Landkreis Leobschütz/Adressbuch 1935/Beschreibung der Stadt Katscher

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Beschreibung der Stadt Katscher

Die Stadt Katscher ist im südlichen, landwirtschaftlich fruchtbarsten Teile des Kreises Leobschütz, etwa 2 Kilometer von der tschechisch-slowakischen Grenze gelegen. Aus vorgeschichtlichen Bodenfunden, wie Urnen, Steinbeilen, Schmuckringen, Wohngruben usw., geht hervor, daß Katscher und Umgebung schon zur Urzeit besiedelt war. In den ersten Jahrhunderten christlicher Zeitrechnung wohnte in dieser Gegend, welche Durch gangsland von den römischen Donauprovinzen in die germanischen Länder war, der germanische Volksstamm der Vandalen. Als zur Zeit der Völkerwanderung der größte Teil der Vandalen nach Süden und Westen zog, rückten Slawen nach, bis um etwa das Jahr 1250 herum deutsche Siedler wieder hereinströmten.

In Urkunden wird Katscher, welches früher auch die Namen Ketscher, Ketcer und Keczer führte, zum ersten Male im Jahre 1031 genannt. König Ottokar II., welcher von 1253-1278 regierte und auch Herr des Troppauer Landes einschließlich Katscher war, belehnte etwa 1255 den Bischof Benno von Schauenburg in Olmütz mit dem Hotzenplotzer Ländchen. Er ließ in Katscher einen großen Mühlbetrieb mit fünf Räder werken und einen Fischteich anlegen. Unter Bischof Konrad I. wurde 1321 Katscher Stadt. Die Verleihung des Stadtrechtes bedeutete für die Bürger Befreiung von der Erbuntertänigkeit, Gewährung des Marktrechtes und Verleihung der Zunftverwaltung. Die Stadt entwickelte sich nur langsam und wurde, obwohl an dem Handelstraßenzug Troppau - Cosel am Übergang über die Troja gelegen, nicht durch Mauern befestigt, jedoch bot im Süden der Stadt ein dort bogenförmig die Stadt umschließender Hohlweg, noch heute Stadtgraben genannt, einigen Ersatz für einen Wallgraben. Nach der Stadt seite zu verliefen parallel mit dem Mühl- und Stadtgraben aufgeworfene Erdschanzen, welche die Stadt ringartig umschlossen. Die Schanzen sind in der Richtung des heutigen Stadtgrabens von der kleinen Mühle bis zur Kreuzkirche verlaufen; sie zogen sich dann hinter den Gärten, welche an die Widmut grenzten, entlang. In der Richtung der Graf-Gaschin-Straße hatten die Schanzen ihre Fortsetzung bis zur kleinen Mühle.

1389 werden mit einer Urkunde Richter, Ratsmänner und Geschworene erwähnt, ein Beweis, daß die Stadt zum Teil eigene Gerichtsbarkeit besaß. Im gleichen Jahre gestand Bischof Nikolaus von Olmütz den Bürgern der Stadt, welche keine Söhne und Töchter hatten, freies Testamentsrecht zu. Im Jahre 1391 vergibt der Bischof das Dorf Flustmaß (Stolzmütz) in der Nähe von Katscher als Lehen, wobei in der Lehensurkunde die Ritter Herbodus und Hannus Saxo de Keczer als Zeugen aufgeführt werden. 1538 erbitten in einer Urkunde Bürgermeister und Schöffen von Bischof Stanislaus das Recht des Weinausschankes und das Braurecht, welche ihnen auch bewilligt werden. Für dieses Recht des Bierbrauens und Weinschankes wurden gewisse alte Robotpflichten neu festgesetzt. In das Braurecht teilten sich 64 Stellenbesitzer, die schon als vollberechtigte Bürger ansässig waren. Diese und ihre Nachfolger waren die Großbürger, die später hinzugekommenen Besitzer die Kleinbürger.

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts war Lehnsträger von Katscher Niklas Klema von Lhota, dessen Tochter sich mit Niklas Gaschinsky von Gaschin vermählte.

Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurde Katscher des öfteren von Feuersbrünsten heimgesucht. Im 30jährigen Kriege wurde die Stadt von den Schweden in Brand gesteckt und vollkommen verwüstet. 1694 vernichtete ein größerer Brand auch die Kirche und Pfarrei. 1742 kam das mährische Gebiet Katscher zu Preußen.

1759, 1829 und 1840 vernichteten große Brände zahlreiche Häuser der Stadt; bei letzterer Feuersbrunst wurden allein über 100 Besitzungen eingeäschert.

1848 fiel ein großer Teil der Bewohner einer Typhusepidemie und 1866 einer Cholera¬epidemie zum Opfer.

1877 fiel die Herrschaft Katscher durch Heirat mit der Gräfin Wanda Gaschin an Hugo Reichsgrafen von Henckel-Donnersmarck, dessen Nachkommen bis zurzeit auch im Besitz der Herrschaft geblieben sind.

Heute ist Katscher einschließlich der 1921 eingemeindeten Ortsteile Fürstlich Langenau, Lehn-Langenau und Neukatscher eine Stadt von 9032 Einwohnern, deren Handel und Gewerbe durch die Abtretung des Hultschiner Ländchens stark gelitten haben. Vorherrschend ist die Plüsch-, Krimmer- und Teppich-Industrie, welche aus früheren Leinen¬webereien hervorgegangen ist und auch zahlreichen Heimarbeitern Beschäftigung bietet. Von den fünf vorhandenen Fabriken mußtenzwei wegen der ungünstigen Wirtschaftslage geschlossen werden. An sonstiger Industrie sind zu nennen: ein Gipswerk, eine Dampf¬mühle und zwei Dampfziegeleien.

Katscher ist Sitz eines Amtsgerichtes, eines Postamtes, eines Katasteramtes, eines Zollamtes, einer Nebenstelle des Arbeitsamtes Neustadt OS., einer Gendarmerie-Abteilung und einer Arbeitsdienstabteilung. An Kirchen sind zu nennen: die katholische Pfarrkirche, die katholische Kreuzkirche, die Klosterkirche der Franziskaner-Missionärinnen Mariens, die Hauskapelle der Pallottiner, die evangelische Kirche und eine Synagoge, an Sehenswürdigkeiten die Marienstatue am Ring 1730, die Floriansstatue auf dem Marktplatz 1734 und das Kriegerdenkmal. Eine städtische Realschule, die in einem zeitgemäßen Neubau untergebracht ist, das Dr. Funkesche Pädagogium, die Missionsschule der Pallottiner, eine staatliche Webereilehrwerkstätte, drei katholische Volksschulen und je eine gewerbliche, kaufmännische und landwirtschaftliche Berufsschule sorgen für Ausbildung der Bevölkerung. An Wohlfahrtseinrichtungen sind vorhanden das Kanonikus Ullrichsche Krankenhaus, das katholische Kinder-Hospital und zwei Kleinkinderschulen.

Zur Beseitigung der großen Wohnungsnot hat die Stadt in der Nachkriegszeit zahlreiche Wohnungen in verschiedener Größe gebaut. Die Stadt besitzt ein eigenes Gaswerk, ein 1929 in Betrieb genommenes neuzeitlich eingerichtetes Wasserwerk und wird von der Schaltstation Katscher des Äberlandeswerkes Oberschlesien über vier Transformatorenstationen mit elektrischer Energie versorgt. Ein 10000 Quadratmeter großer Sportplatz sorgt für die Ertüchtigung der Jugend.

Die im Jahre 1910 geschaffene Promenadenanlage mit Pavillon auf der Anhöhe hinter dem Spielplatz bietet den Bürgern eine angenehme Erholungsstätte. Nähere Spaziergänge fuhren nach dem Schmackschen Wäldchen und dem Gipswäldchen mit staatlich anerkanntem Naturschutzgebiet, weitere Ausflüge in das leicht erreichbare Altvatergebirge mit seinen zahlreichen Naturschönheiten.