Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien/21

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien
Inhalt
<<<Vorherige Seite
[20]
Nächste Seite>>>
[22]
Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.



Worte gegen diese Versammlungen aber sollten von der Obrigkeit durch Strafe geahndet werden. Die Versammlungsfreunde freuten sich über diese Verordnung und benutzten sie. Trotz derselben geschah es doch, daß, als Olf. einmal an einem Sonntage Nachmittags im Vorbeigehen die Pariser Bethausthür halb offen sah, in das Bethaus eintrat, und, als er eine starke Versammlung darin fand, fragte: „Was macht ihr da?“ Der Vorsteher antwortete: „Wir halten Erbauungsstunde.“ Olf.: „Was liest du?“ Vorsteher: „Ich lese eben ein Kapitel aus der Offenbarung.“ Olf.: „Ihr Dummköpfe! Ich bin ein studirter Mann und verstehe nichts davon; was wollt ihr verstehen?“ Vorsteher: „Das Buch heißt aber doch Offenbarung, und nicht Zubarung.“ Olf.: „Hinaus mit euch! hinaus!“ – Er jagte alle zum Bethause hinaus. Ich sah einmal, wie er einem halben Dutzend Brüder, die er von Paris nach Tarutino vor sich beschieden hatte, Bruststöße gab und sie rechts und links ohrfeigte. Sarata störte dieser Knecht Ruprecht nicht, denn dieses stand nicht unter dem Komptoir, sondern unter der directen Verwaltung Lindls und des Fürsorge-Comite´s.

4. Lindl´s Weggang.

       An einem regnerischen Dezember-Sonntage des Jahres 1823 ging ich nach der Kinderlehre zu Lindl und bat ihn um Erklärung des 14. Kapitels Sacharia. Auf dem Divan ruhend unterhielt er sich freundlich mit mir darüber in Vergleichung mit Offenb. 19, wobei ich aber eine kleine Betrübniß an ihm wahrnahm, die ich körperlicher Müdigkeit zuschrieb, als sich plötzlich eine Postglocke hören ließ. Ich sah durchs Fenster und sagte: es hält ein Wagen vor dem Pfarrhause. Lindl sprang auf und eilte nach der Thür; dem General Insow sein Adjutant, Herr Güldenschanz, und ein fremder Herr, den ich nicht kannte, trat ein, und ich entfernte mich. In der Abendversammlung war ich nicht, hörte aber, Lindl sei betrübt gewesen und habe das Lied „Ist Alles dunkel um mich her“ singen lassen, aber Niemand ahnte, was bevorstand. Morgens versammelte sich die Gemeinde zur Frühlehre im Betsaale; man wartete lange, Lindl kam nicht. Endlich erblickte ich durch die ein wenig offenstehende Nebenthür, die aus dem Betsaale in die Pfarrzimmer führte, einen von Lindls Knechten unter Händeringen heftig weinen, und die der Thür zunächst sitzenden Mädchen fingen auch an zu weinen. Ich erschrak, eilte durch