Schweidnitz im Jahre 1822

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Das Original der folgenden handschriftlichen Aufzeichnungen aus dem Jahre 1822 liegen im »Muzeum Dawnego Kupiectwa« (= Museum der alten Kaufmannschaft) im Rathaus von Schweidnitz. Es handelt sich offensichtlich um einen vom Magistrat verfassten Text, der anlässlich der Renovierung des Rathauses in den Knopf der Turmspitze eingelegt wurde.

Der Originaltext ist ungekürzt und nur marginal verändert. Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden vorsichtig dem modernen Sprachgebrauch angepasst, offensichtliche Schreibfehler verbessert. Der handschriftliche Text (ohne Titel und ohne Unterschrift) umfasst 12 ungezählte Seiten auf drei nummerierten Doppelbögen in Großfolio.
Autor dieser Abschrift: Horst Adler


Im Jahre Christi Eintausendachthundertzweiundzwanzig war bei Gelegenheit des Abputzes des hiesigen Rathauses und Ratsturmes bemerkt worden, dass der Zahn der Zeit an dem Knopf des letzteren und dessen Wetterfahne Beschädigungen herbeigeführt hatte. Deshalb wurden Stern, Fahne und Knopf, in welchem letztern sich kein Andenken an frühere Zeiten vorfand, am 12. Oktober d. J. von der Spitze des Turms abgenommen, in gehörigen Stand gesetzt und heut, am 14. November, unter Gottes Beistand wiederum darauf befestigt.
Der obere Teil des Knopfes wurde neu von Kupfer gefertigt durch den hiesigen Bürger und Kupferschmied CARL CHRISTOPH HENKEL, Knopf, Fahne und Stern neu vergoldet durch den Bürger und Gürtlerältesten ERNST GOTTLIEB REUTER, das Abnehmen und Aufsetzen hat mit Kühnheit, Gewandtheit und Geschicklichkeit verrichtet der Bürger zu GOTTESBERG und Schieferdecker FRANZ JOSEPH KLUMM, der seinen Wohnsitz in SCHWEIDNITZ zu nehmen aber bereits erklärt hat. Gott gebe, dass er seine Arbeit glücklich vollende.
Sofern es unseren Nachkommen wünschenswert sein möchte, dereinst an einige Momente der Geschichte der Stadt und der Zeit erinnert zu werden, legen wir Folgendes in den Knopf verwahrlich nieder:

Die durch den unglücklichen Krieg der Jahre 1806 und 1807 und durch dessen traurige Folgen bis zum Jahre 1813 herbeigeführten Ereignisse hatten auch die hiesige Stadt arg betroffen und sie, neben einer fast allgemeinen Vermögens-Entkräftung der hiesigen Bürgerschaft in eine Gemeindeschuldenlast von nahe an 170.000 Talern versetzt. Der durch die Ordnung für sämtliche Städte der preußischen Monarchie vom 19. November 1809 (HA: offensichtlich irrtümlich statt 1808) neu aufgeregte und in hiesiger Stadt immer lebendig erhaltene Gemeinsinn, ein vorsichtiger, doch gemeinnützigen Zwecken unschädlicher Stadthaushalt und die gnädige Unterstützung Sr. Königl. Majestät, mittelst einer sogenannten Communalaccise, hatten bewirkt, dass mit Ausgang des Jahres 1821 die Gemeine Stadtschuld bis auf 70.000 Taler abgezahlt war. Dies war aber nicht die größere Last, die auf den Schultern der Stadt lag, mehr drückten ihr Gemeinwesen die Verluste, welche die neuen Staatseinrichtungen herbeigeführt hatten. Doch vertrauen wir der gütigen Vorsehung, dass sie auch diese Lasten nach und nach schonend vorüber führen werde, da es bis jetzt schon möglich geworden ist, die im Jahre 1810 als notwendig eingeführten baren Geldbeiträge der hiesigen Gemeindemitglieder (Communalabgaben) von jährlich 24.000 Talern bis auf 12.000 Taler herabzusetzen.

