Memel, Krieg und Flucht

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Vorwort

Hans-Jürgen Wertens schreibt im Dezember 2014 von seinem Versuch, Licht in die Flucht seiner Mutter zu bringen.
Sie ist mit Hans-Jürgen und seinem Bruder Manfred, der für eigene Erinnerungen zu jung war, aus Memel geflüchtet.


Offensichtlich wurden für die Evakuierung von Frauen mit Kleinkindern (ich denke bis zum Alter von 6 Jahren) aus der Stadt Memel alle Wege beschritten, die schnell hinausführten. (Bahnen und Schiffe)

I. Das südliche Ostpreußen um Allenstein war u.a. offensichtlich ein erstes Etappenziel*1

1. Mit dem Zug direkt nach Allenstein
>>> dann verteilt auf die umliegenden Dörfer

2. Mit dem Schiff nach Labiau und dann mit dem Zug nach Allenstein
>>> dann verteilt auf die umliegenden Dörfer

II. Mit dem Zug direkt nach entfernten Zielen im Reich
III. Zu Land über die Nehrung ???

Allenstein war weit genug von der nahenden Front entfernt, die ca. 100 -140 Km vor der Stadt Memel verlief.

Nach der Flucht aus Memel - Hans-Jürgen mit Fluchthelferin
In der Nähe von Allenstein,
Tannenbergdenkmal, im August 1944
Bild: Hans – Jürgen Wertens
Nach der Flucht aus Memel, nun in der Nähe von Allenstein,
Tannenbergdenkmal, im Oktober 1944
Bild: Hans – Jürgen Wertens


Der Fregattenkapitän Merten war kein Mitläufer, er hatte Mut bewiesen, indem er sich zuerst über die Lage durch das Aussenden von Kundschafter gemacht hat und die große Gefahr, in der die Bevölkerung der Stadt Memel sich befand, gesehen hat und Wege beschritten hatte, die der Gauleiter Koch [1] nicht gut fand. Jedoch gegen die Entscheidung von Admiral Dönitz , die Bevölkerung von Memel zu evakuieren, wagte er nicht vorzugehen. Ich gehe davon aus, dass die Evakuierung der Frauen mit Kleinkinder in max. 5 Tagen abgeschlossen war.

Der Jahresdurchschnitt der Geburten nehme ich mit 270 Neugeborenen an. Mit größeren Kindern, der Oma, der Fluchthilfe werden es ganz grob geschätzt, nicht mehr als 5.000 Menschen gewesen sein (eher 4.000).


Liebe Mitforscher des Memellandes,
meine jahrzehntelange Planung eines Fluchtberichtes soll ein Ende haben, ich packe es an!

Meine Mutter habe ich über zwei Jahre hartnäckig bekniet, einen zu schreiben. Über eine handgeschrieben DIN A4 Seite ist sie nicht gekommen.

Heute verstehe ich nur allzu gut, warum sie ausgewichen ist/ausweichen musste.

Bis zur Evakuierung aus der Stadt Memel auf einen Bauernhof im Ksp. Prökuls ist sie in ihrem Bericht gekommen. Als alte Frau sagte sie: „Die schönsten Wochen meines Lebens.“

Leider finde ich bei Google über die Evakuierung der Mütter mit Kleinkindern nichts. Außer Allgemeines vom ganzen Reich: diese Personen hatten ein Anrecht auf Evakuierung , einschl. der Kostenerstattung.

Ich mutmaße: Nach der vermehrten Bombardierung der Stadt durch die Russen ist wohl, der vorgenannte Personenkreis aufs weniger gefährdete Land verschickt worden. Das muss unmittelbar vor der endgültigen Flucht Ende Juli gewesen sein, da der Bauer die Nachricht meiner Mutter überbrachte: Mütter mit Kleinkinder müssen als erste die Flucht antreten. Meine Mutter mit zwei Kleinkindern bekam eine junge Frau als Hilfe – neben der Großmutter – mit. Sie sprach immer von einem „Flüchtjer-Mädchen“.

Wie kamen wir heraus? Mit dem Schiff? Wenn ja, mit welchem und wohin?

Wenn ich den Fluchtbericht (niedergeschrieben im Mai 1946!) aus dem Internet für wahr halte, so müssen wir ähnlich herausgekommen sein:

„Am Sonnabend den 30 Juli 1944, 14.00 Uhr bekamen wir den Räumungsbefehl. Mutti schickte uns früh ins Bett und packte mit Vati die Rucksäcke. Morgens um 4 Uhr standen wir auf und gingen um 1/2 6 zur Fähre, die um 6 Uhr fahren sollte. Um 1/2 8 fuhren wir ab weil immer noch Leute kamen. Um 1/4 3 Uhr kamen wir in Labiau an.“


Nun habe ich nur noch Fragmente:

a) wir sind auf einer der letzten Fahrten der Gustloff [2] herausgekommen

b) wir sind noch wochenlang durch Ostpreußen geirrt/oder hin- und hergeschoben. Am Tannenbergdenkmal sind wir auch gewesen, da ich noch ein Foto davon besitze.

c) Frachtpapier von Anklam über Flüchtlingsfracht nach Magdeburg/Staßfurt

Mein Reim: 1. Wir sind auch nur aus der unmittelbaren Gefahrenzone herausgebracht worden, bis Labiau und ???. – Dann durch Ostpreußen hin und her geirrt/verschoben – von einem größeren Hafen (Königsberg/Pillau – Danzig) mit der Gustloff nach Anklam.

Kann Jemand ergänzen, berichtigen, hat einen besseren Reim?

Manfred und ich - mit Fluchtkoffer unter der Matratze
Bild: Hans – Jürgen Wertens
Nach fast 70 Jahren zurück mit Fluchtkoffer in Memel am Bahnhof

Bild links Unser Fluchtgefährt: vermutlich beim Bauer – Nähe Prökuls oder bereits auf der Flucht (mein verstorbener Bruder Manfred und ich)
Unter der Matratze war der Fluchtkoffer mit Papieren, Sparbücher, Urkunden, Fotos und …

Bild rechts Der Fluchtkoffer hat seinen Weg wieder zurück nach Memel gefunden.
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Fluchtberichte_aus_dem_Memelland


  1. Quelle: Koch, Erich - Gauleiter Ostpreußen [1]
  2. Quelle: Schiff Wilhelm Gustloff[2]