLZKOHLE + ZUSCHLÄGE (oder Möllerung) = ROHEISEN + ABGASE + SCHLACKE

Direkte Eisenerzeugung in Rennöfen

In kleine Schachtöfen aus Lehm entwickelte sich allmählich die Technik der Eisenverhüttung in den Wäldern. Diese Rennofenverhüttung ist die älteste bekannte Methode der Eisenverhüttung. Der Name der Schmelzöfen wird vom Zerfließen der Schlacke abgeleitet, die aus dem Ofen rinnt.

In Mitteleuropa ist die Eisenverhüttung archäologisch etwa seit 1000 bis 500 v. Chr. nachweisbar. Im Siegerland und im Lahn-Dill-Kreis stammen die frühesten Bodenfunde von Rennfeueröfen und Schlackenhalden aus einer Zeit von 500 bis 100 v. Chr.

Im Sauerland lassen sich Hüttenplätze über Keramikdatierungen seit dem 11. Jahrhundert nachweisen. Hier finden sich nach Anlage und Arbeitsweise zwei Typen von Rennfeueröfen, nämlich der eingemuldete Schachtofen und der flache Rennfeuerherd. Beide Ofenformen wurden aus Lehm und großen Steinen errichtet.

Die Technik der Rennöfen

Rennöfen hatten eine Höhe von 1,00 -1,50 Metern. Das zerkleinerte Erz gab man zusammen mit der Holzkohle von oben in den Ofenschacht auf. Bei 800 -1000° C wurde den metallhaltigen Stoffen der Sauerstoff entzogen, ohne d ass ein wirklicher Schmelzvorgang des Eisens stattfand. Lediglich die erdigen Bestandteile verflüssigten sich und liefen durch eine Öffnung als Schlacke aus dem Ofen.

Die Eisenteilchen schweißten zu einer teigigen Masse, der sogenannten Luppe, zusammen, die mit Werkzeugen glühend aus dem Ofen gebrochen werden musste. Die Rennöfen blies man durch einen Windstrom an, der durch muskelbetriebene Blasebälge beziehungsweise durch Hangaufwinde erzeugt wurde.

Die noch im Eisenklumpen eingeschlossene Schlacke trieb man durch Hammerschläge aus, und man erhielt schmiedbaren, zur Weiterverarbeitung geeigneten Stahl.

Eisenerzvorkommen (Bergbau, Raseneisensteingruben), Kohlenmeiler (Köhlerei), Hüttenplätze (Verhüttung) und Schmieden lagen zu dieser Zeit möglichst nahe zusammen, um beschwerliche Transportwege zu vermeiden.

Rennöfen im Kreis Olpe

Der Kreis Olpe liegt in einem bedeutenden mittelalterlichen Eisenhüttenbezirk. Das holz- und wasserreiche Gebiet wird von oberirdischen Erzadern durchzogen, deren Eisengehalt 50 - 60 % erreicht. Es konnten bislang 81 mittelalterliche Eisenschmelzen ermittelt werden. Weitere Funde können in den Altsiedlungslandschaften zwischen Elspe, Attendorn und Meggen erwartet werden.

Gußeisen, historische Kaminplatte
im mittelalterlichen Rathaus zu Wildeshausen

Bislang sind drei Bezirke der Eisenverhüttung im Kreis Olpe erkennbar.

  • Ebbe bei Attendorn:
    • In diesem Gebiet fand man 20 Rennfeuerplätze. Sie liegen im Einzugsgebiet der Nuttmecke an Siepen und Bächen. Auf einem Rennfeuerplatz bei Keuperkusen führte man eine archäologische Grabung durch. Hier fand man einen sogenannt flachen Rennofentyp.
  • Veischedetal:
    • Der Bezirk weist 31 Standorte alter Eisenschmelzen auf, die sich bis auf vier im Gebiet um Oberveischede konzentrieren. Auch hier liegen die Plätze in Quellmulden und an Siepen.
  • Obere Bigge:
    • Hier konnten bisher 30 Rennfeuerplätze ausfindig gemacht werden. Gezielte archäologische Grabungen führte man an der Wilmicke/Gerlingen, Altenhof/Wenden sowie am Singerborn/Hünsborn durch.