Die Zahl der Zivilbewohner hiesiger Stadt betrug gegenwärtig 8.530 Seelen, deren Gewerbsamkeit sich, mit nur wenigen Ausnahmen, nur auf die Stadt selbst und deren Umgegend erstreckte. Man klagte im Allgemeinen über die Unfruchtbarkeit des Handels und das geringe Ergebnis der Gewerbe als Folge des durch das Aufhören langwieriger Kriege verminderten Bedarfs und einer durch die Gewerbefreiheit herbeigeführten vergrößerten Anzahl von Gewerbetreibenden. Es gab zur Zeit in SCHWEIDNITZ 8 größere und kleinere landwirtschaftliche Vorwerke, mehrere Ackerbesitzer, 26 Handlungstreibende mit kaufmännischen Rechten, 2 Apotheken, 220 Handeltreibende aller Arten ohne kaufmännische Rechte, 6 Billard- und Kaffeehäuser, 4 Conditoren, 10 Destillierer, 64 Gast- und Schankwirtschaften alter Art, 6 Pfefferküchler, 5 Speisewirte, 26 Bäcker, 30 Fleischer, die städtische Brau-Communität mit 2 Braumeistern und 1 Privatbrauer, 31 Branntweinbrenner, 4 Ärzte, 3 Chirurgen, 1 Auktionator, Badeanstalt, 5 Buchbinder, 2 Buchdrucker, 3 Bürstenbinder, 6 Büttner, 1 Büchsenmacher, 5 Corduaner, 12 Horn und Holzdrechsler, 5 Färber, 1 Feilenhauer, 3 Gelbgießer. 4 Glaser, 7 Gold- und Silberarbeiter, 1 Graveur, 7 Gürtler, 16 Handschuhmacher, 6 Hebammen, 2 Hechelmacher, 8 Hutmacher, 2 musikalische Instrumentenmacher, 1 Justizcommissarius, 3 Kammacher, 5 Knopfmacher, 4 Korbmacher, 5 Kraftmehlmacher, 12 Kürschner, 3 Kupferschmiede, 4 Klemtner, 9 Loh- und Rotgerber, 4 Maler. 2 Maurermeister, 4 Musiker, 5 Messerschmiede, 7 Nagelschmiede, 1 Regenschirmmacher, 3 Perückenmacher, 15 Putzmacherinnen und Nähterinnen, 7 Posamentiererinnen. 9 Riemer, 8 Sattler, 1 Scharfrichter, 4 Schleifer, 14 Schlosser, 9 Huf- und Waffenschmiede, 1 Spanner, 63 Schneider, 2 Schornsteinfeger, 107 Schuhmacher, 10 Seifensieder, 9 Seiler, 5 Siebmacher, 4 Stellmacher, 3 Strohhutflechter, 7 Strumpfwirker und -stricker, 1 Tapezierer, 10 Tanzbödenhalter, 23 Tischler, 7 Töpfer, 6 Tuchscherer. 1 Tuchwalker, 40 Tuchmacher, 7 Uhrmacher, 2 Viehärzte, 1 Wachspoussierer, 9 Weißgerber, 3 Waschanstalten, 2 Zeugmacher. 15 Züchner, 2 Zimmermeister, 2 Zinngießer, 20 Zwirnmacher und -händler, 1 Stadtziegelei, 12 Wassermühlen, 1 Ölschläger, 10 Frachtfuhrleute mit 36 Pferden, 31 Lohnkutscher mit 60 Pferden und 17 Hausierer.

In diesem Jahr besaß die Stadt SCHWEIDNITZ die Dominialrechte über folgende Dörfer: Nieder-Bögendorf, Seifersdorf, Hohgiersdorf, Schönbrunn Tunkendorf, Säbischdorf, Nitschendorf, Weizenrodau, Kletschkau, Niedergiersdorf, Croischwitz, Leutmannsdorf Grundseite Leutmannsdorf Bergseite mit Ober-Leutmannsdorf, Kleinleutmannsdorf, Groß Friedrichsfelde, Klein Friedrichsfelde, aber außer der Försterei zu Polnisch-Weistritz (HA: seit 24. 11. 1898 Nieder-Weistritz), den Försterhäusern zu Bögendorf und Leutmannsdorf und den Dominialforsten zu Leutmannsdorf, Bögendorf und Hohgiersdorf, darin kein Grundeigentum sondern nur Geldzinsen und das Recht auf urbarienmäßige Dienste.

Die hiesige Garnison bestand. außer dem Festungspersonal und der schlesischen Festungsinspektion, in dem

  • 1. und 2. Bataillon 37. Infanterie, 5. Reserveregiments
  • 2. Bataillon 6. Linien-Infanterieregiments
  • 2. Bataillon 7. Linien-Infanterieregiments
  • 3. Abteilung 5. Artilleriebrigade
  • Garnisonkompanie 6. Infanterieregiments
  • Garnisonkompanie 7. Infanterieregiments
  • Stab des 1. Bataillons 7. Landwehrregiments
  • ein Pionierkommando

am gegenwärtigen Tage bestehend aus 113 Offizieren, 1982 Unteroffizieren, Gemeinen usw.

