Paddelbootfahren

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Paddelbootfahren im Memelland

Paddelbootfahren auf dem Haff

Von Gerhard Krosien

Tante Elsa hatte ein schönes, blau-weißes Paddelboot, einen Zweisitzer. Wenn's im Sommer damit losging, saß sie hinten, und wir zwei Bowkes, mein Bruder und ich, hockten hinter einander im vorderen Bootsbereich. Tante Elsa paddelte hinten, einer von uns beiden vorne. Das ging wie geschmiert, vor allem als wir Tante Elsas Paddelrhythmus raushatten. Zwar lief uns beim Paddeln immer noch ein bisschen Wasser vom Paddel in die Ärmel. Aber das gehörte unserer Meinung nach zum Paddelvergnügen!

An unsere Sicherheit hatte Tante Elsa natürlich auch gedacht. Für uns acht- bzw. neunjährige Bowkes, beide noch Nichtschwimmer, lagen vorne im Paddelboot ein prall aufgepumpter Vollballon-Fahrradschlauch und zwei mit fester Schnur zusammengehaltene Binsenbunde vom Schweinsrücken. Das sollten für den „Notfall“ unsere Schwimmhilfen und Lebensretter sein. Wir benötigten sie damals aber – Gott sei Dank - nie! Richtige Schwimmwesten, wie es sie heute gibt, oder zumindest aufblasbare „Schwimmflügel“ für die Arme hatten wir seinerzeit nicht.

Und dann ging's auch schon los. Sowie es das Wetter zuließ und Tante Elsa ihren freien Tag hatte - besonders aber am Wochenende -, waren wir mit dem Paddelboot auf dem Wasser. Das war entweder das Haff oder die Schmeltelle. Das Haff war dran, wenn wir den Schweinsrücken besuchen wollten, um dort die vielen Seevögel zu beobachten oder um Binsen zu pflücken, die da in großer Menge „inselweise“ wuchsen und uns – gebündelt - bei unseren Schwimmübungen im Wasser trugen. Oder wir paddelten zur Kurischen Nehrung rüber. Das ging mit Tante Elsas Paddelboot viel schneller als mit Großvaters schwerem Kahn! Und das machte uns Bowkes auch viel mehr Spaß, weil wir mitmachen konnten. Man hatte doch auch direkteren Kontakt zum Wasser, auf dem man quasi saß! Andererseits fühlte man sich in der „Nussschale“ gleichzeitig aber auch kleiner und hilfloser in der Weite der uns umgebenden Wasserfläche.

Ganz anders war es bei einer Paddelbootfahrt in der Schmeltelle: Herrlich ruhig fließendes Wasser, grün begrenzt von dichtem, überhängendem Weidengebüsch und mannigfaltigen Uferpflanzen, wie Schilf, Schwertlilien, Kolbenrohr, Kalmus, Binsen und wer weiß was noch. Dahinter saftig-grüne Wiesen mit Kühen, Kälbern, Schafen und Pferden. Und dann dieser Duft der gesamten Flora über dem klaren Wasser! In der unendliche Male meandernden Schmeltelle selbst die zahllosen gelben Mummelblüten zwischen ihren großen Schwimmblättern! Vom Paddelboot aus waren die Blüten an ihrem langen Stängel kaum aus ihrer Verankerung auf dem Grund zu reißen! So fest hatten sie sich dort festgekrallt. Dann die gefiederten, smaragdglänzenden Fischer, die Eisvögel, in emsiger Jagd auf überhängenden Ästen einiger Erlen am Wasserrand. Und schließlich am Ufer einige geduldige Angler, die von da aus Fische mit ihren „Hungerpeitschen“ zu überlisten versuchten.

Oftmals legten wir unsere Paddel einfach quer über das Paddelboot und ließen uns von der leichten Strömung treiben. Ruhiges Dahingleiten in einer Welt der Stille, der Vielfalt und der Harmonie. Im Sonnenschein ließen wir die Beine über Bord und unbewusst unsere Seele baumeln. Die Beine wurden dabei ein bisschen nass, die Seele aber entspannte sich. Auf jeden Fall war solch eine Paddelbootfahrt für uns Bowkes immer ein besonderes Erlebnis, ein Erlebnis, das bis zum heutigen Tag im Gedächtnis lebendig geblieben ist.