Post und Fernmeldewesen in Ostpreußen

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Bearbeiter: Holger Schimkus

Allgemeines

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Im Rückblick auf vergangene Zeiten ist die Nachrichtenübermittlung ein großes Abenteuer gewesen. Eine staatlich organisierte Post gab es nicht. In unserer Zeit ist die Übermittlung von auf Papier geschriebenen Nachrichten auf einem absterbenden Ast zu finden. E-Mail, SMS, MMS und Online-Nachrichten sind in unserem Leben unverzichtbar geworden. Mobile Telefone nerven schon erheblich. Jeder muss zu jeder Zeit zur Tele - Kommunikation fähig sein. Abfällig redet man schon von der "Snail-Mail" (Schneckenpost) wenn es um die Briefzustellung der Papier-Post geht. Erinnern wir uns! Phillip Reis erfand erst 1861 ein funktionierendes Telefon. Mit dieser Erfindung war telefonieren für jeden nicht speziell ausgebildeten Bürger möglich. Die Erfindung des Draht-Telegrafen und sein erster Einsatz am 1. Januar 1847 zwischen Bremen und Bremerhaven brauchten Spezialisten, die die Morsetechnik beherrschten.
Unvorstellbar, wie unsere Vorfahren dieses Problem der Postbeförderung und Nachrichtenübermittlung über die weiten Strecken zwischen den Orten und Länder bewältigten. Anfänglich gab es in unserem Sinne noch keine brauchbaren Straßen und keine Eisenbahn.

Postwesen

Doch wie war es einmal? Der zwischen den Orten und Ländern stattgefundene Handel hat in dieser „grauen Vorzeit“ die Verbreitung von Nachrichten und den Transport von Briefen ermöglicht. Land- und Fluss fahrende Kaufleute betätigten sich als Überbringer von Nachrichten. Sie beauftragten auch eigene Boten mit der Briefbeförderung gegen Bezahlung. Gilden, Zünfte, Stadtverwaltungen, Militär, die Geistlichkeit – ihr intensiver werdender schriftlicher Informationsaustausch war in mittelalterlichen Sozial- und Wirtschaftsstrukturen unverzichtbar geworden.

Ritterorden

Der Deutsche Ritterorden, gegründet 1148, organisierte seit längerem ein eigenes Nachrichten-Übermittlungsnetz

Der Bote wartet auf die Depesche

zwischen seinem Hauptsitz Marienburg, allen Komtureien und Ordensburgen, zu Städten und Dörfern und den fernen Residenzen und Handelsstädten in West- und Ostpreußen, Pommern. Auch die europaweite Verteilung wurde vorangetrieben. Kaiser Friedrich II. (1194–1250) hatte den Deutschen Orden 1226 mit der Ausübung herrschaftlicher Gewalt in Nordosteuropa beauftragt. Das Herzogtum Pomerellen in Westpreußen hatte voreilig gehandelt und 1226 die Freiheit des Reise- und Botenverkehrs zur Briefbeförderung mit einer Urkunde abgegeben. Überliefert ist, dass dem Deutschen Orden im 13. Jahrhundert sehr an schneller Beförderung seiner Korrespondenz gelegen sein musste. Auf ihren Wegen zwischen den weit verteilten Ordenshäusern sollten die Boten immer umsonst von Fährleuten übergesetzt werden.

Die Ordensbrüder waren als Postboten überwiegend zu Fuß unterwegs, nicht etwa nur zu Pferde, wie man bei einem Ritterorden voraussetzen könnte. Es war auch eine Kostenfrage, hätte der Orden die Pferde mit Futter versorgen und ihre Unterbringung bezahlen müssen. Das Risiko finanzielle Verluste bei Erkrankung wollten sie nicht tragen. Daher findet sich in der vorliegenden Korrespondenz kein Hinweis auf reitende Boten. Die Ordensritter schafften es sogar einen Expressdienst einzurichten und waren durch eine aufgestellte Zeittafel der nötigen Beförderungszeiten einschätzbar. Zuverlässigkeit und schneller Transport zeichnete die frühe Postorganisation aus. Die Portokosten waren für den Auftraggeber doch enorm. Die Depesche, in Marienburg aufgegeben, über Wien nach Rom kostete doch 20 Golddukaten. So ein früher „Postbote“ schleppte meist einen 30 kg schweren Postsack über seine vorgegebene tägliche Strecke von ca. 30 Kilometern! Die Beförderungszeit dieser Tage war enorm und soll am Beispiel einer 500 km langen Posttour verdeutlicht werden. Der Bote brauchte um die 24 Tage dafür.

Die Hanse

Die im Hansebund stehenden Städte bildeten auf ihren Handelswegen eine eigene Postorganisation aus. Sie diente hauptsächlich ihren eigenen Bedürfnissen. Die Beförderung hansefremder Postsendungen wurde jedoch nicht abgelehnt, brachten die Sendungen doch ein Zusatzgeld. Der Postaustausch konnte über die Schiffe der Hanse-Kaufmannschaft auch mit dem Ausland stattfinden. In aller Regel waren die Hansestädte aber im Küstenbereich der Länder zu finden. Das Hinterland musste sich postalisch an diese Städte anschließen.

Neuordnung im Postwesen ab 1600

Zur historisch bedeutenden Figur ist Christoph Frischmann (1575–1618) geworden, einer der ersten Berliner Boten- und Postmeister. Er richtete während seiner Dienstzeit (1600–1618) neue Botenlinien ein, verbesserte die Planung der Strecken. Unter seiner Verantwortung wurden Land und Wegekarten erstellt, die mit ihrer Aussagekraft vorher so nicht verfügbar waren. Er schaffte die erforderlichen infrastrukturellen Einrichtungen wie Botenstationen, Postlager, Wegeausbau und Beförderungsnachweise.
Frischmann richtete 1616 einen Botenkurs von Berlin nach Königsberg ein, der bald zentrale Bedeutung erreichte. Dieser Kurs funktionierte schnell und zuverlässig. Der Kurfürstliche Botenmeister war eine wichtige Person mit weit reichenden Vollmachten. Er zählte zum kleinen Kreis derer, die schreiben und lesen können, gewandt. Höflichkeit im schriftlichen Ausdruck und Umgang gehörte dazu. Die Zuverlässigkeit und Verschwiegenheit waren unabdingbar. Eine hochrangige Vertrauensstellung!

