Grundherrschaft

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Die Lebensumstände im lokalen und regionalen Bereich mit den natürlichen und kulturellen zeitlichen Gegebenheiten geben Hinweise zur Anlage von Biografien unserer Vorfahren in der jeweiligen Generation. Land und Leute in ihrer Zeit, ihre Siedlung, Sprache, Kirche, und die Vernetzung ihres Lebensraumes. Kurzgefasste Informationen mit Grundlagen für notwendige Einblicke finden sich u.a. im Deutschen Städtebuch ...

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Einleitung

Entstehung

Als Ursachen der Entstehung mittelalterlichen Großgrundbesitzes lassen sich finden:

  • Aneignung größerer Anteile von Markenländereien durch die „Principes“ (geistliche und weltliche „Erste“.) bei der Sesshaftwerdung oder Besiedlung.
  • Okkupation durch den Kaiser und die Könige und Weitervergabe dieses Kron- oder Staatslandes, und zwar sowohl des gesamten ausgedehnten Großgrundbesitzes in den fränkischen Gebieten als auch des Markenlandes in den alten Volkssiedlungsgebieten.
  • die sehr verbreitete Eigengabe gemeinfreier Grundbesitzer an kirchliche und weltliche Größen.
  • die fortschreitende Aussonderung aus Marken- und Almendeländereien.
  • der in den Volksgesetzen früh erleichterte Landerwerb durch Pfandbesitz und Kauf
  • unberechtigte, irrige und gewaltsame Besitzergreigung, welche unangefochten blieb und durch Besitzverjährung (Urkundsfälschungen in Klöstern) Eigentum wurde.

Umfang

Der Umfang des einzelnen grundherrlichen Besitzes und somit des arbeitslosen Einkommens, welches der Grundherr bezog, unterschied sich stark. Vom kleinen Kriegsmann, der über den Ertrag von zwei oder drei Hufen verfügte, gab es alle Abstufungen des Reichtums bis zu weltlichen und geistlichen Magnaten. Eine große Anzahl von Grundherren verfügte über Einkommen, die weit über den traditionellen Bedarf einer gut situierten Familie hinausging.

Verwaltung

Die Verwaltung in wirtschaftlicher, sozialer und rechtliche Sicht, des bis ins 19. Jahrhundert üblichen Großgrundbesitzes und der Grundherrschaft, meist mit Streubesitz, erfolgte durch den Grundherrn oder seinen Verwalter (Meier) von einem oder mehreren Fronhöfen (Verwaltungsmittelpunkten) aus. Nur ein geringer Teil des Grundbesitzes wurde zur Eigenwirtschaft (Salland) genutzt; der größere Teil der Ländereien war an abhängige Bauern (Eigenbehörigkeit) zu einer eigentumsähnlichen Nutzung (Landleihe, Erbpacht) vergeben, die dafür Abgaben und Frondienste zu leisten hatten. Dem Grundherrn stand als Allodialbesitzer die Hofgerichtsbarkeit zu, bei Lehnbesitz konnte er auch damit belehnt sein.

Im Spätmittelalter bildete sich die „jüngere Grundherrschaft" heraus, die nur noch die Herrschaft über Grund und Boden umfasste. Gleichzeitig wurden mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft die Grundlasten in Form von Naturalabgaben und Frondiensten mehr und mehr in Geldabgaben umgewandelt. Die Grundherrschaft wurde nun zu einer primär wirtschaftlichen Organisationsform, während Gerichtsbarkeit, Vogtei und ähnliche Herrschaftsrechte von der Grundherrschaft getrennt wurden.

Abgabenerfassung der Pachtländereien

Die Auflistung der Abgabepflichtigen mit der Auflistung der jeweiligen Verpflichtungen an den zeitlichen Grundherren erfolgte in einem Urbar oder regionalauch Lagerbuch = Rechenbuch = Heberegister. Diese Lager- oder Rechenbücher waren bis in das auslaufende Spätmittelalter zurückreichende Heberegister über den Besitz von Immobilien, mit den davon zu erwartenden Einnahmen und den darauf liegenden Belastungen einer Grundherrschaft, gleichgültig ob es sich dabei um deren Lehn- oder Allodialbesitz handelte.

Bauernstände

Rechtsstrukturen

  • Eigentumsrechte des Bauern am Grund und Boden: ob er im eigenen Eigentum oder Besitz war oder ob er im Eigentum oder Besitz eines Grundherrn war.
  • Rechtstitel, die den Bauern zu Abgaben oder Dienstleistungen verpflichteten.
  • persönliche Rechtsstellung des einzelnen Bauern.

