Deutsche und französische Kultur im Elsass/065

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Deutsche und französische Kultur im Elsass
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Die Gerichtsorganisation im Elsass wurde durch die Einführung der Reichsjustizgesetze hinsichtlich der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit in völlige Übereinstimmung mit der des übrigen Deutschland gebracht. Allerdings waren die französischen Normen den neuen deutschen sehr ähnlich. Nur für die freiwillige Gerichtsbarkeit, die Justizverwaltung und einige besondere Gerichte sind die Gesetze aus der französischen Zeit massgebend geblieben. Einer durchgreifenden Reform wurde das im Elsass so wichtige Notariat unterworfen. Man beseitigte durch Ablösung die Verkäuflichkeit der Notariatsstellen. 276 Notare wurden mit mehr als 15 000 000 M. entschädigt. Ferner verminderte man die Zahl der Stellen, so dass im Jahre 1896 im ganzen Reichsland nur noch 161 Notare vorhanden waren. Die Gebühren für ihre Amtsthätigkeit wurden durch einen allgemeinen Tarif einheitlich festgesetzt, und man verbot ihnen den bankmässigen Geschäftsbetrieb. Schliesslich wurde die Vorbildung der Notare, die bisher nur in einer sechsjährigen Lehrzeit bei einem Notar bestanden hatte, dahin abgeändert, dass man dreijähriges Universitätsstudium und die Ablegung des ersten juristischen Examens vorschrieb.

Von den materiellen Reformen, die die deutsche Regierung seit der Annexion vorgenommen hat, können nur die allerwichtigsten hier angeführt werden. So kamen nacheinander die Bestandteile des Reichsrechts, vom Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich 1871 bis zum Bürgerlichen Gesetzbuch (1900), zur Einführung. Von sonstigen Reformen auf dem Gebiet der Rechtspflege ist hervorzuheben, dass man mit der Einführung der bisher fehlenden Grundbücher den Anfang machte und das Gefängniswesen einer durchgreifenden Reform unterwarf. Im Gegensatz zu der in französischer Zeit herrschenden Unterrichtsfreiheit wurde der gesamte öffentliche Unterricht unter Aufsicht und Leitung der Staatsbehörden gestellt. Die Privatunterrichtsanstalten wurden zu gunsten der öffentlichen Schulen völlig zurückgedrängt, und die allgemeine Volksschulpflicht gelangte kurz nach der Annexion zur Einführung. Organisation und Lehrplan der Schulen richtete man völlig nach deutscher Art ein. Das Französische wurde nicht nur als Unterrichtssprache, sondern auch als Lehrgegenstand möglichst beseitigt, und überhaupt der ganze Unterricht völlig in den Dienst der Germanisation gestellt. Die Krönung des Unterrichtswesens im Elsass sollte die Universität zu Strassburg bilden, die im Jahr 1872 gegründet wurde.