Gerichtswesen (Fürstbistum Münster)

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Jurisdiktion

Ein geradezu chaotisches Bild bieten uns bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Jurisdiktionsverhältnisse des Fürstbistums Münster. So sind Untergerichte teilweise in landesherrliche Besitz, ein grosser Teil im Besitze des Domkapitels oder in einer anderen lokalen Gewalt. Selbst die höhere Gerichtsbarkeit lag nur teilweise in der Hand des Fürstbischofs. Vor ihn und seine Räte gehörten wohl nur die höhere Gerichtsbarkeit und die Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ausserdem suchten beim Fürsten zeltweise die von der Gerichtsbarkeit befreiten (Eximierten) ihr Recht, bis sie später dem Hofgericht zugeteilt wurden.

Konkurrierende Gerichtsbarkeiten

Eine konkurrente Gerichtsbarkeit in Zivilsachen mit den Untergerichten übte auch das eigentlich rein geistliche Offizialat-Gericht aus.

Appelation

Die Appelation von den Untergerichten ging nicht an eine landerherrliche Instanz, sondern an den Stuhl zu Sandwelle, dem grossen Gogericht im Amt Horstmar.

Variable Zustände

Die Gerichte wurden ganz oder auch in kleinen und kleinsten Teilen verlehnt, veräussert, verpfändet, durch Gewalt verloren, vererbt, wiedererworben und wiederverpfändet, je nach der politischen Lage und dem Geldbedarf der Gerichtsherren. Die Bezirke änderten sich daher häufig, die Zuständigkeitsgrenzen verwischten sich weitgehend. Nicht nur dass manche Richter zugleich das Gogericht und das Freigericht bekleideten, vielleicht dazu auch noch weitere Gerichte, sondern auch die Gerichts (Ding-) stätten waren die gleichen oder lagen doch nahe beieinander. Dazu kam die Unmenge verschiedener Gerichte von grösserer oder kleinerer Bedeutung, von denen viele bestrebt waren, die Grenzen ihrer Zuständigkeit in jeder Hinsicht soweit wie möglich zu ziehen, während die Gerichtsherren bemüht waren, möglichst viel Gefälle aus ihren Gerichten zu ziehen.

Gerichtsvarianten

Da gab es

Gerichte im Fürstbistum

Veränderungen und Reformbemühungen

Das Gesetz Carls V. über die Handhabung des Peinlichen Gerichts von 1530 und 1532 (Beachtung bei Protokollen zur Hexenverfolgung) und das römische Recht hatten allmählich überall Eingang gefunden und eine weitere Stärkung der landesherrlichen Gewalt zur Folge, indem nunmehr die Gerichte mit juristisch vorgebildeten Richtern von den Landesherren besetzt wurden.

Mit Zustimmung des Landtages zog der Fürstbischof von Münster zu den Beratungen über die Reform der Jurisdiktion zwei Sachverständige von der Ritterschaft, das Domkapital sowie den Bürgermeister und Rat der Stadt Münster hinzu. Nach lan-gen Beratungen nahm man die "Reform des geistlichen Offizialat-, auch Hof- und Landgerichts und andere gemeine Ordnungen" an, welche am 31.10.1571 untersiegelt wurden. Am 2.6.1572 fand - und zwar wegen eingetretener Differenzen zwischen Bischof, Domkapitel und Stadt Münster - in Horstmar die feierliche Installation des weltlichen Hofgerichts als höchster Zivilinstanz statt. Erst am 19.10.1573 wurde das Hofgericht, nachdem es am 3-9.1572 schon einmal nach Rheine verlegt worden war, endgültig an seinem eigentlichen Sitz in Münster gefestigt.

Der Kanzler Dr. Wilhelm Steck, seit 1562 an der Spitze der fürstlichen Kanzlei, verfasste unterm 06.04.1572 das "Privilegium patriae", welches die Erbrechte des fürstlichen Lehnsadels, der Bürger und der Besitzer in Stadt und Land regelte, weiter die Hofgerichts- und die Landgerichtsordnung.

Hofgerichtsordnung von 1571

Die Hofgerichtsordnung vom 31.10.1571 (neu verkündet am' 17.04.1617) galt für sämtliche, in bürgerlichen und peinlichen Fällen urteilende stiftischen Gogerichte, Landgerichte, Freigerichte, Kriminalgerichte und andere Gerichte auf dem Lande.