Dreißigjähriger Krieg

Während des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) richteten Schweden gut organisierte Postkurse in Deutschland ein, die ab 1630 auch über Berlin führten. Die schwedischen Dragoner beförderten ihre Feldpost als militärische Kuriere zu verteilenden Befehle und andere militärische Korrespondenz, aber auch Privatpost. Sie wurden dann von der Bevölkerung sehr schnell „Postschwede“ und nicht Postbote genannt. Für politisch- militärische Verbindungen wurde 1634 die erste regelmäßig reitende Post zwischen Cölln an der Spree und Crossen (später bis Glogau) eingerichtet, gleichen Zweck verfolgte ab 1635 eine tägliche Botenpost von Berlin über Spandau und Rathenow nach Tangermünde. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges war der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620–1688) vom Nutzen eines straff organisierten, landesweit verzweigten, einheitlichen Postsystems überzeugt. Pläne zur staatlichen Übernahme und Vereinigung des gesamten Botenpostwesens entstanden. Nicht mehr nur Hofkorrespondenz war durch die neue Post zu vermitteln. »Weil zuvörderst dem Kauf- und Handelsmanne hoch und viel daran gelegen« sei, ordnete der Große Kurfürst den durchgehenden öffentlichen preußischen Postkurs von Memel im Osten über Königsberg und Berlin bis hin nach Bielefeld und Cleve im Westen an. Entsprechendes General-Postpatent erhielt der Postmeister am 30. Juli 1649. Dieser 1 500-Kilometer- Fernpostkurs war die erste größere Maßnahme auf dem Weg zu neuartiger Postorganisation.

Beginn der Staatspost

Endgültig hob der Große Kurfürst 1651 sein Postwesen in den Rang einer Staatspost: Mit seinem eigenen Postregal setzte er sich über habsburgisch- kaiserliche Postreservatsrechte hinweg und verbot dem berühmtberüchtigten kaiserlichen Generalpostmeister von Thurn und Taxis jede postalische Aktivität im Kurfürstentum.

Postorganisation ab 1701

Brief (um 1830) noch ohne Marke

Das Königreich Preußen entstand durch die Standeserhebung des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. zum König in Preußen Friedrich I. am 18.01.1701 in Königsberg. Das neu gegründete Königreich war Nachfolger des in einer Personalunion regierten Brandenburg-Preußens. Es bestand bis zur Novemberrevolution und der darauf folgenden Abdankung des preußischen Königs am 09.11.1918. Nachfolgestaat wurde der Freistaat Preußen. Das Königreich Preußen verausgabte die ersten Marken am 15.11.1850 mit dem Kopfbild von König Friedrich Wilhelm IV. Die Post ging 1868 an den Norddeutschen Bund und am 04.05.1871 auf die Reichspost des Deutschen Reiches über. Neben Österreich war Preußen seit dem Wiener Kongress (1815) der bedeutendste Staat im Deutschen Bund. Die ersten vier Ausgaben erschienen am 15.11.1850. Der politische Anspruch Preußens, eine der beiden Führungsmächte im deutschsprachigen Raum zu sein, wurde auch bei der Motivwahl unterstrichen. Während sich andere Staaten auf rein funktionale Ausgaben beschränkten, zeigten die preußischen Marken - als einzige deutsche Erstausgabe - das Konterfei des Staatsoberhauptes. Neben der Abbildung von Wilhelm IV. als Regent weisen die ersten Ausgaben aber eine weitere, revolutionäre Besonderheit auf, denn zum ersten Mal ist das Papier, das zum Druck von Postwertzeichen verwendet wird, mit einem Wasserzeichen (Lorbeerkranz) versehen. Die preußische Posthoheit umfasste damals bereits ein großes Staatsgebiet, das von Aachen im Westen bis nach West- und Ostpreußen reichte. Ab 1850 gab es 1.721 und um 1870 schon 3.800 Postexpeditionen. Im Einsatz waren 1.987 Ringnummernstempel, die meist den Postexpeditionen in alphabetischer Reihenfolge zugeordnet waren. Das Stempelbild bestand aus vier Ringen, in deren Mitte eine Zahl zwischen 1 und 1987 angeordnet war. Eine Sonderform waren die sog. "Hufeisenstempel", die außer in Preußen noch in einigen anderen deutschen Ländern verwendet wurden. Zu jener Zeit unterhielt Preußen auch eigene Postämter in den Hansestädten Bremen und Hamburg. Über viele Jahrzehnte hinweg verbesserte sich das Postwesen und war auch für den "Normalbürger" zu einem moderaten Porto nutzbar. Kriege veränderten auch das Postwesen mit ihren politischen Ergebnissen. Der Versailler Vertrag bescherte auch Ostpreußen schwierige Bedingungen.

Deutsche Abstimmungsgebiete - Memelgebiet

Von allen ehemals deutschen Gebieten hat das "Memelgebiet" die vielleicht wechselvollste Geschichte. Zunächst kam das Gebiet unter französische Mandatsverwaltung, aber schon 1923 wurde es von Truppen des nach dem 1. Weltkrieg von Russland unabhängig gewordenen Litauen besetzt. 1939 gelangte das Memelgebiet dann in den nationalsozialistischen Machtbereich. Insgesamt sind 237 verschiedene Briefmarken katalogisiert. Die Nummern 1 - 120 (Michel-Katalog) fallen in die französische Mandatszeit. Die erste Ausgabe auf Germania-Marken des Deutschen Reiches trug den Aufdruck "Memelgebiet", danach wurden französische Marken mit Aufdruck verwendet, die neben dem Aufdruck "Memel" auch die Nominale in Mark bzw. Pfennig enthielten. Unter litauischer Besatzung wurde das Territorium als "Klaipeda / Memel" bezeichnet. Im Jahre 1939 erschienen dann unter deutscher Verwaltung die Nr. I - IV, die den Aufdruck "Memelland ist frei" auf den litauischen Marken 425 - 428 enthielten. Das Memelgebiet wurde lt. Art. 99 des Versailler Vertrages abgetreten und unter französische Verwaltung gestellt. Am 10.01.1923 besetzte das erst nach Kriegsende von Russland unabhängig gewordene Litauen das Land und gliederte es mit Erlaubnis der Pariser Botschafterkonferenz ein. Zunächst gab es eine autonome Verwatung, im Mai 1924 übernahm Litauen dann die volle Souveränität. Auch die Briefmarken zeigen die wechselhafte Geschichte: im August 1920 erschienen Germaniamarken des Deutschen Reichs mit dem Überdruck "Memelgebiet" und fast gleichzeitig gab es eine französische Mandatsausgabe mit dem Überdruck "Memel" und deutscher Währungsangabe. Danach folgten weitere französische Marken mit Überdruck und auch Flugpostmarken. Ab Februar 1923 wurden ganz neue Postwertzeichen herausgegeben: dies waren nicht erschienene litauische Dienstmarken, die einen Aufdruck erhielten. Im März erschienen Marken mit dem Aufdruck "Klaipeda" und "Memel" und auch die noch folgenden Ausgaben waren mit einem Überdruck versehen.

