Soest/Stadtsiedlung

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Stadtsiedlung

Die Lage der Pfalz auf einem Hügel unweit des an die Stadtmitte grenzenden, fast nie gefrierenden „Großen Teiches" deutet schon auf eine germanische Siedlung. Daneben sind in nächster Umgebung der Stadt mehrfach römische Funde und auch eine Siedlung (am Ardey) entdeckt worden. Um 960 findet sich der Ausdruck "civitas". Aus dem Stadtplan und aus Bodenfunden ergibt sich eine erste Umwehrung aus spätkarolingischer Zeit, die Erzbischof Bruno von Köln weiter umgestaltete, der 954 das Patroklistift gründete. Diese Befestigung umzog den inneren Stadtkern mit Rathaus, Petripfarrkirche, Patroklistift und Pfalz und lehnte sich im Nordosten an den Großen Teich an. Die Art der Befestigung des 10. Jhdts. ist nicht genau festzustellen, Grabungen an der Südfront ergaben Doppelwall mit Palisaden, einige andere Teile waren aus Steinmauern. Um 1100 scheinen befestigte Erweiterungen vorgenommen zu sein. Um 1179 teilte Erzbischof Philipp von Heinsberg die längst über den alten Mauerkreis der Ottonenzeit hinausgewachsene Stadt an Stelle der bisherigen einen Pfarre zu St. Petri in 6 Pfarreien: St. Petri, St. Pauli, St. Georgii, St. Thomä, St. Marien zur Höhe und St. Marien zur Wiese und vollendete die wohl schon von Reinald von Dassel begonnene, 1954 zu zwei Drittel noch stehende neue Ummauerung mit innerem und äußerem Wall, mit 10 Toren und 26 Türmen (diese wohl etwas jünger). Der innere Wall im 15. Jhdt. hinter der Stadtmauer aufgeschüttet. Der Durchmesser der beinahe kreisrunden mittelalterlichen Stadt beträgt etwa 1.200 m, so daß der von der neuen Umwallung umschlossene Raum nunmehr über 101 ha betrug. Er hat etwa bis 1880 für die Stadt ausgereicht, die erst seitdem über ihn hinausgewachsen ist.

Osthofen Innentor, Grafik um 1820 Carl Schleich u. Anton Radl

Die Anlage der Stadtteile zwischen der alten und neuen Umwallung erfolgte mit radmäßigem Grundriß, derart, daß von einer Art Ringstraße, die vor oder an Stelle der Ottonischen Ummauerung liegt, 10 Radialstraßen in Windungen zu den Toren führen, die ihrerseits durch eine Unzahl von Gassen und Gäßchen als Wohnstraßen verbunden werden. Die 10 Tore waren (von Norden im Urzeigersinn) das Walburger, Osthofen-, Thomä-, Grandweger, Ulricher, Jakobi-, Nötten-, Schonekind-, Brüder- und Sohültinger Tor; die Umwallung der Stadt war eine doppelte, ihr entsprachen je ein Innen- und ein durch Schenkelmauern damit verbundenes Außentor. Seit der 2. Hälfte 16. Jhdt. Modernisierung der Umwallung, Bastionssystem, fertig geworden nur im Nordwesten, unvollendet geblieben wegen des 30jährigen Krieges. 1954 steht nur noch das 1523-26 erbaute Osthofen-Innentor; der äußere Wall ist 1586 (zur Verbesserung des Schußfeldes vom inneren Wall aus), die anderen Tore und die Mauertürme bis auf einen sind bis zum Jahre 1825 sämtlich abgebrochen worden. Zwischen 1888 und 1900 fiel auch (veranlaßt durch die Eisenbahn) leider das nördliche Drittel der inneren Umwallung.

