Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien/60

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Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien
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Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien.djvu
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firmirt, und an demselben Tage Nachmittags getraut wurden. Freilich kehrten Manche nach der Trauung zur neuen Kirche wieder zurück; die Folge davon war aber, daß den Nachfolgenden dieser heuchlerische Umweg zur Heirath erschwert wurde. Indessen rückte das Entscheidungsjahr 1847, in welchem der Herr kommen sollte, immer näher. Man erwartete Jakob und Lindl, die zwei Zeugen, als Führer des Sonnenweibes, Offenbarung 12, welches in ihrem Bergungsort durch Bessarabien ziehen sollte, und an die man sich anschließen wollte; man rüstete in aller Stille Reisewagen und Geldvorrath. Manche ließen sogar ihre Aecker unbebaut. Statt des Sonnenweibes kam mit einmal die Nachricht an, einer der beiden Zeugen, Lindl, sei in Barmen am 31. Oktbr. 1845 gestorben: ein gewaltiger Schlag für die neue Kirche. Dazu erschien das Jahr 1847, und nirgends war das Sonnenweib noch der Antichrist, zu sehen, und der Herr kam wirklich — nicht. Das gab der ganzen neuen Kirche einen solchen Stoß, daß sie in allen ihren Fugen krachte und anfing zu zerfallen. Viele kehrten zur alten Kirche zurück; Andere, und dazu vorzügliche Glieder, fielen in Unzuchtssünden und gräuliche Trunkenheit, wurden von den noch Treuen ausgestoßen, und sind nun weder alt- noch neukirchlich, sondern Knechte der Sünde. Kurz, die ganze neue Kirche gerieth in solchen Verfall, daß gegenwärtig nur noch einzelne Personen, 1 bis 4 in einer Kolonie, die meisten noch in Borodino und Leipzig — als Ruinen derselben dastehen. —

      Was Goßner von Lindl und der neuen Kirche dachte, das ist als folgendem Briefe von ihm zu sehen.


       An Christian Sch. in Sarata.

Berlin, den 23. Oktob. 1846.
Mein lieber Freund!

      Gern möchte ich Ihnen auf Ihre Zeilen vom 21. April alter Zeit recht viel schreiben, aber der Anforderungen sind bei mir so viel, daß ich nur wenig und das nicht immer schreiben kann, denn in alle Welttheile geht meine Correspondenz durch die vielen Missionare, die ich ausgesendet habe – und noch aussende; und im 73ten Jahre kann ich auch nicht mehr so arbeiten wie vor Jahren. Doch danke ich Gott, Er giebt mir noch ziemlich viel Kraft und Gnade. Der Geist Lindls ist