Vermischtes

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Die gerade eingeführte Correspondenzkarte hat in der Bevölkerung für reichlich Verwirrung gesorgt. So konnte sich der einfache Bürger einfach nicht an den behördlich benutzten Begriff erinnern. In den Postämtern versuchten sich die Kunden mit den verschiedenen Eigenkreationen, um beim Beamten nach Porto etc. zu fragen. Der Postbeamte in Beuthen hatte diese Verdrehungen mitgeschrieben, die dann 1874 im Berliner Sonntagsblatt veröffentlicht wurden.


Statistik

Deutsche Reichspostverwaltung - 1873
Herausgeber: Generalpostamt
Die Statistik beweist die große und stetige Zunahme die das Postwesen des Deutschen Reichs genommen hat.
Das Deutsche Reichspostgebiet umfaßt 8077.052 Quadratmeilen mit 34.339.434 Einwohnern.


Im Jahre 1873 wurden 6 neue Postverträge geschlossen.



Art 1872 1873
Postanstalten ................5755 6001
Postanstalt/Einw. ................6004 5757
Verkaufsstellen Postwertzeichen ................2202 4337
Postbriefkästen ................29.150 30.665
Gesamtpersonal ................49.845 52.060
Postwagen ges. ................14.180 13.838
tägl. benutzte Eisenbahnzüge f. Postbeförderung ................2291 2540
Beförderte Poststücke ges. ................783.659.731 878.211.647
davon Briefe ................454.554.920 422.257.377
Postkarten ................8.470.951 26.948.267
Postanweisungen ................12.786.825 14.011.291
Zeitungsnummern ................1.774.213 2.307.921
Post Geldverkehr ................4.660.473.714 Thlr. 4.828.531.662 Thlr.
mit Posten (Kutsche) beförderte Personen ................5.558.214 5.702.073
Porto-, Gebühren-Einnahme f. interne Briefsendungen ................11.078.506 Thlr. 12.403.724 Thlr.
Briefsendungen von anderen Ländern ins Reichspostgebiet ................29.003.771 34.151.985
Briefsendungen vom Reichspostgebiet in andere Länder ................33.231.100 36.384557
Gesamt (incl. Postanweisungen, Zeitungen etc.) ................731.162.782 820.755.885
Briefe allein ................489.590.187 555.325.045
Portoeinnamen für Päckchen u. Pakete ................5.267.499 Thlr. 6.165.817 Thlr.
Portoeinnahmen Briefe m. Wertangabe ................970.252 Thlr. 1.022.394 Thlr.
Anzahl d. Briefe m. Wertangabe ................12.159.000 12.583.044
Postanweisungen innerh. d. Reichspostgebietes ................12.013.970 Stck. 13.119.293 Stck.
Postanweisungen innerh. d. Reichspostgebietes ................144.480.870 Thlr. 165.489.309 Thlr.
Postvorschussendungen ges. ................16.129.833 Thlr. 18.969.140 Thlr.
Postmandate ................3.144.647 Thlr. 13.489.074

An Freimarken, Frankocouverts, gestempelte Streifbänder und Postkarten wurden an die Korrespondenten abgesetzt, resp. von den Postanstalten zur Verrechnung das bar erlegten Frankos verwendet:
für 1872 16.684.551 Thlr. 22 Sgr. 4 Pf.
für 1873 18.245.472 Thlr. 17. Sgr.

Fernmeldewesen

Telegraph

Schreibtelegraf nach Morse 1880
  • Optischer Telegraph

Für Ostpreußen waren die von Friedrich Wilhelm II. und dem preußischen Kriegsminister durch den Generalleutnant von Müffling vorgeschlagenen optischen Telegrafen kein Thema. Zwischen Berlin und Koblenz wurde eine 700 km lange Strecke mit 61 Stationen aufgebaut und ging am 1. Oktober 1833 in Betrieb. 6 Stunden Betriebszeit wurden bei Tageslicht festgelegt. Bei Nacht und schlechter Sicht gab es keine Nachrichten. 155 000 Taler kostete das System und fraß jedes Jahr 54 000 Taler für den Betrieb. Die Linie wurde ausschließlich für militärische Zwecke verwendet. Ein weiterer Ausbau zu anderen Städten wurde durch die Weiterentwicklung der Technik hinfällig. Der Betrieb wurde am 15. April 1835 eingestellt. Memel hat von diesem System nichts gehabt!

  • Elektrischer Telegraph

Die Erfindung des elektrischen Telegrafen begeisterte Friedrich Wilhelm IV. und den Kriegsminister in einer Vorführung in Potsdam am 8. Oktober 1840. Oberst O´Etzel demonstrierte das neue Gerät. Der Auftrag wurde für eine Versuchsstrecke zwischen Berlin und Potsdam erteilt. Fertig gestellt wurde sie am 30. August 1846. Neben dem oberirdischen Leitungsbau wurde auch mit isolierten Drähten gearbeitet. 1846 schaffte Werner Siemens eine Isolation aus Guttapercha, die um den Draht gepresst wurde. 1848 wurde das Staats-Telegraphennetz beschlossen. Im Oktober 1849 konnte man bereits über eine Linienlänge von 2387 Kilometern verfügen. Die unterirdische Verlegung verursachte alsbald Betriebsstörungen. Gegen Tierfraß hatte man dem Guttapercha-Isolierstoff Schwefel zugesetzt und damit unbewusst einen chemischen Zersetzungsprozess ausgelöst. Kurzschlüsse waren die Folge. In der Adressbuch-Ausgabe 1858 für Memel wird die Königliche Telegraphen-Station genannt. Als Vorstand: von Resowsky. Schikorra, Fritsch, Ahlsdorf, Holder-Egger als Telegraphisten. Bote war Habermann. Die neue Technik der elektrischen Telegrafie hat Memel und damit auch Ostpreußen schnell erreicht. Das Problem war die Zugänglichkeit dieser Telegrafie. Sie konnte nur durch Spezialisten bedient werden.

