Garsden

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Disambiguation notice Garßden ist ein mehrfach besetzter Begriff. Zu weiteren Bedeutungen siehe unter Garßden (Begriffsklärung).
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Garsden Schrift.jpg


Blick auf die litauische Grenzstadt Garsden (lit. Gargždai)
Der Marktplatz von Garsden
Garsden Plan.JPG

Hierarchie


Einleitung

Garsden (auch Gargsden, lit. Gargždai, russisch ГорджGordsch) ist eine Stadt im Westen Litauens in unmittelbarer Nachbarschaft der Großstadt Memel und hat daher entgegen dem Trend bei kleineren Städten wachsende Einwohnerzahlen. Es hat den Status eines Stadtamtes (miesto seniūnija) in der Rajongemeinde Klaipėda. Durch den Ort fließt die Minge (Minija). Garsden liegt an der Autobahn von Klaipėda nach Kaunas und Vilnius. Garsden lag früher fast unmittelbar an der alten ostpreußischen-litauischen Grenze; das erste ostpreußische Dorf an der Grenze bei Garsden war Laugallen (heute litauisch Laugaliai). [1]

  • Garsden, 1736 Garßden, liegt jenseits der Grenze auf zemaitischem Gebiet. Der Ort wurde von "Erbfrey-Bauren" bewohnt und war "Chatoulland", also Waldbauernland

Name und Wappen

Garsden Wappen.jpg

Gargdzen, Gargsden, Gargzden, Garsden, Garsgden, Garzden [2]

zemaitisch Gargždā
polnisch Gorżdy
russich Гордж
Der Name bezieht sich auf die Beschaffenheit des Bodens.
Der Name Paschill bezieht sich einen Wohnort am Rande der Heide.

  • preußisch-litauisch "garždas" = Kies, Grand

"pašilas" = die Gegend an der Heide [3]

Das Wappen von Garsden zeigt einen Lorbeer-Kranz mit Schwert auf rotem Grund.


Kirchliche Zugehörigkeit

Die kath. Erzengel-Michael-Kirche in Garsden

Katholische Kirche

Die Kirche zum Heiligen Erzengel Michael (Šv. arkangelo Mykolo bažnyčia)

Eine erste Kirche wurde 1535 von der Großfürstin Bona Sforza in Garsden errichtet. Weil mit Radvilos die Kirchenältesten Anhänger der Reformation waren, wurde die Kirche geschlossen, und da man sich nicht mehr um den Kirchenbau kümmerte, begann das Gotteshaus zu verfallen.

Ab 1590 setzte sich Königin Anne Jogailaitė Batorienė (Ana Jagiełło) für die Rückkehr zum katholischen Glauben ein. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 begann man an der alten Stelle mit dem Bau einer neuen Kirche. Diese wurde im Jahre 1671 eingeweiht. Schon seit 1613 war Garsden Kirchspielort. Bis dahin gehörte die Ortschaft zur Kirchengemeinde Polangen. Beim großen Feuer 1786 brannte die Kirche ab. Schon 1791 wurde eine dritte Kirche errichtet.

Im Jahr 1806 gehörte die Kirche zum Dorf Weizen (Vėžaičiai).
1840 entstand eine gemauerte Kapelle mit einer Gruft, die als Mausoleum genutzt wurde. Von 1908 bis 1914 unterhielt die Gemeinde eine allgemeine Volksschule, für die eine litauisch-katholische Abstinenz-Gesellschaft (Gesellschaft für Mäßigung) die Patenschaft übernommen hatte.

Nach dem Einmarsch der Deutschen wurde am 22. Juni 1941 die Kirche niedergebrannt. Danach fand der Gottesdienst in einer Holzhütte statt. Von 1942 bis 1943 wurde ein Backstein-Pfarrhaus gebaut. In der Sowjetzeit war das kirchliche Leben stark eingeschränkt.

Bereits 1988 wurde mit den Planungen für den Bau einer neuen Kirche begonnen. Nur ein Jahr später wurden Vorbereitungsarbeiten an der historischen Stätte durchgeführt. 1990 konnte mit den Bauarbeiten angefangen werden. 1992 wurde die Kirche fertiggestellt und mit den Weihnachtsfeierlichkeiten eingeweiht. Entstanden ist ein postmoderner Bau mit einem seitlich gestellten Kirchturm mit steiler Spitze. Ein markantes Wahrzeichen sind vier hohe Säulen vor der Giebelfassade des Kirchenschiffs, die zu beiden Seiten einer angedeutenden, halbrunden Apsis stehen. [4]

Bewohner

Garsden Zoll 1921.jpg

Garsden hatte bis kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges eine litauisch-jüdisch-deutsch gemischte Bevölkerung.

