Ludwig Carl Wilhelm von Baumbach-Kirchheim – Erinnerungen aus dem Leben eines hochbetagten Mannes (1799 – 1883)/34

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Ludwig Carl Wilhelm von Baumbach-Kirchheim – Erinnerungen aus dem Leben eines hochbetagten Mannes (1799 – 1883)
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ihren Ursprung bei dem Deutschen Generalkonsulat in New York. Dr. Schuhmacher aus Bremen, unterstützt durch den als Autorität für Amerika geltenden, ihm befreundeten Abgeordneten Kapp, während beide den Westen gar nicht kennen, Herr Schuhmacher, wohl seiner Pflicht zuwider, nicht einmal eine flüchtige Reise dorthin machte. Wahrscheinlich wollte dieser in seinem Büro beschäftigte Diplomaten Drs. entweder gerne befördern – beide erhielten die zwei errichteten Berufskonsulate im Binnenlande – oder vielleicht auch gerne loswerden. Für Beibehaltung der Wahlkonsulate in den Seehäfen liegt aber der Gedanke nahe, daß dies geschah, weil sie Freunde des Generalkonsuls, wenigstens engere Landsleute, Bremenser sind. Bei dem Auswärtigen Amt mag vorherrschender Bürokratismus ohne jede Berücksichtigung der lokalen Verhältnissen den Ausschlag gegeben haben. Mich trifft diese Maßregel hart, besonders in Bezug auf Moritz, beraubte mich aber auch eines namhaften Einkommens, mir manche Einschränkung auferlegend, härter aber beinahe noch durch Entziehung der gewohnten geistigen Beschäftigung, die ich in anderer Weise bei meinem hohen Alter nicht ersetzen kann.

Doch denke und hoffe ich, Gott ruft mich bald vom Schauplatz meiner Tätigkeit ab, um meinen, von schadhaft gewordenen irdischen Banden befreiten unsterblichen Geist mit den vorausgegangenen Lieben wieder zu vereinigen und demselben einen neuen Wirkungskreis anzuweisen, worauf ich in festem Glauben hoffe. Der Gedanke, noch viel älter zu werden, ist mir peinlich und hat für mich etwas Abschreckendes. Nur sehr wenige leben noch im alten Vaterland, mit denen ich einst jung war und jung fühlte, hier nicht ein einziger. Was kann das Leben noch für einen Reiz haben, bei stets zunehmenden Körpergebrechen? Nun, Gottes Wille geschehe, nicht der meinige.

Möge mir derselbe in seiner Gnade nur einen langen Todeskampf ersparen, doch auch hier unterwerfe ich mich seinem Willen.

Ich fühle, ich bin weitschweifig, wohl allzu weitschweifig – in Schilderung der eigenen Geschicke geworden und will schließen. Nur einige allgemeine Betrachtungen seien mir noch bezüglich der Lage der jetzigen Gesellschaft gestattet und deren Zukunft. Ich blicke durch die Altersbrille, die ja erfahrungsmäßig alles zu schwarz sieht, was hoffentlich bei mir der Fall sein wird.

Blicke ich in die Vergangenheit zurück, so hat das menschliche Geschlecht auch in sittlicher Beziehung äußerlich große Fortschritte gemacht, wer vermag das zu leugnen. Weder Hexen werden mehr verbrannt, noch Autodafés abgehalten; grausame Strafen stehen nur noch im Kriminalcodex, kommen aber nicht mehr zur Anwendung; man erblickt allenthalben weniger äußerliche Rohheit, und das menschliche Geschlecht scheint in der Tat fortgeschritten. Blicke ich nun gar in industrieller Beziehung auf den Beginn des jetzigen Jahrhunderts, besonders die letzten 50 Jahre zurück, welche Veränderungen nehme ich wahr? Welche Wunder – man kann sie füglich so nennen, hat der menschliche Erfindungsgeist geschaffen. Wohin sind die früheren Entfernungen geschwunden, wer hätte noch vor 50 Jahren für möglich gehalten, Begebenheiten, die heute in einem Weltteil stattfinden, noch an demselben Tag dem anderen Kontinent mitzuteilen? Für