Die archäologischen Untersuchungen zeigten, dass in allen drei Bezirken flache Rennfeuerherde mit kurzem Mantelschacht und vorgelagerter Schlackenvormulde angelegt worden sind. Zumeist fanden sich auch Erzröst- und Schmiedefeuer zur Vor- und Nachbereitung der Schmelze.

Stückofen

Durch weiter und höher gebaute Öfen mit vergrößerter Schmelzmasse und erhöhter mechanischer Luftzufuhr konnten Stücköfen (Blaseöfen) die Rennfeuer ersetzen. Die Ofenhöhe stieg auf bis zu fünf Meter an, so dass an Stelle der vorherigen Lehmschürzen der Rennfeuer nun ein stabiles Sandsteinmauerwerk notwendig wurde. Die Entwicklung vollzog sich über mehrere Generationen hinweg zeitlich und örtlich unabhängig voneinander. Von daher läßt sich auch die "Erfindung" des Gußeisens, welches in den Öfen erzeugt werden konnte, nicht genauer ermitteln (15.Jahrhundert?). Wir kennen bei uns Ofen-, Kamin- und Grabplatten ab dem 16. Jahrhundert.

Wasserrad getriebener Blasebalg vor der Düsenöffnung der Windseite Wenden.

Floßöfen, Vorstufe der Eisenhochöfen

Im Sommer 1992 gelang bei archäologische Grabung an der Kerspetalsperre im Sauerland (Kierspe) die Freilegung von zwei Floßöfen im oberen Staubereich der Kerspetalsperre. Beide Öfen hatten einen runden Grundriss und Außenmaße von unter 3 m. Ihre Innenwand war 1,25 bzw. 1,75 m hoch erhalten geblieben.(Deren ursprungliche Höhe könnte vergleichsweise bei etwa 4 1/2 bis 5 Metern vermutet werden)

In beiden Öfen war das Gestell noch vollständig, und bei einem Ofen konnte die Windseite, in der die Öffnung für die Blasebalgdüsen noch vorhanden war, dokumentiert werden. Das Forscherteam datierte einen Ofen auf die Zeit zwischen 1205 und 1300, den anderen auf die Zeit zwischen 1290 und 1395.

Ein Wassergraben, der das Wasser für das Gebläserad lieferte, konnte in seinem Verlauf bis in eines der Nebentäler der Kerspe verfolgt werden. Die Bauweise der beiden Öfen legt die Vermutung nahe, dass sie aus Rennöfen des hohen Mittelalters weiterentwickelt worden sind. Damit liegt die Vermutung nahe, dass die Technik der Eisenverhüttung eine Phase, nämlich die der Stück- oder Wolfsöfen, welche für andere Regionen zu dieser Zeit oder später (15./16. Jahrhundert) angenommen wird, übersprungen haben könnte.

Weg zur indirekten Eisenerzeugung

Der Einsatz von Wasserrädern leitete allgemein eine große technische Veränderung ein. Wasserkraft getriebene Blasebälge steigerten die Hubkräfte und damit den erzeugten Luftstrom, so dass die Öfen vergrößert und mehr Erz bei höheren Temperaturen erschmolzen werden konnten. Die größere Hitze hatte zur Folge, dass neben der Schlacke nun auch das Eisen in flüssiger Form anfiel Durch diese Verflüssigung reichert sich das Eisen im Floß- und Hochofen hochgradig mit dem Kohlenstoff der Holzkohle an. Diese Kohlenstoffsättigung (2,2 % - 5 %) führt dazu, dass das flüssige Eisen nach dem Erkalten hart, spröde und nicht verformbar war. Wollte man das Roheisen weiter verarbeiten, so musste es „gefrischt" werden, das heißt durch Sauerstoffzufuhr musste der Kohlenstoffenteil reduziert werden. Die Verflüssigung des Eisens erbrachte mehrere bedeutende technische Veränderungen:

  1. Wegen der besseren Trennung von Eisen und Schlacke konnte die Ausbeute der aufgegebenen Erze optimiert werden.
  2. Man konnte das Eisen in Abständen ausfließen lassen (abstechen) und die ständig neu aufgefüllten Öfen wochen- und monatelang ununterbrochen betreiben.
  3. Der kontinuierliche Betrieb erhöhte die allgemeine Produktionskapazität.
  4. Der Eisenguss wurde möglich.

Fußnoten

  1. Artikelquelle: Mehrere Besuche mit Führungen im Museums und technischen Kulturdenkmal Wendener Hütte in Wenden

Literatur