  • Ausbau der telegrafischen Verbindungen
  • 25. Juni 1857 veröffentlicht der Telegraphen – Bauführer ‚Suckau folgende Ausschreibung:
    Zur Herstellung einer Telegraphen – Linie von Memel bis zur Russischen Grenze bei Polangen sind 508 fichtene Telegraphen – Stangen von folgenden Dimensionen zu liefern: 58 Stück von 5 ½ bis 6´´ Zopf, 26´ lang, 435 Stück wie vor, 20´ lang, 15 Stück von 8 bis 9´´ Zopf, 26´ lang. Lieferungslustige wollen ihre Offerten auf der hiesigen Telegraphen – Station abgeben, wo auch die näheren Bedingungen eingesehen werden können.
  • 12.02.1874 erscheint ein Artikel im Memeler Dampfboot, der sich mit einer Veranstaltung des Handwerkervereins in Memel beschäftigt. Am 9. Februar 1874 füllte sich der Schützensaal zu einem Vortrag des Lehrers Schiemann. Er stellte fest, dass fast alle zivilisierte Länder von Telegrafendrähten durchzogen werden. Er verglich die Drähte mit den Nerven, die den Körper als weiße Fäden durchziehen. Wie nun die Telegrafendrähte für sich allein keinen Zweck haben, sondern nur dann, wenn sie auf den verschiedenen Stationen mit einem Apparat in Verbindung stehen, der die Nachricht durch die Drähte entweder aufgibt oder empfängt, so verhält es sich gerade mit unseren Nerven. Die Nerven sind aber jeweils nur in einer Richtung durchgängig. Sie sind Empfindungsnerven und Bewegungsnerven – getrennt als Hin- und als Rückleitung anzusehen. Die Telegrafenleitungen können in beiden Richtungen gebraucht werden. Man schreibt, dass der Vortrag sehr reichhaltig war und die Wiederholung in der Zeitung daher schlecht möglich sei. Der Lehrer Schiemann benutzte für seinen Vortrag auch Zeichnungen.
  • 06.09.1874 unter Locales lässt sich ein Artikel finden, der den Bau einer Telegrafenstrecke zwischen Memel und Immersatt anspricht. Die Kaufleute wünschten sich seit längerer Zeit eine telegrafische Verbindung zwischen Immersatt und der Stadt Memel. Sie wird am 16. September mit „beschränkten Tagesdienst“ ihren Verbindungsdienst aufnehmen. Ebenfalls am 16. September und auch unter „beschränktem Tagesdienst“ wird die neu errichtete Telegrafenstation in der Nachbarkommune Schmelz ihren Dienst aufnehmen.
  • 06.06.1875 meldet die Zeitung Memeler Dampfboot, dass die Annahme und Übermittlung von Privat-Depeschen bei den Eisenbahn – Telegrafenstationen in Memel, Prökuls, Heydekrug und Pogegen ab dem 15. Juni 1875 möglich sein werden. Die Eisenbahn – Telegrafenverbindungen waren bis dahin ausschließlich für den Dienstgebrauch und für den internen Betrieb der Eisenbahn verfügbar. Offensichtlich war die Auslastung mit dienstlichen Nachrichten gering und man entschloss sich zu einer zusätzlichen Einnahmequelle. Kostenfrei war die telegrafische Übermittlung nicht! Hatte sich die Eisenbahn an die Vorgaben der Reichstelegraphenverwaltung zu halten? Die hatte der Bevölkerung eindeutige Vorschriften für die Abfassung von Telegrammen gemacht, die Anfang Juni 1875 wiederholt veröffentlicht wurden. Um Gebühren zu sparen, es wurde nach Anzahl der Worte abgerechnet) , zogen die Kunden wohl viele Worte zu jeweils zusammengesetzte Worte zusammen…

Es wird für weite Kreise von Interesse sein, darauf aufmerksam gemacht zu werden, daß die Reichstelegraphenverwaltung die expedierenden Beamten angewiesen hat, jedes Wort, das willkürlich aus zwei Substantiven gebildet worden ist, doppelt zu zählen, damit jedes einfache Telegramm auch wirklich nur 20 Worte enthalte. Unsere Deutsche Sprache hat dem Missbrauch Vorschub geleister, dem jetzt durch scharfe Kritik der eingelieferten Telegramme ein Ende gemacht werden soll. So vorsichtig, wie wir beim Schreiben zwei Hauptworte durch einen Bindestrich in näheren Conner bringen, müssen wir fortan auch bei Abfassung eines Telegramms verfahren, sogar noch vorsichtiger denn die Telegraphenverwaltung kennt beispielsweise nicht einen „Arnimsprozeß“ sondern nur einen „Arnim-Prozeß“. Um weitere Beispiele anzuführen: auch eine „Reichskanzlerkrisis“ respecitrt die Telegraphenverwaltung nicht, und eben so wenig nimmt sie für die „Gustavaffaire“ Partei. Weshalb, so fragt der logisch denkende Telegraphenbeamte, soll ich die „Krisis“ mit dem Wesen des „Reichskanzlers“ in untrennbare Verbindung bringen? So viel aus dem Gebiet der Politik. Der Kaufmann wird ebenso scharf controllirt wie der Zeitungs-Berichterstatter; er darf nur noch melden, daß der die „Getreide - Lieferung“ oder die „Pferde – Ausfuhr“, die „Effecten – Sendung“ oder sonst welches „Börsen – Geschäft“ bewirkt habe. Und will ein Bräutigam seiner Braut per Draht melden, er habe die „Verlobungsanzeige“ inseriren lassen, so darf er ihr außerdem nur noch achtzehn Worte zugehen lassen, weil die „Verlobungs – Anzeige“ doppelt zählt.

Der Ausbau der Drahtverbindungen geht vermehrt ins Detail. Die 20 Jahre alte und im Alltag bewährte Technik hat die großen Entfernungen gut überwunden und für die schnelle Übermittlung von Nachrichten unverzichtbar gemacht. So sind denn auch kleine Verbindungswünsche realisiert worden. Man bedenke – es gab noch kein Telefon! Das kam erst 1877 funktionsfähig auf den Markt. Doch in den nächsten 2 Artikeln zeichnet sich der Bedarf für zukünftige telefonische Verbindungen ab. Aus heutiger Sicht war die Ausbildung von Telegraphen nicht verkehrt. Sie wurden auch noch im späteren Funkdienst gebraucht. Heute ist das telegrafieren eine fast vergessene Technik.