Die vorgewesenen unglücklichen Zeiten haben nicht vermocht, den Sinn der Stadtgemeinde für Verbesserung ihres Gemeindewesens und nützliche Zwecke zu unterdrücken. Davon ist auch das gegenwärtige Jahr Zeuge. Was ihre innere Verwaltung betrifft, so geht sie ihren durch die Städteordnung geregelten Gang ungestört. Die eingetretene Unzulänglichkeit des evangelischen Kirchen-Aerarii erlaubte nicht ferner, die hiesigen evangelischen Jugendbildungsanstalten, wie bisher, aus ihm zu unterhalten. Die Stadtgemeinde entschloss sich, zu Erhaltung ihres evangelischen Gymnasiums, das vom Untergange bedroht war, eine bedeutende Aufopferung nicht zu scheuen, und bewilligte zur Bewirkung der Fortdauer seiner Existenz aus ihren Gemeindemitteln eine jährliche Summe von 1.200 Talern, übernahm auch den erforderlichen Zuschuss zu Unterhaltung ihrer evangelischen Vorbereitungsschule mit jährlich 365 Talern und verlieh dadurch ihrem evangelischen Kirchen- und Schulsysteme eine ausdauernd begründete Stellung. In diesem Jahre trat die zu Verwaltung der Gymnasien Angelegenheiten bestimmte besondere Behörde unter dem Namen Gymnasial-Collegium in Wirksamkeit.

Die katholische Kirchengemeinde führte gegen den Fiskus einen bösen Prozess darüber, ob sie verpflichtet sei, zu Erhaltung des Kirchen-Systems Beiträge zu leisten. Die katholische Stadtschule. so wie die evangelischen Bildungsanstalten, waren in gutem wissenschaftlichen Flor und die Lehrerstellen mit braven Lehrern besetzt.

Das hiesige, in der Vorstadt belegene Armenhaus war bei der Belagerung im Jahre 1806/07 gänzlich zerstört, und die Gnade Sr. Königl. Majestät hatte ihr das ehemalige Kapuzinerkloster zu einem Armenhause huldreichst geschenkt, zu ihrem Besten auch die Gräflich v. NOSTITZsche Familie Ihren Ansprüchen an dieses Gebäude entsagt. Im gegenwärtigen Jahre bildete die Stadt mit namhaften Aufopferungen nicht nur ihre Verwaltung des Armenwesens überhaupt, sondern insbesondere ihr Armenhaus zu einem Kranken-, Armen- und Arbeitshause durch eine kostspielige bauliche Einrichtung und Ausstattung mit den erforderlichen Utensilien aus. Es ist dadurch zur Aufnahme armer Kranker und zu einem Zufluchtsorte bedrängter Notleidender, welche darin, ihren Kräften gemäß, Beschäftigung finden, und zu einem Verwahrungsorte arbeitsscheuer Taugenichtse geworden. Es werden jetzt darin 35 Personen mit allen Lebenserfordernissen und Arbeit versehen, überdem beträgt die Zahl der anderwärtig aus dem Staatsfonds unterstützt werdenden Armen 150, und in der Bürgerhospital-Verpflegung befinden sich 48 Personen.

Das Feuerlösch Inventarium wurde in diesem Jahre mit 3 neuen Wasserhältern in der Vorstadt am Striegauer Barrier, im Krätzigteiche bei der Margaretengasse und vor der Laufbrück, dann noch mit 4 neuen Wasserwagen vermehrt.
Mit Legung eiserner Wasserleitungsröhren wurde ein tätiger Anfang gemacht, und sind dazu jährlich 600 Täler ausgesetzt.
Die Stadtforsten sind in 130 jährliche Schläge geteilt und werden schlagmäßig bewirtschaftet.
Schweidnitz hatte eine öffentliche Sparkasse und darin zur Zeit 163 Personen ihre Ersparnisse zinsbar angelegt.
In diesem Jahre errichtete die Stadt eine neue öffentliche Leihbank.

