Deutsche und französische Kultur im Elsass/086

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Deutsche und französische Kultur im Elsass
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Bildunterschrift:
Bauernmädchen.

bilden in Landwirtschaft und Industrie das hervorstechende Kennzeichen der französischen Volkswirtschaft. Auch das soziale Leben trägt diesen nationalen Zug. Das Zweikindersystem ist so gut seine Frucht wie die Abschwächung der ja auch in Frankreich bestehenden sozialen Klassenunterschiede. Es ist für den Mann und für die Frau leicht, diese sozialen Klassen zu durchbrechen, wenn ihnen nur individuelle Eigenschaften, Talente, Geist oder Schönheit, zu Gebote stehen. Am stärksten tritt der Individualismus in der Politik und im Rechtsleben hervor. Die Staatsform schwankt zwischen der Herrschaft eines Individuums, dem Cäsarismus, und der Herrschaft aller Individuen, der Demokratie, hin und her. Die Staatsmänner sind immer wieder neue Männer ohne Traditionen, aber meist mit grossem persönlichen Talent begabt. Alle wichtigen Rechtsinstitute tragen den individualistischen Zug, so die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, das Eigentums- und Erbrecht des code civil, die älteren Gesetze gegen Koalitionen aller Art, die ganze französische Steuergesetzgebung, die möglichst indirekte Steuern auferlegt und auch die direkten Steuern nach äusseren Merkmalen bemisst, um nicht in die ängstlich geheim gehaltenen Vermögensverhältnisse des einzelnen Kontribuenten eindringen zu müssen.

Nicht minder als die wirtschaftliche, soziale und politische Kultur trägt auch die geistige Kultur Frankreichs diesen individualistischen Charakter. Die allgemeine Bildung, natürlich nicht das Fachwissen, beruht nicht auf objektiver Schulung, sondern auf der Tradition und der grossen natürlichen Begabung des Volkes. Sie ist also durch subjektive Eigenschaften und Zustände des Individuums, nicht durch objektive Institutionen, wie das Unterrichtswesen, bedingt. An seinem Brennpunkt, in der Stadt Paris, ist daher das französische Geistesleben naiver zugleich und