Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien/17

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Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien
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Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien.djvu
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durchs Haupthaar dünngedeckten Glaze und einem klaren Angesichte, das einen gewaltigen Ernst, und doch dabei einen göttlichen Frieden, eine brennende, wehmüthige Liebe ausdrückte. Die Stirn war mäßig hoch, aber hell, die Augen mit durchdringendem Blick schienen ins Röthliche zu spielen, als ob sie eben geweint hätten. Sein Umgang war freundlich und herablassend, seine Sprache klang voll und allewege erbaulich und gesalbt. Ich sah ihn in der Gemeinde öfters Hausbesuche machen. Auch von den Leuten in Sarata wehete einem ein wohlthuender Friede und eine zuvorkommende Liebe entgegen, die alle Rohheit verscheuchte. Der Gottesdienst in dem schönen geräumigen Betsaale war ergreifend. Letzterer war in Form der Herrnhutischen Betsäle gebaut, hatte zwei Chöre und einen schönen, gläsernen Kronleuchter, der von der gewölbähnlichen, hohen Decke herabhing. Auf dem der Eingangsthüre gegenüberstehenden Altare, hinter welchem, mit diesen verbunden, die Kanzel mit einem fast in Lebensgröße gemalten Brustbilde des Herrn stand, befand sich ein kleines, einfaches, vergoldetes Crucifix, welches heute noch den Altar der neuen Kirche zu Sarata ziert, die große Altar-Bibel und ein paar metallene Leuchter. Das Amtskleid Lindls war ein langer schwarzer Talar, wie ihn die evangelischen Prediger heute noch tragen, und eine glatte schwarze Halsbinde, hinter welcher ein ganz schmales, weißes Streifchen um den Hals hervorragte. Päffchen trug er nicht. Der einfache im langsamsten Zeitmaß gehaltene Choralgesang der Gemeinde, die herzlichen Lieder aus dem Sarater Gesangbuche (Sammlung auserlesener Lieder von der erlösenden Liebe von J. Goßner), das in jedem Hauptgottesdienst wiederkehrende Beichtgebet, welches Lindl gewöhnlich an den Stufen des Altars knieend oder auf dem Angesicht liegend abhielt, die dabei, wenn auch nicht nach allen Regeln der musikalischen Kunst gesetzte, von den Chören harmonisch, mehrstimmig ausgeführte herrliche Liturgie: „Herr, erbarme Dich!“ u.s.w. - „Heilig, Heilig, Heilig,“ u.s.w., an deren Schluß sich der Pfarrer von den Knien erhob, und die Altarstufen hinaufsteigend, die erste Zeile des Liedes: „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn,“ anstimmte, in dessen zweite Zeile die ganze Gemeinde einfiel, darauf die kräftige, auch dem Einfältigsten verständliche, gesalbte Predigt, das Alles umfassende Kirchengebet, - kurz, der ganze Gottesdienst von Anfang bis Ende war für einen Nichtsarater etwas so Unerhörtes und Anziehendes, daß man sich dabei wie im Himmel und unter