Wohl gleichzeitig mit der Stadterweiterung ist die Einteilung der gesamten Stadt in 6 Höfen erfolgt, von denen sich die Süd-, Hellweg- und Osthöfe ungefähr mit den Grenzen ihrer Pfarrbez. (St. Pauli, St. Thomä, St. Marien zur Höhe) decken, während der Pfarrbezirk von St. Petri 2 Höfen, die große und die kleine Westhofe (heute Nötten- und Jakobihofe), umfaßt und die Nordhofe in die beiden Pfarrbezirke Marien zur Wiese und Georgii zerfiel, die 1822 nach Abbruch der Georgiikirche vereinigt wurden. Diese ursprüngliche Trennung der Nordhofe in 2 Pfar-reien hat wohl darin ihren Grund, daß damals der die Hofe durchschneidende Soestbach von Sumpfgelände begleitet war, das nur wenige Übergänge hatte. Die Wiesenkirche liegt nördlich, die alte Georgiikirche lag südlich von diesem früheren Sumpfstrich.

Außer den erwähnten 6 Pfarrkirchen und dem Kollegiatstift des hl. Patroklus bestanden in Soest noch das 1165 vor der Stadt gegründete, 1449 in sie hineinverlegte Augustinerinnenkloster St. Walburgis (1954 freiweltliches Damenstift), das um 1230 errichtete Dominikaner- und das 1233 errichtete Franziskanerminoritenkloster, ferner 22 Kapellen. Letztere sind 1954 bis auf 2 verschwunden, die Kirchen St. Georgii, St. Walburgis und die Doininikanerkirche wurden 1822,1879 und 1820 abgebrochen. Von den heute stehenden Kirchen hat das St.-Patrokli-Münster noch Bestandteile aus dem einschiffigen Bau des 10. Jhdts. im Langhaus und Kreuzschiff bewahrt. Um 1100 dreischiffig erweitert. Die Kirche hatte eine ursprünglich flache Decke und ist im 12. Jhdt. eingewölbt und am 05.07.1166 durch Erzbischof Reinald von Dassel eingeweiht worden. 1945 durch Bomben z. T. (Hauptchor) zerstört. 1948 samt Krypta wiederaufgebaut. Nach 1200 wurde der Kirche durch die Stadt das heutige Westwerk und der grandiose Westturm vorgelegt, der die städtische Rüstkammer und die städtischen Glocken enthält. Turm und Langhaus gehörten bis 1797 der Stadt, Chor und Kreuzschiff dem Kapitel. Romanische Wandmalereien. Die heutige Petrikirche ist jünger, Langhaus Pfeilersäulenbasilika um 1150 mit Turm und Westwerk und in seiner für eine Pfarrkirche ungewöhnlichen Erscheinung, welche durch die unmittelbar danebenliegende Pfalz veranlaßt ist. Die heutige Erscheinung des Kreuzschiffs und die Langhausemporen kurz nach 1200 erbaut. Altes Kreuzschiff durch Grabung festgestellt. Der dreifache Chor 1272-1322, er wurde samt dem Kreuzschiff 1945 zerstört. Turmhelm 1709. Wandgemälde z. T. von Konrad von Soest, um 1400. Alt-St.-Thomä, einschiffige Kirche des 9.-10. Jh. durch Grabung festgestellt, darüber Basilika vor 1200 erbaut, Umbau zur Hallenkirche; mit frühgotischem Chor und südlichem Seitenschiff im 13. Jhdt., der schiefe Turmhelm nach Brand 1653. Zweischiffige Nikolaikapelle um 1200, Nikolausaltar von Meister Conrad von Soest. Die großartige Bautätigkeit um 1200 veranlaßte auch den Bau der abgebrochenen Georgiikirche und den unregelmäßigen Bau von Maria zur Höhe. Diese Kirchen sind der erste Versuch von Hallenkirchen nach dem kubischen Soester Raumideal, das Langhaus fast ein Quadrat (Der Würfel die vollkommenste Eorm der Wohnung Gottes). Maria zur Höhe mit reichem spätromanischen Außenbau, Turmhelm nach Einsturz des hohen gotischen Turmes 1671. Großartige romanische Wandmalereien unter Einfluß von Palermo. Im 14. Jhdt. entstanden die beiden Hallenkirchen des Minoritenklosters (Neu- St.-Thomä, Langhaus 1944/45 bis auf die Umfassungsmauern zerstört) und von St. Pauli. Die Kirche Maria zur Wiese ist das Hauptwerk der Soester Gotik. Die Wiesenkirche ward 1314 oder 1331 von Johannes Schendeler begonnen, schönste deutsche Hallenkirche, Ostteile vollendet 1376, westlicher Teil des kubischen Langhauses nach der Soester Fehde, letzte mittelalterliche Baunachricht 1529. Die 1421 begonnenen Türme blieben in Dachhöhe liegen und sind 1846-76 ausgebaut. Von der heutigen Kirche umschlossen wurde durch Grabungen eine kurze, breite romische Kirche mit gotischem südlichen Seitenschiff festgestellt. Nikolai-Brunstein-Kapelle erbaut um 1400. Die Dominikanerkirche war eine dreischiffige Halle; die Walburgiskirche, vollendet 1506, ein langer einschiffiger spätgotischer Bau mit Sterngewölben im Langhaus. Auch in gotischer Zeit ist die Stadt der Hauptsitz der westfälischen Malerei.