Einwohnerzahlen

Jahr Einwohnerzahl davon Juden in Prozent
1847 648
1859 1.527
1897 2.470 1.455 59 %
1932 2.127 1.409 49 %
1959 1.527
2011 18.032

Grenzübergang
1921 gab es in Garsden noch Grenzkontollen. Das Foto (rechts) zeigt das Zollamt am Grenzübergang.
Ab 10. Januar 1923, gleichzeitig mit der Besetzung des Ruhrgebiets durch Frankreich und Belgien, besetzten über 1.000 bewaffnete Litauer im Handstreich („Klaipėda-Revolte”) das Memelland und die Stadt Memel. Offiziell wurde dies als interner memelländischer Aufstand bezeichnet, die Aktion wurde jedoch von Litauen aus mit einem „Schützenbund” und Mitgliedern regulärer Truppen durchgeführt, in Zivilkleidung, aber markiert mit Armbinden (MLS, lit. Mažosios Lietuvos sukilėlis, kleinlitauischer Aufständischer). Unterstützung aus dem Memelland war dabei vernachlässigbar. Ab Frühjahr 1923 entfielen die Grenzkontrollen.

Geschichte

König Sigismund II. Augustus
von Polen

Erste Erwähnung

Garsden (Gargždai) wird in diversen Geschichtsquellen als eine der ältesten Siedlungen Litauens erwähnt. Mehr als 750 Jahre sind seit der ersten Nennung vergangen. In dieser langen Zeit hatte die westlitauische Ortschaft verschiedene Funktionen inne. Sie war als Grenzstadt zugleich auch eine Handelsstadt, außerdem Sitz eines Adelshofes, das Zentrum einer Kirchengemeinde, sowie ein betriebsames Schtetl (der Begriff bezeichnet eine osteuropäische Gemeinde mit großem jüdischen Bevölkerungsanteil.

Ab dem 16. Jahrhundert wird der Adelshof Garsden (Gargždai) immer häufiger in historischen Quellen erwähnt. Die Urkunden dokumentieren die wechselnden Besitztumsverhältnisse. Als Vertreter der litauischen Großfamilien findet man unter den Besitzern die Namen Kejsgaila, Vaina, Radziwiłł, Sapieha und Oginsky. Sogar der polnische König und litauischer Großfürst Sigismund Augustus (Žygimantas Augustas), seine Mutter Bona Sforza sowie seine Schwester Ana Jagiełło werden als die Besitzer von Gut Garsden (dem Gargždai-Hof) bezeichnet.

Lubliner Union bis 2. Weltkrieg

Lubliner Union, ab 1569

Die enge politische Einheit Polens und Litauens mündete 1569 in die Realunion von Lublin, die das Ende des eigenständigen Litauens bedeutete, nachdem der litauische Adel bereits in den voran gegangenen Jahrzehnten zunehmend unter den Einfluss der polnischen Kultur und Sprache gelangt war. So ging Litauen in den Zeiten der Reformation den polnischen Weg und blieb katholisch, während das nördliche, deutsch beeinflusste Baltikum protestantisch wurde. Litauen blieb bis zu den Teilungen bei Polen und kam dann 1795 unter russische Herrschaft. Zwei polnisch-litauische Aufstände in den Jahren 1831 und 1863 wurden vom russischen Zaren blutig unterdrückt.

Nach dem Untergang des Großfürstentums Litauen am Ende des 18. Jahrhunderts geht der Gutshof Garsden in den Besitz der deutschen Familien Igelstrom und Rönne über. Der Wechsel der Inhaber ist in den Unterlagen genau dokumentiert, auch einige Bodenhandlungsprivilegien sind erhalten geblieben. [5]

Der Erste Weltkrieg und die Schwächung des Russischen Reiches führten im Februar 1918 - unter deutscher Besatzung - zur Ausrufung der unabhängigen Republik Litauen, die nach Kämpfen gegen die Rote Armee und polnische Truppen auch durchgesetzt werden konnte. Hauptstadt war in dieser Zeit allerdings nicht der historische Großfürstensitz Vilnius, sondern Kowno (Kaunas), da das Vilniusser Gebiet von Polen besetzt war (1920-1939, 1923 vom Völkerbund anerkannt).
Die parlamentarische Demokratie, die mit der Verfassung von 1922 eingeführt worden war, wurde durch den Putsch von Antanas Smetona im Dezember 1926 beseitigt; Smetona regierte anschließend diktatorisch bis 1940. Es wurden neue Verfassungen eingeführt, welche die autoritäre Führung Smetonas bestätigten, darunter die Litauische Verfassung von 1928 und die von 1938. Im März 1939 musste Litauen das Memelland, das es 1923 besetzt hatte, an Deutschland zurückgeben.

Zuflucht von Juden

Als das Memelland im März 1939 wieder in das Deutsche Reich eingegliedert wurde, mußten die Juden aus Memel und dem Umland flüchten. Wohlhabende Familien versuchten vom Hafen nach Übersee zu entkommen. Sehr viele Juden glaubten sich durch Flucht nach Litauen retten zu können. Das Foto unten links zeigt jüdische Familien auf der Landstraße nach Garsden. Dort waren sie jedoch nicht in Sicherheit, denn die litauische Kleinstadt war Schauplatz der ersten Massenerschießung von Juden nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941. Heute erinnern in Garsden mehrere Gedenksteine an die Opfer (Foto unten, in der Mitte).