  • 18.08.1875 berichtet der Memeler Dampfboot von einer Erweiterung der Telegrafenverbindung. Gegenwärtig ist man damit beschäftigt, die Telegraphen – Station mit dem Bahnhof und dem Postamt durch eine telegraphische Leitung in Verbindung zu bringen.
  • 07.12.1875 Zwischen dem hiesigen Leuchtthurm und der Lootsen – Baake ist eine telegraphische Verbindung hergestellt und hat ein Theil des Seelootsen – Personals nebst dem Leuchtthurmwärter das Telegraphiren so genügend erlernt, daß Nachrichten von Belang über Ereignisse auf See vom Leuchtthurme aus per Draht dem Lootsen – Commandeur gegeben werden können.

Auch die Polizei profitiert von der Telegrafie-Technik und ihrer großen Reichweite. In manchen Gerichtsverfahren tauchen Festnahmen von Tätern auf, die wohl nach ihrer Tat flüchteten, aber am entfernten Ort durch die Gendarmen gegriffen wurden. Das Fahndungsersuchen war sicherlich eher bei den Beamten, als der Flüchtende dort überhaupt ankommen konnte.
Zu Weihnachten 1875 wurden bereits "Telegraphen-Apparate" für den Gabentisch angeboten! Technik-Interessierte konnten sich so ihre eigene private Station aufbauen. Natürlich durften sie nicht mit dem öffentlichen Netz zusammengeschaltet werden.

Telefon

Auszug aus Adressbuch Memel von 1897
Fernsprechapparat 1892

1861 erfand Philipp Reis das Telefon. Erstmals war es möglich, gesprochene Worte über größere Entfernungen zu übertragen. Im Jahr 2011 feiern wir das Telefon. Es ist nun 150 Jahre alt. Der erstmals über das Telefon gesprochene Satz des Herrn Reis soll "Das Pferd frißt kein Gurkensalat" gewesen sein. 1877 gab es in Berlin Friedrichsberg das erste öffentliche Fernsprechamt. Die Teilnehmer wurden durch das Fernsprechamt mit der Hand vermittelt. Viele junge Damen standen an den Klappenschränken und stöpselten die Vermittlungsschnüre. In großen Vermittlungsstellen sogar auf Rollschuhen!
Im Adressbuch Memel von 1898 gibt es ein Extraverzeichnis über die Fernsprechteilnehmer. Die Teilnehmer hatten zwar eine Rufnummer, sie wurde aber nur beim Vermittlungswunsch gebraucht. Die Ordnung am Klappenschrank war nicht auf die Namen der Teilnehmer festgelegt, sondern nur auf die Nummern. Die musste der Teilnehmer bei seiner Gesprächsanmeldung wissen. Zwei Seiten im Adressbuch reichten für die im Aufbau befindliche Fernsprecherei aus um alle Teilnehmer zu erfassen.
Wann genau das erste Telefon in Ostpreußen/Memelgebiet installiert wurde ist derzeit nicht bekannt.
Mit dem Fernsprechapparat fiel eine spezielle Ausbildung (Telegrafist)des Nutzers weg. Jeder konnte dieses System direkt benutzen, nur wenige Handgriffe musste man beherrschen. Kurbeln am Induktor für den Rufstrom zur Vermittlung - Gespräch führen - und am Ende noch einmal für das Gesprächsende kurbeln. Das war alles.

  • Amtsblatt des Memelgebietes Ausgabe vom 31.12.1921 (Auszüge)

Fernsprechgebühren (Inland)
Für jeden Hauptanschluss an ein Fernsprechnetz wird eine Pauschgebühr erhoben. Sie beträgt:
in den Netzen von nicht mehr über 50 Anschlüssen 1000 Mk (...) jährlich für jeden Anschluss, der von der Vermittlungsstelle, an die er geführt wird, nicht mehr als 5 km entfernt ist. Bei Spechstellen, die in der Luftlinie mehr als 5 km von der Vermittlungsstelle entfernt sind, wird eine jährliche Zuschlaggebühr von 80 Mark für jede vollen oder angefangenen nach der Luftlinie gemessenen 100 m der überschießenden Leitungslänge erhoben.

Funk und Radio

Die Radio - Station in Memel mit seinem Sender in Jacken ist nicht zu verwechseln mit der Küstenfunkstelle (KüFuSt) in Sandkrug, der auf dem Gelände des Leuchtturms Memel stand.

Anfänge

1923 - wurde in Berlin die erste Rundfunk - Sendung in Berlin ausgestrahlt. Die Deutsche Reichspost begann aber bereits 1919 mit Versuchssendungen. In diesem Jahr hatte die Reichspost die bisherige Militärfunkstation auf dem Funkerberg in Königs Wusterhausen für zivile Zwecke übernommen. Die Beschäftigten der Post begannen mit Testübertragungen. Sprache und Musik haben ihre Eigenheiten. Sie mussten durch Experimente und Änderungen an der Aufnahme- und Sendetechnik übertragbar gemacht werden. Das erste Konzert konnte dann am 22. Dezember 1920 ausgestrahlt werden. Die Postler spielten Weihnachtsmusik. Das war die eigentliche Geburtsstunde des Rundfunks in Deutschland! 1924, vier Jahre später begann der Rundfunk dann mit öffentlichen Sendungen. Auf der "Empfängerseite" entwickelte sich eine rege Bautätigkeit. Wer es beherrschte und verstand, begann sich seinen Empfänger selbst zu basteln. Bauvorschläge dazu gab es in Zeitungen und Illustrierten. Anfänglich waren es noch Diodenempfänger. Einen Germaniumkristall, Kupferdraht, Bleche als Kondensator, eine Hörerkapsel aus dem Telefon und ein Holzbrett zur Montage - das war alles. Eine Batterie war nicht erforderlich. In den Bauanleitungen und für die ersten lieferbaren Empfänger gab es die Anweisung, die Germaniumdiode an einer Wand zu befestigen. Dort gab es keine Erschütterungen. Der Germaniumkristall war in einer Halterung eingespannt und mittels Justierschrauben musste man die Spitze des Kristalls mit einem Draht treffen. Der Draht durfte dann nicht mehr abrutschen. Der Telefon-Hörer wurde in eine Glasschale gelegt. So konnte die Radiosendung von allen Familienmitgliedern gehört werden. Diese Konstruktion besaß keinen Verstärker und alle mussten leise sein. Die Verwaltung der Reichspost hatte sich schnell auf die neue Rundfunk-Technik eingestellt. So musste sich der Rundfunkteilnehmer seine Empfangsgenehmigung beantragen und auch Gebühren dafür zahlen.
Viele Sender gab es zu dieser Zeit nicht. Der Sender Königsberg war der erste Sender, der Ostpreußen versorgte.
Quelle: Deutsches Rundfunkarchiv

Grafik Deutsches Rundfunkarchiv - Sendebezirk der ORAG 1924-1933


Königsberg hatte eine Sendeleistung von 0,5 kW und war auf 1382 kHz zu hören.
Er gehörte zur Ostmarken Rundfunk A.G (ORAG). Die ORAG wurde am 2.1.1924 in Königsberg gegründet. Der Sendebetrieb begann am 14.6.1924 und nach Umbenennungen wurde es zum 1.4.1934 Reichssender Königsberg.