Baulich fällt im Stadtplan auf, daß besonders ein Teil der Nordhofe eine gänzlich unregelmäßige Straßenführung besitzt. Hier ist nach einem großen Brande infolge einer Beschießung im 30jährigen Krieg durch den kaiserlichen General Graf Goetz der Wiederaufbau ganz regellos erfolgt. Auch in der Südhofe weicht die Straßenführung in mancher Beziehung von der anderer Stadtteile ab.

Der Gesamtumriß der von der Ummauerung des 12. Jhdts. umbauten Innenstadt stellt einen fast regelmäßigen Kreis dar. Spätgotik und Barockzeit haben das heutige malerische Stadtbild geformt, das auch nach den Zerstörungen 1944/45 vorhanden ist.

Im Mittelpunkt der Stadt nicht der heutige Markt, sondern das Rathaus und der vor ihm liegende, heute Petrikirchhof genannte Platz, der wohl ganz oder teilweise der älteste Markt Soests ist. Der heutige Markt liegt unmittelbar vor dem nördlichen Tor der Stadtbefestigung der Ottonenzeit. Hier stand auch die Georgiikirche, die wohl als Hilfskirche von St. Petri besonders für das Bedürfnis der Marktbesucher errichtet worden war, bis sie um 1180 selbst zur Pfarrkirche erhoben wurde. Die Entwicklung ist also der der Stadt Münster zu vergleichen. Der Markt selbst hat die Form eines unregelmäßigen Dreiecks, eine „Marktstraße" schließt sich an.

Zerstörungen

Zerstört wurden im 2. Weltkieg 2.985 Wohnhäuser (davon 509 total), 7 Kirchen (davon eine total), 4 Volksschulen und das Aldegrevergymnasium, womit 62% der gesamten Bauten der Stadt zerstört waren. Behoben waren bis 1950 etwa die größere Hälfte der Schäden. St. Marien zur Höhe 1946, Burghofsmus, 1947, Patroklimünster 1948, St. Pauli und St. Marien zur Wiese sind 1950 wiederhergestellt und eingeweiht. Osthofentor und Stadtwälle wurden 1949 in den alten Zustand versetzt. [1]

Fußnoten

  1. Literatur: Jacob, Arabische Berichte von Gesandten an germ. Fürstenhöfe, in: Qu. zur Dt. Volkskunde, Heft 1 (1927). Rothert, Die räumliche Entwicklung der Stadt Soest im MA., in: Z. des Ver. für die Gesch. von Soest und der Börde 61 (1948). H. Schwartz, Die Bau- und Kunstdenkmäler von Soest im Kriege 1939—45, ebd. Beneke, Die Elberichsburg, das Römerlager in Soest (1934). Tappe, Die Altertümer der dt. Baukunst in Soest (1823). Ludorff, Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Soest (1905). Soest, seine Altertümer und Sehenswürdigkeiten (1890). Schmitz, Soest, Berühmte Kunststätten 45 (1908). Soest, ein Heimatbuch und Führer durch Stadt und Börde (1952). Nissen, Soest, in: Dt. Lande, Dt. Kunst (1931). Th. Goecke, Die Wettbewerbsentwürfe für die Stadterweiterung von Soest, in: Der Städtebau(1916). H. Schwartz, Die Befestigungen einer Hansestadt (Soest), in: Städtewesen und Bürgertum als geschichtliche Kräfte, Gedächtnisschrift für Fritz Hörig (1953). Rothert, Westfälische Stadtpläne, Soest und Lippstadt, ebd.