Die alte Aussegnungshalle auf dem jüdischen Friedhof in Memel gibt es nicht mehr. Dort steht heute ein schlichter einstöckiger Bau,
der als Begegnungsstätte und Versammlungsort für die nach Memel zurückgekehrten Juden dient (Foto unten rechts).
Flüchtende Juden auf der Landstraße nach Garsden, 1939
Genkstein in Garsden
Das jüdische Gemeindezentrum in Memel


Die Situation1939

Garsden Antisemitismus.jpg

Die relativ hohe Zahl der jüdischen Bevölkerung (Garsden hatte etwa 3.000 Einwohner) erklärt sich auch aus den Ereignissen im Memelgebiet im Jahre 1939. Als Hitler im März dieses Jahres die Eingliederung des Gebietes in das Deutsche Reich von Litauen erzwang, verließ die jüdische Bevölkerung - der der Antisemitismus der Nationalsozialisten wohl bekannt war - zusammen mit der litauischen Verwaltung das Gebiet. Dabei handelte es sich sowohl um alteingesessene Juden als auch um aus Litauen während der Zugehörigkeit des Memelgebietes zu diesem Staat zugezogene Juden.

Viele ließen sich unmittelbar an der Grenze nieder, so auch in Garsden. Die vermeintliche Sicherheit jenseits der Grenze, auf die die Memeler Juden vertrauten, entpuppte sich am 23. Juni 1941 als Todesfalle. Bislang gibt es keine Forschungen zur jüdischen Bevölkerung im Memelgebiet, so daß Zahlenangaben relativ schwer zu geben sind. Das Gericht in Ulm, vor dem 1958 ein Teil der Mörder angeklagt wurde, ging von rund 3.000 bis 4.000 Juden aus, die vor dem 23. März 1939 im Memelgebiet lebten.

Sicher ist zumindest, daß so gut wie alle Juden vor den Nazis nach Litauen flohen. Aus den von Ulla Lachauer gesammelten Interviews mit Zeitzeugen geht hervor, daß die alteingesessene jüdische Bevölkerung sicherlich mehr als die vom Ulmer Gericht erwähnten 200 Personen betragen haben muß. Fast alle Befragten erinnerten sich an jüdische Nachbarn, Bekannte, Klassenkameraden oder Händler in ihrer Umgebung. Auch die Jahresberichte des Memeler Luisengymnasium vom Ende des 19. Jahrhunderts zeigen einen konstanten Anteil jüdischer Schüler von ca 10%.
Das Massaker von Garsden am 24. Juni 1941 – bereits zwei Tage nach dem Überfall auf die Sowjetunion –, dem 201 Menschen zum Opfer fielen, war das erste überhaupt und stand so am Beginn der „Endlösung der Judenfrage“.
QS icon i freesans blue.svg Einen Bericht vom Massaker in Garsden kann man hier nachlesen.

Sport

FK Banga Gargzdai.jpg

Der FK Banga Gargždai ist ein litauischer Fußballverein aus Gargždai. Der junge Verein spielt in der A Lyga, der höchsten litauischen Liga.
Der Verein erhielt 2009 die Spielberechtigung für die höchste litauische Spielklasse, nachdem der FBK Kaunas sowie Atlantas Klaipėda auf eine Ligateilnahme verzichteten.
Schon von 1994 bis 2000 war der FK Banga in der A Lyga vertreten.

Verschiedenes

F o t o s

Die Hauptstraße in Garsden
Die Minge in Garsden


K a r t e n

Garsden auf der Schroetter Karte 1802, Maßstab 1: 160000
Kurische Burgen im Memelland [6]


Fotoalbum Litauen

QS icon i freesans blue.svg Fotoalbum Litauen

Zufallsfunde

Oft werden in Kirchenbüchern oder anderen Archivalien eines Ortes Personen gefunden, die nicht aus diesem Ort stammen. Diese Funde nennt man Zufallsfunde. Solche Funde sind für andere Familienforscher häufig die einzige Möglichkeit, über tote Punkte in der Forschung hinweg zu kommen. Auf der folgenden Seite können Sie Zufallsfunde zu diesem Ort eintragen oder finden. Bitte beim Erfassen der Seite mit den Zufallsfunden ggf. gleich die richtigen Kategorien zuordnen (z.B. über die Vorlage:Hinweis zu Zufallsfund).


Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis

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Quellen

  1. Übernommen von Wikipedia
  2. Taufbuch Prökuls
  3. Kurschat, Alexander: Litauisch-Deutsches Wörterbuch, Vandenhoeck & Ruprecht, 1968
  4. Text übernommen vom litauischen Vikipedija, übersetzt von Bernhard Waldmann
  5. Text Bernhard Waldmann, in Anlehnug an die Webseite des Regionalmuseums Gargždai
  6. nach Mortensen, H. u. G.: Die Besiedlung des nördlichen Ostpreußen bis zum Beginn des 17.Jh Teil I: Die preußisch-deutsche Siedlung am Westrand der Großen Wildnis um 1400, Teil II: Die Wildnis im östlichen Preußen, ihr Zustand um 1400 und ihre frühere Besiedlung, in Deutschland und der Osten Band 8, Leipzig 1938