Betreffend das Äußere der Stadt, so war die Baulust der Bürger gut. Mehrere verwandelten ihre alten, zwar geräumigen, aber ganz verbauten Häuser durch regelmäßigen Ausbau in nutzbare und bequeme Wohnungen, andere ließen sich angelegen sein, die Stadt durch geschmackvollen Abputz ihrer Häuser zu verschönern, die Abschaffung der hervorragenden hölzernen Rinnenschnäbel wurde vollendet, mit regelmäßiger Belegung der Löben (des Bürgersteigs) durch Steinplatten wurde tätig fortgefahren und durch den Abputz des Rathauses und seines Turms sowie durch Ausschmückung des letzteren erhielt die Stadt eine neue Zierde. Der Bau eines neuen Schauspiellokals im Raume des Rathauses, das seinem Zweck in jeder Hinsicht entspricht und den Beifall alter Kenner von Geschmack erhalten hat, fällt zwar in das Jahr 1821, doch verdient hier bemerkt zu werden, dass es am 1. Januar 1822 eröffnet und das erste Schauspiel, »Die Kreuzfahrer« von August v. Kotzebue, darin gegeben worden, und wir überliefern es der Erinnerung unserer Nachkommen, dass der Goldarbeiter FRIEDRICH KEIL, der Kaufmann SAMUEL GEBHARD als Bauinspizienten durch einsichtsvolle Leitung des Baues, die Werkmeister Stadtmaurermeister GOTTFRIED SCHAAF und Zimmermeister JOACHIM EHLERT durch zweckmäßige, solide und umsichtige Ausführung und der Maler ARRIGONI aus Breslau durch geschmackvolle, kunstgerechte Dekoration sich um Geschmack und Kunst, und dadurch um die Stadt, verdient gemacht haben. Das Publikum zeigt sich ziemlich schaulustig.

Von ihren Festungswerken umschlossen und durch die Fortikations-Rayon-Gesetze, die mit aller Strenge gehandhabt werden, in dem Bauen jenseits des inneren Walles außerordentlich behindert, ist die Stadt auf ihren innersten Raum beschränkt, kann sich nicht erweitern, so sehr sie auch Industrie und geographische Lage dazu auffordern, muss ihre Vorstädte fast ganz aufgeben und wird dadurch ein Opfer des allgemeinern Bestens, lässt aber den Mut des Glaubens an eine leidliche Existenz in ihren Wällen nicht sinken und setzt ihr Vertrauen auf Gott, ihren guten König und ihren eigenen redlichen Sinn.

In der Nacht vom 27. zum 28. Februar d. J. brannten die Häuser des Schullehrer GRUNDLER No. 631, Fuhrmann MENZEL 632, Fleischer STERNKOPF 633, Nagelschmied RAEPPOLT No. 634 und Gastwirt PUTZ 635 und die Hintergebäude des Färber DIEBEL No. 630 ab, und es steht jetzt noch zu befürchten, dass sie nicht mehr werden aufbauen dürfen.

In diesem Jahre trennte das hiesige Stadtgericht sein Geschäftslokal von dem der städtischen Kommunal- und Polizeiverwaltung und bezog das ihm seitens des Staats übergebene und zu seinem Amtsgebrauch eingerichtete ehemalige Minoritenkloster als Königl. Land- und Stadtgericht, welcher Titel ihm schon vor einigen Jahren beigelegt worden war.

Gegenwärtig lebt noch hierselbst ANNA ROSINA Witwe KRAUSIN, geborene HILSIN, im gemeinen Leben »die alte Äpfel Krausin« genannt, geboren den 8. Mai 1723, also beinahe ein volles Jahrhundert alt.

Die Gegend um die Stadt florierte im Landbau. Die Ernte war in Winter- und Sommerfrüchten weniger ergiebig, in den übrigen Feldfrüchten aber sehr gut. Am letzten hiesigen Markttag, dem 8. November, galt der preußische Scheffel bester Sorten:

weißer Weizen 1 Taler 28 Sgr. 10 Pf.
gelber Weizen 1 Taler 25 Sgr.
Roggen 1 Taler 26 Sgr. 4 Pf.
Gerste 1 Taler 9 Sgr. 7 Pf
Hafer 1 Taler 7 Sgr. 8 Pf.


Ferner kostet gegenwärtig in preußischem Maß und Gewicht:

1 Zentner Heu Taler 25 Sgr.
1 Schock Stroh 4 Taler 20 Sgr.
1 Scheffel Erbsen 1 Taler 25 Sgr.
1 Scheffel ordinäre Graupen 4 Taler
1 Scheffel Grütze 5 Taler 20 Sgr.
1 Scheffel Kartoffeln 20 Sgr.
1 Quart Branntwein 7 Sgr.
1 Quart Bier 7 Sg
1 Pfund Rindfleisch Sgr. 10 2/7 Pf.
1 Pfund Hammelfleisch 2 Sgr. 6 6/7 Pf.
1 Pfund Schweinefleisch 2 Sgr. 6 6/7 Pf.