Sie regelte die Besetzung der Gerichte mit Richtern, Schöffen, Ge-richtsschreibern, Prokuratoren und Boten, sowie deren Pflichten und Obliegenheiten, endlich auch das Prozessverfahren und dessen Kosten. Weiter enthielt sie nähere Vorschriften über die Abhaltung der Kriminal-, Frei-, Holz- oder Marken-, Gast-(Fremden-) und Bauerngerichte.

Hofgericht

Das Hofgericht war ausschliesslich erste Instanz für alle von der Gerichtsbarkeit befreiten (Eximierten), dies waren alle im Stift Münster eingesessenen Grafen, Herren, Ritter, Adelsleute, die fürstlichen Räte, Hofbeamten und Mitglieder des Hofgerichts, samt ihren Familien; die Amtsleute des Stifts, Gografen, Richter, Vögte und Frone in Sacher da sie "civiliter beclagt, irem Ampt nit genug noch sonst recht getan zu haben". Weiter war das Hofgericht erste Instanz für alle anderen weltlichen Standespersonen, auch Städte und Dörfer, Bauerschaften, Wigbolde, Gemeinden, Gerichte usw. des ganzen Stifts, sofern nicht sonst durch besondere Privilegien, Gerechtigkeiten, hergebrachte Gewohnheiten, Gebräuche und Verträge ständig vom Landesfürsten in erster Instanz eximiert und befreit waren.

Vor das Hofgericht gehörten auch alle Prozesse die der Fiskus von Amtswegen anstrengte.

Das Hofgericht hatte konkurrente Gerichtsbarkeit in erster Instanz in allen Zivilsachen - mit Ausnahme der Eximierten, welche ja ausschliesslich vor das Hofgericht gehörten- mit demgeistlichen Hof- oder Offizialatgericht und allen Untergerichten. "Praeventio fori" begründete die Zuständigkeit. Ausgenommen hiervon waren die Sachen aus dem Niederstift und dem Amt Bevergern sowie aus den Bezirken derjenigen Untergerichte des Oberstifts, denen das ausschliessliche Recht der ersten Instanz zustand, nämlich des Stadtgerichts Münster, des Domhof-Immunitätsgerichts und der vier domkapitularischen Gerichte Gogericht zur Meest, Gogericht Telgte, Gogericht zum Bakenfeld und Gogericht Senden.

Hofgericht als Appellationsinstanz

Das Hofgericht war Appellationsinstanz für alle Sachen der Hintergerichte, der Privatlehnhöfe, endlich in Fiskalsachen, wo eine präjudizielle Zivilfrage zur Sprache kam. Eine "summa appellabilis" war in den Ordnungen nicht festgesetzt. Die Appellation vom Hofgericht ging an das Reichsgericht, doch konnte auch bei der Regierung Revision eingelegt werden.

Gerichtspersonen und Strukturen

Als Advokaten wurden nur rechtsgelehrte, redliche Leute zugelassen, ebenso mussten die Prokuratoren "unverleumbte und dieser Ordnung erfahrene Personen" sein. Sie wurden eidlich verpflichtet und unterstanden der Diszipinargewalt des Gerichts. Der " Fiskal " hatte zunächst im allgemeinen die Interessen des Fiskus im Gericht zu überwachen; weiter sollte er alle Gerichtsgefälle, besonders die Strafgelder, einziehen und einmal jährlich im Beisein von Verordneten aus dem Domkapitel Rechnung legen. Er hatte selbständig und stets persönlich sein Amt zu versehen, im Krankheitsfalle konnte er nur durch einen vereidigten Prokurator vertreten werden. Von seinen Gefällen musste er kleinere Ausgaben sowie die Kosten der fiskalischen Prozesse bestreiten. Neben seinem Gehalt durfte er von den Parteien besondere Vergütungen nicht annehmen.Weiter waren beim Hofgericht ein Protonotarius und mehrere Notarien oder Aktuarien angestellt. [1]

Landes- und standesherrliche gesetzliche Grundlagen

Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem Königlich Preußischen Erbfürstenthume Münster und in den standesherrlichen Gebieten Horstmar, Rheina-Wolbeck, Dülmen und Ahaus-Bocholt-Werth über Gegenstände der Landeshoheit, Verfassung, Verwaltung und Rechtspflege, welche vom Jahre 1359 bis zur französischen Militair-Occupation und zur Vereinigung mit Frankreich und dem Großherzogthume Berg in den Jahren 1806 und resp. 1811 ergangen sind

Fußnoten

  1. Quelle: Oppenheim, Karl:Das Gerichtswesen im Münsterland (1954)