Der freie Bauer

  • muß Kriegsdienst leisten (eigene Rüstung, Pferd, Kost u. Knecht)
  • muß Familie und Hof selber schützen
  • kann über seine Zeit selber verfügen
  • kann über seine Erzeugnisse selber verfügen
  • kann seinen Hof verlassen, unter Söhnen aufteilen usw.
  • kann ohne Erlaubniss heiraten

Der eigenhörige Bauer

  • muß seinen Erbbesitz instand und "Esse" (im Wesen) halten
  • ist vom Kriegsdienst (Schilddienst) befreit
  • steht unter dem "Schutz und Schirm" des Grundherren
  • muß für den Frondienste leisten
  • muß einen Teil seiner Erzeugnisse abgeben
  • darf seinen Hof nicht verlassen, nicht erbteilen, nicht verschulden, usw.
  • braucht zur Heirat die Erlaubniss des Grundherren

Lasten der Grundherrschaft bei Eigenbehörigkeit

  • Jährliche Abgaben (z.B. zu Matini):
    • Feldzehnt (Getreide,Wein Garten und Baumfrüchte)
    • Blutzehnt (Haustiere und tierische Erzeugnisse : Eier, Milch, Butter, Honig, Wachs, Felle, Wolle)
    • Grundzins (Schild- und Pachtgeld, Abgabe nach der Größe der hörigen Landes)
    • Besondere Abgaben (Rauchhühner, Kibitzeier…..)
  • Zeitlich Abgaben:
    • Frei- und Wechselbriefe
    • Versterb- und Gewinngeld
  • Frondienste :
    • Spann- oder Leibdienste (z.B. wöchentlich, auf Gebot)
    • Wachdienste (nächtlich, auf der Burganlage, wöchentlich)
Einzelbeurkundungen und Register

Im Bereich des Fürstbistums Münster finden wir Einzelbelege und Register, welche die Regelungen der Eigenbehörigkeit und damit die genauen grundherrlich-bäuerlicher Verhältnisse auch im Einzelfall erfassen. In einem Herrschaftsbereich über mehrere Kirchspiele hinweg gab es durchaus unterschiedliche Bräuche und Regelungsgewohnheiten. Dies betraf nicht nur die Abwicklung eines Erbgewinns und den Wechsel in der Administration eines Erbgutes, der Festlegung des Auffahrtgeldes der einheiratenden Person in einen Hof, die Bestattung, die Abwicklung eines Versterbs (siehe Versterbbuch) und der Ermittlung des Versterbgeldes, sondern auch die Regelungen und Floskeln bei der Erteilung von Freibriefen oder der Wechselung (siehe Wechselbriefregister) von Leibeigenen zwischen zwei Grundherren.

Landesherrschaft

Unabhängig von Abgaben und Leistungen eine Eigenbehörigen oder Pächter an den Grundherrn erhob der jeweilige Landesherr je nach Bedarf unterschiedliche Vermögens- und Kopfsteuern. Dazu holte er regional auch die Zustimmung des jeweiligen Landtags ein. Auch hier wurden die Agbabepflichtigen und deren Verhältnisse nach unterschiedlichen Kriterien erfaßt und die Erfassung zum Teil als Einzelnachweise der Erhebung in Kirchspielen und Bauerschaften oder in Rechnungsbüchern erfasst.

Literatur

  • August Ludwig Reyscher: Die grundherrlichen Rechte des Württembergischen Adels, Friedrich Fues, Tübingen 1836.
  • Friedrich Lütge: Die mitteldeutsche Grundherrschaft und ihre Auflösung. Stuttgart 1957, (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte 4, ISSN 0481-3553)
  • Günther Franz (Hrsg.): Deutsches Bauerntum im Mittelalter. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1976, ISBN 3-534-06405-4
  • Hartmut Harnisch: Die Grundherrschaft. Forschungsgeschichte, Entwicklungszusammenhänge und Strukturelemente, in: Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus 9 (1985)
  • Werner Rösener (Hrsg.): Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1989, ISBN 3-525-35628-5
  • Ludolf Kuchenbuch: Grundherrschaft im früheren Mittelalter. Schulz-Kirchner, Idstein 1991, ISBN 3-8248-0021-7
  • Werner Rösener: Bauern im Mittelalter. 4. unveränderte Auflage. Beck, München 1993, ISBN 3-406-30448-6
  • Alfred Haverkamp: Frank G. Hirschmann (Hrsg.): Grundherrschaft – Kirche – Stadt zwischen Maas und Rhein während des hohen Mittelalters. Mainz 1997, ISBN 3-8053-2476-6
  • Wolfgang Wüst: Dynamische Grundherren und agrarische Innovationen im alten Franken. In: Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken 99, 2000/2009, 2009, ISSN 0341-9339
  • Brigitte Kasten (Hrsg.): Tätigkeitsfelder und Erfahrungshorizonte des ländlichen Menschen in der frühmittelalterlichen Grundherrschaft (bis ca. 1000). Festschrift für Dieter Hägermann zum 65. Geburtstag, Steiner, Stuttgart 2006, ISBN 3-515-08788-5

Bibliografische Angaben

Weblinks