Dies Jahr zeichnete sich vor vielen anderen merkwürdig aus. Es herrschte in ihm eine fast ununterbrochen heitere, warme und regenlose Witterung, die hier fast Wassermangel erzeugte, und bis jetzt fiel kein Landregen. Doch richtete am 26. Juli, nachmittags um 2 Uhr, ein schrecklicher Orkan mit Hagel auf seinem Zuge aus Sachsen über SCHÖNAU, JAUER durch den Neumarktschen Kreis bis ins Breslausche bejammerswerte Verwüstungen an Feldern, Bäumen und Gebäuden an; der Hagel beschädigte nicht nur Menschen, sondern entblößte auch Bäume von ihrer Rinde und schlug Hasen und Rebhühner tot. Die Ernte war sehr zeitig und in hiesiger Gegend bereits in der Mitte August gänzlich beendet. Obst und Gartenfrüchte von besonderer Schönheit und Menge, und die vortreffliche Herbstwitterung hatte dem Wein eine Güte gegeben, welche nach den Nachrichten aus weinbauenden Ländern, die des berühmten Cometenjahres 1811 bei weitem übertraf. Im Herbst gab es eine ungewöhnlich große Anzahl von Feldmäusen, die mancherlei Schaden anrichteten, hier aber doch nicht so häufig waren als in den Rheingegenden. In diesem Sommer herrschte das Scharlachfieber in Schweidnitz und starben daran einige 30 Personen. Die Schulen mußten deshalb 6 Wochen lang geschlossen werden. Dies Jahr gab es ungewöhnlich viele Brände fast im ganzen schlesischen Lande. Die Vermutung herrschte vor, daß viele, boshaft gestiftet waren.

Auch in politisch- und völkerrechtlichen Beziehungen ist dies Jahr gewiß unter die merkwürdigeren und folgenreicheren zu rechnen. Nach den glücklich geendeten Kriegen gegen Frankreich hatte sich vieler Köpfe in mehreren, besonders südlichen Ländern Europas ein politischer Freiheitsschwindel bemächtigt; in den nördlichen erstreckte dies sich nur auf einige, jedoch von der Wachsamkeit und menschenliebenden Klugheit der Regierungen sorgfältig bewachte und unterdrückte kleinere Verbindungen. Infolge dieser Gemüts- und Tatenbewegungen führte jetzt zum Beispiel Spanien, das freilich wohl Ursach gehabt haben mochte, seine Constitution zu ändern. sich aber in den angewendeten Modifikationen etwas vergriff, einen bejammernswerten Bürgerkrieg und hatte, wie Portugal, seine amerikanischen Besitzungen verloren, wurde Neapel und Piemoat von den Österreichern besetzt gehalten und führten die unterdrückten Griechen mit abwechselndem Glücke Krieg zu ihrer Befreiung vom schmählichen türkischen Joche, ohne daß die Waffen der Osmanen den Aufruhr zu besiegen vermochten. Am merkwürdigsten aber ist dies Jahr und der gegenwärtige Augenblick dadurch, daß sich in ihm Europas mächtigste und mindermächtige Beherrscher soeben in VERONA versammelt haben, um dem politischen Streben eine menschenbeglückende Richtung zu (geben, der Hydra der Zwietracht den Kopf zu spalten, das Band ihres heiligen Bundes noch fester zu knüpfen, die Freundschaft der Völker unter sich zur Fortdauer neu zu beleben. dem verderblichen Schwindel mächtige Grenzen zu setzen und wahrscheinlich auch, ihrer schon früheren Zusage, ihren Völkern eine beglückende, liberale Verfassung mit vernunftmäßiger Volksvertretung zu geben, die Krone aufzusetzen. Möge die Vorsehung ihr Werk segnen und unsern König, den gerechten, liebevollen Vater seines Volks, wohlbehalten in sein Reich zurückführen.