(Platzhalter für Text)
Der Radiosender Litauen - Kowno, 7 kW auf 571 kHz (heute Kaunas) kam erst 1932 dazu.

Entwicklung

Natürlich begann die Industrie mit der Entwicklung von Rundfunk - Empfangsgeräten. Im Memeler Handelsblatt von 1931 liest sich das so:

Was ist Lumophon?

Firma Lumophon, Radio von 1931
Firma Lorenz, Radio von 1931

Die Lumophon-Werke Nürnberg vertreten einen Typ der Radio-Industrie von heute, dem geradezu eine einzig dastehende Entwickelung beschieden gewesen ist. Nach wenigen Jahren bekannt wie viele andere, heute ein führendes Werk der Radio-Industrie, dessen Popularität weniger auf die Propaganda als auf Qualität zurückzuführen ist. In der Saison 1930-31 gibt es natürlich auch Schlager von Lumophon, die auch auf dem litauischen Markte erschienen sind. Es ist ganz besonders zu begrüßen, dass die Preise der Lumophon-Radio-Apparate bei größter Präzision und hoher Qualität so niedrig gehalten sind. Die Händler gehen auch noch auf dem Käufer durch Einräumung von Raten-Zahlungen entgegen, sodass diese Organisation dazu beitragen wird, dass der Kauf eines Radio-Apparates nicht mehr als Luxus anzusehen sein wird. Die Entwicklung des Verkaufs von Lumophon-Radio-Apparaten ist am hiesigen Markte von grossem Erfolg begleitet. Die Klang Schönheit und Reinheit des Radio-Empfanges ist bei den Lumophon-Radio-Apparaten besonders zu bezeichnen.

Was ist Valvo? Ganz wenige ausländische Fabrikate können einen so enormen Erfolg auf dem litauischen Markte verzeichnen, wie die Valvo-Radio-Röhren der Firma Radioröhrenfabrik G.m.b.H., Hamburg. Noch vor 3 Jahren überhaupt in Litauen unbekannt, hat sich die Entwicklung dieses Geschäftes so gestaltet, dass “Valvo“ jetzt eine führende Radio-Röhre auf dem litauischen Markte ist. Zur Statistik dieser Entwickelung kann bemerkt werden, dass von den in Kaunas vorhandenen 8 Grossisten der Radio-Branche, sieben Grossisten ausschliesslich nur Valvo-Radio-Röhren verkaufen und gute Umsätze erzielen. Ferner arbeiten fast sämtliche Verstärker der Nadel-Tonfilm-Apparaturen in Litauen mit Valvo-Radio-Röhren. Und sogar der Kownoer Radio-Sender benutzt zur Modulation Valvo-Röhren. Dieser der Valvo-Radio-Röhre zuteil gewordene Erfolg ist auf die ganz besondere hohe Qualität zurückzuführen, welche die Radioröhrenfabrik Valvo dank der langjährigen Erfahrung auf dem Gebiete der Radio-Röhren-Technik zu leisten in der Lage ist.

Der Radio – Markt in Litauen (Quelle: Lietuvos Rinka, 1931, Nr. 2) Von den verschiedenen Zweigen des litauischen Handels muss besonders die Radio – Branche erwähnt werden. Radiogeräte erschienen auf dem hiesigen Markte verhältnismäßig erst seit kurzem (der Verkauf der ersten Radio-Empfänger hat in Litauen im Jahre 1925 angefangen) und wurden bereits im Laufe von einigen Jahren ein bedeutendes Objekt der litauischen Einfuhr. Besonders hat sich die Funkgeräteeinfuhr im abgelaufenen Jahre entwickelt und erreichte dabei die Höhe von 800 000 Lit. Die Entwicklung dieses Handelszweiges in Litauen zeigt die ständig wachsende Anzahl der registrierten Rundfunkhörer, was aus nachstehenden Zahlen ersichtlich ist:
In Jahre 1924 waren 7 registriert
1925...................172
1926...................323
1927.................5670
1928...............10528
1929...............10706
1930...............11526

Aus der Anzahl der vorjährigen Abonnenten hatten 7277 Detektorapparate und 4249 Lampenapparate. Aus den oben angeführten Angaben ist zu ersehen, dass die grösste Zahl der neuen Rundfunkabonnenten auf die letzten Jahre fällt. Diesen Erfolg des Rundfunks in Litauen ist durch die Standarisierung der Radio-Empfänger, die Vervollkommnung deren Konstruktion und die verhältnismäßige Verbilligung zu erklären. Gegenwärtig finden den besten Absatz auf dem litauischen Markte die in Litauen hergestellten Detektor- und Einröhrenapparate. Außerdem werden auch viel die mit einer sogenannten Schirmgitterröhre versehenen aus dem Auslande bezogenen 3- oder 4- Röhrenapparate verkauft, die zum Gleich- oder Wechselstrom angeschlossen werden können, sowie 3-Röhren-Batterieapparate. Im Unterschied zum Auslande, wo vorwiegend Radio-Apparate der ersten Art gebraucht werden, werden in Litauen, wo verhältnismäßig noch wenige Elektrizitätswerke vorhanden sind, mehr Batterieapparate verwendet. Übrigens werden in den Städten immer mehr Radio-Apparate mit unmittelbarem Anschluss an die elektrische Leitung verlangt, da deren Bedienung bequemer ist und sich billiger stellt.
In Anbetracht dessen, dass das Ausland die Neuherstellung von Batterie-Radio-Apparaten so gut wie eingestellt hat sind die Verkaufspreise dieser Apparate stark gesunken. Es ist einleuchtend, dass ein Preissturz für Radiogeräte im Auslande seine günstige Wirkung auf den Absatz in Litauen nicht verfehlen konnte. Es muss jedoch erwähnt werden, dass in der nächsten Zukunft der litauische Rundfunkhörer gezwungen sein wird, zum Gebrauch von an die elektrische Leitung anzuschließenden Apparaten überzugehen, da das Ausland in Anbetracht der fehlenden Nachfrage auf Batterie-Radio-Apparate die Herstellung derselben im nächsten Jahre vollständig einzustellen beabsichtigt. Es ist anzunehmen, dass dieser Umstand die weitere Entwickelung des Rundfunks in Litauen nicht hemmen wird, da die weitaus größere Zahl der Radio-Abonnenten sich in den Städten befindet, wo stets die Möglichkeit eines Anschlusses an die elektrische Leitung geboten wird. Dafür spricht auch die ständig wachsende Elektrifizierung des Landes, welche auch Ortschaften und Dörfer einbegreift. Radio-Apparate werden nach Litauen hauptsächlich aus Deutschland und Holland eingeführt. Als bekannteste Marken auf dem litauischen Markte können genannt werden: „Telefunken“ (die ersten in Litauen erschienenen Radio-Apparate), „Phillips“ u. „Lumophon“. Als hauptsächliche Verkaufspunkte für Radio-Geräte in Litauen gelten: Kaunas, Memel, Schaulen, Ponjewesch, Wilkomir (Ukmergé), Mariampol und Wilkowischki.

