Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/131

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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Und der Fuhrmann, der in einem Kasten
Meine Sachen auf dem Schlitten fuhr,
Mußte in dem Schnee zuweilen rasten,
Da er finden konnte keine Spur.
Als nach Herchenhain wir sind gekommen,
Wo der Schnee an Stellen haushoch lag,
Hat es Wunder uns so sehr genommen,
Daß noch Scholl nach Jahren davon sprach.
Bis nach Grünberg blieb ich bei dem Schlitten;
Als er links um dort nach Gießen bog,
Bin ich rechts nach Kesselbach geschritten,
Wohin mich mein holdes Bäschen zog.
Nachdem dort drei Tage ich verweilet,
Was mir freilich viel zu wenig war,
Bin am vierten doch ich weggeeilet,
Und kam her am sechsten Februar
Anno achtzehnhundertzwanzigsieben,
Wo ich diese Gegend noch nicht kannt';
Weil mir aber ward der Weg beschrieben,
Ich denselben dennoch richtig fand.
Pfarrer Steinberger, ein Invalide
So in leib- wie geistlichem Betracht,
War des Lebens damals herzlich müde,
Was er täglich hundertmal gesagt.
Wie ein kleines Kind ward er gefüttert,
Denn wenn er den Löffel selber nahm,
Hat er mit der Hand so sehr gezittert,
Daß er nichts in seinen Mund bekam.
Dabei war er gänzlich eingenommen
Gegen einen jeglichen Vicar;
Da er wider Willen mich bekommen,
Ich ihm Anfangs nicht willkommen war.
Doch allmählich hat er mit Vertrauen
Und mit Freundlichkeit mich angeblickt,
Und es war fast rührend anzuschauen,
Wie er mir noch hat die Hand gedrückt.
Seine Gattin, die er Fritze nannte,
Die noch rüstig war und wohlgemuth,
Machte gerne, wenn sie's nöthig fande,
Sein Betragen wieder bei mir gut.
Als zum Beispiel er nicht wollte geben
Mir die Kirchenbücher in die Hand,
Und den Schlüssel pflegte aufzuheben,
Hat sie aus den Hosen ihn entwandt.
Auch hat eine vaterlose Waise
Sie erzogen, die Louise Lang,
Die im Hause Alles hielt im Gleise,
Daß es ginge seinen rechten Gang.
Sie war hübsch, erwachsen, treu und fleißig,
Und zumal von himmlischer Geduld;
War ihr Herz auch grade nicht so eisig,
War und blieb es dennoch ohne Schuld.
Namentlich hat sie des Pfarrers Launen
Nie zu widerstreben sich erkühnt,
Und ich mußte oft darüber staunen,
Wie an ihm den Himmel sie verdient.
Und durch Wuchs und Schönheit ausgezeichnet
War die Magd, Elisabetha Kahn,
Was von Allen Keiner hat geläugnet,
Die sie hier zum ersten Male sahn.
Da ich dennoch niemals war beflissen,
Ihr zu thun, als wäre ich verliebt;
Meinte sie: „Ach, der muß gar nicht wissen,“
Daß es zweierlei Geschlechter gibt!“
Zu den vier beschriebenen Personen
Kam ich also hier in Hermannstein
Gleich von meiner Ankunft an zu wohnen,
Und zog in die Clausenstube ein.
Statt der heitern, sonnenreichen Stube,
Die zu Hause ich gehabt zuvor,
Glich fast diese einer Mördergrube,
Wo die Lust des Lebens man verlor.
Feucht und immer düster wie ein Kerker,
Vor den Fenstern Eisen angebracht,
Machte sie, daß öfter ich und stärker
An die alte Heimath hab' gedacht.
Meine Antrittspredigt hab' gehalten
Ich dahier am elften Februar,
Und begann das Amt auch zu verwalten
Von dem Tage an als Pfarrvicar.
Vom Inspector Brumhard ordiniret
Wurde ich am elften März darauf,
Und die Pfarrer, welche assistiret,
Legten auch mir ihre Hände auf.
Und nachdem auch dieses war verrichtet,
Ward am neunzehnten April ich doch
Auch in Gießen feierlich verpflichtet
Von dem ganzen Kirchenrathe noch.
Von dem Mai an habe fünfthalb Jahre
Außerdem ich Blasbach vicarirt,
Wofür jährlich mir dann hundert baare
Thaler sammt dem Accidens gebührt.