Landkreis Leobschütz/Adressbuch 1935/Beschreibung der Stadt Bauerwitz

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Beschreibung der Stadt Bauerwitz

Die Kleinstadt Bauerwitz liegt an der Grenze dreier Sprachgebiete zu beiden Seiten des Zinnaflusses längs der Ratiborer-Leobschützer Chaussee. Es ist wohl mit Gewißheit anzu¬nehmen, daß dieses Städtchen von Bawor von Strakonitz, dem angehörigen eines uralten und angesehenen Burggrafengeschlechts in Böhmen, gegründet wurde. Er war von 1255 bis 1391 der Besitzer des Ortes Bauerwitz, böhmisch Baborow oder Baworow. Bawor von Strakonitz hatte dieses Grenzgebiet sicherlich als Lohn für irgendeinen Verdienst zum Zwecke der Besiedlung oder Neu¬besetzung erhalten. Wahrscheinlich ist dann im königlichen Auftrage zum Schutz der nach Polen führenden wichtigen Handelsstraße der Ort Bauerwitz gegründet worden. Urkundlich wird Bauerwitz als Stadt zum erstenmal im Jahre 1296 erwähnt. In der Folgezeit war dieser Ort zu einem Marktflecken herabgesunken. Im Jahre 1718 erhielt Bauerwitz vom Kaiser Karl VI. die Rechte einer Mediat-Stadt. Damit war die Befreiung von der Fronpflicht verbunden. Ursprünglich gehörte Bauerwitz dem Herzogtum Troppau, seit 1377 dem Fürstentum Jägerndorf an. Von 1340 bis 1810 war das Jungfrauenstift der Dominikanerinnen in Ratibor der Besitzer des Ortes Bauerwitz und einiger umliegenden Dörfer. Die alten Urkunden und Schriften berichten, daß die Gegend um Bauerwitz herum ein Waldgebiet gewesen ist. Die robotpflichtigen Bewohner hatten durch Nieder¬schlagung des Waldes und Urbarmachung des Bodens ertragfähiges Kulturland geschaffen. Das wirtschaftliche Leben der Stadt Bauerwitz weist überwiegend landwirtschaftliches Gepräge auf. Das der Landwirtschaft zur Benutzung stehende Areal umfaßt etwa 2158 ha Ackerland und etwa 68 ha Wiesenfläche. Der Boden ist bei guter Pflege ertragreich. Es werden hauptsächlich Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Kartoffeln, Klee und Zuckerrüben angebaut. In früheren Zeiten standen hierorts Handwerk und Gewerbe in hoher Blüte. Insbesondere gab es hier mehrere Mälzereien, Brauereien, viele Webereien, Messerschleifereien, Schuhmacher, Kürschner, Gerber, Riemer, Seiler und eine Orgelbaufabrik. Die landwirtschaftlichen und gewerblichen Erzeugnisse fanden auf den Märkten des Ortes selbst und der umliegenden Städte und Marktflecken guten Absatz. In den letzten Jahrzehnten erlitt so manches Gewerbe schwere Rückschläge, die sogar zur Vernichtung einzelner Gewerbezweige führten. Die noch zweimal im Jahre stattfindenden Märkte unterscheiden sich in jeder Hinsicht recht stark von den Jahrmärkten früherer Zeiten. An Industriebetrieben sind hierselbst vorhanden: eine Zuckerfabrik, drei Ziegeleien, eine Kartoffelflockenfabrik, zwei Dampfmühlen, eine Mälzerei, eine Töpferei, eine Kachelofenfabrik und eine Molkerei. Gegenwärtig befinden sich hierorts der Gartenbau und die Glashauskultur in hoher Blüte. Die größte Gemüsegärtnerei umfaßt eine Fläche von 4 ha. Die Garten¬bauerzeugnisse werden im Großhandel nach allen Richtungen versandt. Die Stadt besitzt eine Gasanstalt. Die elektrische Stromversorgung erfolgt durch das Überlandwerk Oberschlesien. Bauerwitz ist ein Eisenbahnknotenpunkt. Es führen Eisenbahnlinien nach Ratibor, Leobschütz, Heydebreck und Troppau.

Die Stadt zählt zur Zeit 4347 Einwohner. Davon sind 4219 katholisch, 124 evangelisch, 4 jüdisch. Die katholische Kirchengemeinde gehört der Diözese Olmütz, der evangelische Volksteil der Parochie Leobschütz an. Seit dem 1. April 1928 ist die anliegende Dorfgemeinde Jernau eingemeindet. Die deutsche Sprache ist vorherrschend; die mährische und polnische ist fast ganz zurückgedrängt worden. [...] Die Bauart der Stadt weist zum großen Teil ländlichen Charakter auf, indem viele Häuser der Straße die schmale Seite zuwenden und durch Einfahrten von einander getrennt sind. Bemerkenswerte Gebäude innerhalb der Stadt sind: das Rathaus, in dem sich das Amtsgericht befindet, die katholische Pfarrkirche, die prächtige katholische Schrotholzkirche (1702), die zwei Volksschulen mit 15 Klassen und 15 Lehrpersonen, die ganz neue Stadtsparkasse. In der Mitte des dreieckigen Marktplatzes steht seit 1897 eine Mariensäule und an der Bahnhofstraße ragt inmitten einer Anlage seit demselben Jahre ein Denkmal des Kaisers Wilhelm I. empor.

[...][1]

Anmerkungen
  1. Vorgenommene Kürzungen betreffen politisch motivierte Aussagen.