Memel bekommt seinen Rundfunksender

Bei Memel - Rundfunksender u. Antennenanlage
Antennenplan 1944 - Sender Jacken

Am 11. März 1936 wurde der Sender bei Memel durch die Litauer in Betrieb genommen. Liest man die Reden zur Inbetriebnahme des Senders wird der Zweck deutlich. Hier sollte ein Programm für die lit. Bevölkerung ausgestrahlt werden. Die Beeinflussung der deutschen Bevölkerung durch ein entsprechendes Programm-Angebot ist nicht zu leugnen.
Der Standort der Anlage wurde mit Miszeiken, Ortsteil Jacken, Kreis Memel, 800 m östl. der Straßengabelung der Landstraße Memel-Laugallen / Memel-Dawillen beschrieben.
Der Klaipeda Radio-Sender wurde von der Lettischen National Electric Company (VEF) und die Masten der Station und das Betriebsgebäude von der Post gebaut bzw. installiert. Der Sender Klaipeda sendete mit einer 10 kW Antenne. Das erste Pilot-Programm wurde am 11. März 1936 ausgestrahlt. Der Sender gehörte zum Staatsrundfunk. Die letzte Sendung mit litauischem Programmangebot war am 22. März 1939.
Im "Handbuch der Funksende- und -empfangsstellen der Deutschen Reichspost" (Erscheinungsjahr ca. 1944) wurde der Sender mit einer entsprechend amtlichen Stationsbeschriebung aufgeführt. Allerdings gab es in dieser Beschreibung den Hinweis, dass der Sender nicht mehr in Betrieb war. Technisch muss er aber noch voll Funktionsfähig gewesen sein. Für 1944 wird ein Sender mit 10 kW genannt. Der Sender war ab 500 kHz bis 1500 kHz frei durchstimmbar. Die Antenne hingegen eignete sich aber nur für Frequenzen zwischen 1100 und 1500 kHz.
1947 erschien der Sender Memel noch in der Senderliste. Er sendete auf der Mittelwellen - Frequenz 1384kHz (216,8m).





  • Rundfunksender M e m e l, Stationsbeschreibung 1944 - [1] Bilder des Senders zu finden auf www.zilionis.lt/history/klaipeda

Standort
Geographische Lage: 21° 13´ 39´´ Ost 55° 42´08´´ Nord
Genaue örtliche Lage: Miszeiken, Ortsteil Jacken, Kreis Memel.
800 m östl. der Straßengabelung der Landstraße Memel – Laugallen / Memel – Dawillen
Fernsprechanschluss: Memel 3337
Dienstleitung: zum Postamt Memel
Fernschreibanschluss: kbme
(gelbes Netz)
Vorsteher und Betriebsleiter: TI Böhnke

Zuständig für den Einsatz: RPD Gumbinnen
Funksachbearbeiter: PR Kaul
Fernsprechanschluss: Gumbinnen 2821/105, 2081
Fernschreibanschluss: 01726
Gelbes Netz: kbgu

Netzstromart: Drehstrom
Netzspannung: 6000 V 380/220 V
Stromlieferer: Städtische Werke Memel A. G.
Stromersatzanlage: Nicht vorhanden

Vorhandene Sender: 1 Mittelwellensender mit 10 kW, eingesetzt für Rundfunk.
Einrichtung für Ballempfang vorhanden: Ja, Baumuster: Telefunken Empf. D 770 WKK
Plattenspieler vorhanden: Ja, Baumuster: Gravor
Vorhandene Antennen: 1 Antenne für Mittelwellen (Vertikale Reusenantenne)

Anmerkung
RPD - Reichspostdirektion
TI – Technischer Inspektor
PR – Postrat

Gleichschaltung im Rundfunk

Nach den Reichstagswahlen vom 5. März 1933 wurden zahlreiche Mitarbeiter aus den Programmredaktionen, dem Technikbereich und der Verwaltung entlassen und v.a. auf Schlüsselpositionen durch Nationalsozialisten ersetzt. Die Rundfunkkompetenzen wurden ebenfalls im März 1933 vom Innen- und Postministerium an die Rundfunkabteilung (Abteilung II) des Propagandaministeriums übertragen. Im Zuge der Gleichschaltung der Länder erfolgte die Liquidation der regionalen Rundfunkanstalten, wurde ihr Vermögen von der Reichsrundfunkgesellschaft (RGG) übernommen, die den deutschen Rundfunk administrativ leitete. Ab dem 1. April 1933 fungierten die ehemaligen regionalen Rundfunkanstalten als unselbständige Zweigstellen der RGG. Neben diesen zentralistischen Tendenzen in der Organisationsstruktur, wurden auch die Führungsgremien der RGG personell konzentriert und die Machtbefugnisse sukzessive an das Reichspropagandaministerium delegiert.
Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in das litauisch besetzte Memelland wurde auch der Sender Memel "gleichgeschaltet" und sendete ab 1940 nur noch das Einheitsprogramm des Reiches.