In diesem achtzehnhundertzweiundzwanzigsten Jahre regierte den preußischen Staat der allerdurchlauchtigste großmächtigste König FRIEDRICH WILHELM der Dritte, dem die Welt ihre volle Achtung zollt, den seine Untertanen in Ehrfurcht und Liebe als ein Geschenk des Himmels betrachten. Er vollendet den 16. dieses Monats sein fünfundzwanzigstes schicksal- und tatenreiches Regierungsjahr. Gott gebe Ihm ein langes Leben, damit uns das Glück Seiner Regierung noch lange zuteil werde. Für den Fall, dass die Vorsehung über das Leben unsers allergnädigsten Königs gebietet, beruht die Hoffnung Seiner getreuen Untertanen auf dem erhabenen Haupte Sr. Königl. Hoheit, des Kronprinzen FRIEDRICH WILHELM, in welchem sich der Tugendsinn seines hohen Vaters und die Liebenswürdigkeit seiner unvergeßlichen, schon in die Ewigkeit gegangenen Mutter schön und Zutrauen erweckend vereinigen.

  • Staatskanzler war der Fürst v. HARDENBERG, ein Staatsmann, dessen leitende Weisheit, nebst BLÜCHERS Tapferkeit, den wesentlichsten Anteil an der Wiederemporhebung der preußischen Monarchie in den Jahren 1813 und 1814 hatte.
  • Das Oberpräsidium der Provinz Schlesien verwaltete im allerhöchsten Auftrage Herr RICHTER, welcher zugleich dem Oberer-Consistorium und Medizinal-Collegium der Provinz und der Regierung zu Breslau als Präsident vorstand.
  • Kommandant hiesiger Festung war der königt. Generallieutenant und Ritter des Roten-Adler-Ordens 3. Klasse, auch mehrerer Orden, Baron von BOSE.
  • Landrat des Schweidnitzer Kreises war Herr Emanuel v. WOIKOWSKI auf Nieder-Arndorf usw.


In hiesiger Stadt waren:

  • Königlicher Superintendent, Kreisschuleninspektor und Pastor primarius Herr Georg August KUNOWSKI,
  • Königlicher Kreisschuleninspektor, fürstbischöflicher Commissarius, Kanonikus und Stadtpfarrer Herr Joseph PRILLMAYR,
  • Stadt- und Landgerichtsdirektor der Königl. Kreisjustizrat Herr Carl SCHNIEBER
  • Königlicher Steuerrat Herr Carl August SCHUBART
  • Inquisitor publicus Herr Heinrich Friedr. Wilh. SCHULZ
  • Correctionshausdirektor der Königl. Commissionsrat Herr Georg Joachim NEUMANN
  • Dirigent des Gymnasial-Collegiums vorgedachter Herr Justizrat SCHNIEBER
  • Rektor des Gymnasiums der Königl. Professor Herr Carl Wilhelm HALBKART
  • Rektor der katholischen Stadtschule Herr Johann Caspar PROCOP
  • Stadtverordnetenvorsteher Herr Vorwerksbesitzer Ernst Wilhelm FICKERT
  • Stadtverordnetenprotokollführer Herr Ernst Wilhelm JUNG, Kaufmann
  • Kreisphysikus Herr Dr. Medicinae Carl Anton ILGNER
  • Obervorsteher des evangelischen Kirchenkollegiums und Dr. Medicinae Herr Theodosius Gottfried NEIGEFIND
  • Kaufmannsälteste Herr Johann Gottfried SCHMIDT und Herr Friedrich BETTAUER
  • Kretschmerzunftsältester Färber Herr Job. Friedr. HEINZEL
  • Tuchmacherzunftsältester Herr George Gottlieb OPITZ
  • Fleischerzunftsältester Herr Joseph SCHUBERT
  • Bäckerzunftsältester Herr Joseph WINKLER
  • Schuhmacherzunftsältester Herr Friedrich Willhelm MOSES
  • Schneiderzunftsältester nach dem Ableben des Oberältesten, Herrn Andreas HELLERING, der Nebenälteste, Herr Jacob RINGS als Amtsführer


Uns, dem Magistrat, bestehend zur Zeit aus dem

  • Bürgermeister Johann Benjamin KUSCHE
  • Syndikus Johann David BOEHM
  • Kämmerer Ernst Samuel SIEBERT
  • Ratsherr Christoph Theodor LANGER
  • Ratsherr Philipp August LEO
  • Ratsherr Johann Benjamin STEINBRICK
  • Ratsherr Wilhelm Gottlieb BERGMANN
  • Ratsherr Friedrich Moritz PACHALY


Zum besseren Verständnis der Preisangaben:
Seit 1821 galt in Preußen, also auch in Schlesien, 1 Taler 30 Silbergroschen, 1 Silbergroschen = 12 Pfennige. - Der preuß. Scheffel (= 16 Metzen) faßte 54,964 Liter (Verdenhalven S. 45), ein Quart 1,145 Liter (I.c. S. 42).