Goebbelsschnauze - Volksempfänger

Volksempfänger VE 301 W

Das Reichspropagandaministerium wollte die Einflussnahme auf die Bevölkerung verstärken und griff die bereits in der Weimarer Republik begonnene Entwicklung des Volksempfängers wieder auf. Sie wurde von den Nationalsozialisten verstärkt vorangetrieben. Am 28. April 1933 schlossen 28 Radioempfänger produzierende Firmen einen Vertrag zum Absatz von Rundfunkgeräten und verpflichteten sich kurz danach zur Produktion des Volksempfängers, wobei jüdische Firmen von beiden Maßnahmen ausgeschlossen blieben. Aufgrund der von Goebbels festgelegten niedrigen Preise für die Empfangsgeräte und dem Erlass von Rundfunkgebühren konnten zwischen 1933 und 1941 ca. 4,3 Mio. Volksempfänger - im Volksmund auch „Goebbelsschnauze“ genannt - und 2,8 Mio. Kleinempfänger verkauft werden. Statt der üblichen 200 bis 400 Reichsmark (RM) für einen Radioapparat der gehobenen Klasse konnte der Volksempfänger für 76 RM erworben werden. Nur 35 RM kostete ab 1938 der "Deutsche Kleinempfänger". Trotz einer vergleichsweise hohen monatlichen Rundfunkgebühr von 2 RM erhöhte sich die Ausstattung der deutschen Haushalte mit Radiogeräten zwischen 1933 und 1941 von 25 auf 65 Prozent.

Küstenfunkstelle 'Memel Radio'


Die Reichs-Post- und Telegrafenverwaltung begann im Jahre 1904 mit Planungen zum Bau einer deutschen Großfunkstelle, die zunehmend aus Kreisen der Reichsmarine und vereinzelt von der Handelsschiffahrt gefordert wurde. 1907 wurde "Norddeich Radio" für den Betrieb freigegeben. Der Seefunkverkehr nahm rapide zu. Das lag auch an der vermehrten Ausstattung der Schiffe mit Funk. Neben "Norddeich Radio" errichtete die Post an der gesamten deutschen Küste ein dichtes Netz von Küstenfunkstellen für den öffentlichen und nichtöffentlichen Nachrichtenverkehr von und nach See. An der Nordseeküste entstanden "Bremerhaven Radio". "Cuxhaven Radio", "Elbe-Weser Radio" und "Helgoland Radio". An der Ostseeküste nahmen "Swinemünde Radio", "Rügen Radio", "Danzig Radio" und "Memel Radio" ihren Dienst für die Schiffahrt auf.
Am 14. Januar 1911 wurde in Deutschland die "Deutsche Betriebsgesellschaft für drahtlose Telegraphie mbH" (DEBEG) gegründet. Das Arbeitsgebiet der Firma war mit dem Ausbau und der Organisation des deutschen Seefunkdienstes vorgegeben. Schnell konnte sich die DEBEG auf dem Markt durchsetzen und hatte bereits wenige Monate nach ihrer Geschäftseröffnung 160 Schiffe mit Funkstationen ausgerüstet. Mit dem immer beliebter werdenden Seefunk wurde dem Handel und den Passagieren geholfen. Nun waren die Ankunftszeiten der Schiffe im Voraus ankündbar. Zu löschende Waren konnten bei den Hafenorganisationen angekündigt, die Transporte rechtzeitig organisiert werden. Die Anmeldung bei der Hafenbehörde und die Zuteilung der Liegeplätze für die Schiffe erfolgte nun bequem über Funk und im Voraus.
Nicht zu vergessen ist die Bereitstellung von Ersatzteilen zur Schiffsreparatur, die über Seefunk erfolgen konnte. Bei Seenot hatte die Schiffsbesatzung ein wichtiges Mittel in die Hand bekommen. Die internationale Funkkonferenz 1927 in Washington befaßte sich neben der Frequenzverteilung auch mit Neuregelungen für die Seeschiffahrt. "Mayday" (Sprechfunk, franz. M’aidez = helfen Sie mir) . Auf der Internationalen Funkkonferenz in Berlin wurde bereits am 3. Oktober 1906 "SOS" als Notsignal festgelegt (Tastfunk / morsen, engl. Save our Souls oder Save Our Ship („Rettet unsere Seelen” oder „Rettet unser Schiff”) wurden erst später in das Signal hineininterpretiert. Zu jeder 1/4 Stunde - für 3 Minuten - waren alle Funker zum Abhören der Notruffrequenzen verpflichtet. Diese Verpflichtung gibt es immer noch.

Auf dem Gelände des Leuchtturms Memel - Memel Strandvilla befand sich die Küstenfunkstelle (KüFuSt) Memel Radio.

Antennenfeld
Antennen- und Lageplan 1944


Sie diente ausschließlich dem Seefunkverkehr und war Sende- und Empfangsstelle.
Sie war mit 3 Mittelwellensendern (zusammen 0,60 kW) ausgerüstet. Die dort möglichen Betriebsarten waren Tastfunk (Morsen) und Sprache. Auch die Betriebsart Einseitenbandmodulation (SSB, engl.: Single-Sideband Modulation) war möglich Es wurde in den 30er Jahren von den Fernmeldeverwaltungen entwickelt und zunächst für die drahtgebundene Übertragung von Telefongesprächen über große Entfernungen, später auch für transkontinentale Funkstrecken eingesetzt. Ein Sender im Betriebsgebäude gehörte zu Lettland - Seefunk und diente der Verbesserung der Ausstrahlungsbedingungen auf der Ostsee. Dieser Sender arbeitete im Bereich 470 bis 550 kHz und 0,20 kW Sendeleistung. Die Station war mit 4 Empfängern ausgestattet und hatte insgesamt 3 Sende- und 3 Empfangsantennen. Die Langdraht-Antennen dienten ausschließlich dem Empfang.
Die Empfänger der Station stammten von der Fa. Telefunken: Spez 801, E 390Gr, E 407 Rö und Lw Ea.
Weitere Informationen über die Empfänger sind beim Seefunknetz.de [2] zu finden. Über die eingesetzten Sendegeräte und dessen Hersteller können z.Zt. keine Angaben gemacht werden.



Links neben dem Leuchtturm befand sich das Betriebsgebäude. Die Antenne L 3, eine Langdraht-Antenne, war sogar zwischen dem Gebäude und dem Leuchtturm gespannt. So sparte man sich einen Mast!
Die deutschen Funkgeräte deckten den Frequenzbereich 316 bis 513 kHz für Sender I, 375 bis 3000 kHz für Sender II ab. Die Sendeantennen, als Doppel T-Antenne mit Mitteneinspeisung, konnten den Geräten schaltbar zugeordnet werden.
Memel, Küstenfunk aktuell [3] GMDSS Küstenfunkstelle Litauen(Global Maritime Distress and Safety System)